Schule und Klerikalismus von Otto Glöckel

10 Ungemein wichtig für den Geist, der in der Schule heimisch ist, ist die Vorbildung der Lehrer. Die Lehrerbildung ist ausschließlich eine Angelegenheit des Staates; vielfach überläßt er diese wichtige Aufgabe den Ländern, Gemeinden oder gar klerikalen Vereinen. Diese Verhältnisse werden immer betrüblicher. Vergleicht man die Schülerzahl der Lehrerbildungsanstalten in Oester¬ reich (außer Galizien) vor zehn Jahren mit der von heute, so ergibt sich, daß jetzt in den staatlichen Lehrerbildungs¬ anstalten um 938 Zöglinge weniger studieren, die Zahl der Zöglinge in den klerikalen Anstalten um 2082 zugenommen hat. So sucht man die Lehramtszöglinge zu klerikalen Agitatoren zu präparieren! Aber auch in den staatlichen Lehrerbildungsanstalten kommandiert der Religionslehrer, ebenso in vielen Landesanstalten (Niederösterreich!) In den meisten Lehrerbildungsanstalten wurde ein streng klerikales Buch über Erziehungslehre eingeführt; in St. Pölten verbot man den Zöglingen darunter sind 19jährige Jünglinge — das Lesen der deutschen Klassiker während der Österzeit, weil darunter die Heiligkeit des Festes leiden könnte! Man führt strenge österliche Exerzitien für Zöglinge, Lehrer und Lehrerinnen ein und läßt in Wiener¬ Neustadt bei dem Einzug des Bischofs Nagl die spalier¬ bildenden Volksschüler durch Lehramtszöglinge überwachen, damit sie sich für solche Anlässe einüben! Lehramtszöglinge werden in die Versammlungen des katholischen Schul¬ vereines geführt, wo sie nach den „bildenden Vorträgen“ zu musikalischen Aufführungen mißbraucht werden. Graf Stürgkh ist von der klerikalen Lehrerbildung begeistert, gerne stattet er jede klerikale Lehrerbildungsanstalt, auch wenn die Lehrkräfte bei weitem nicht den Anforde¬ rungen des Gesetzes entsprechen, mit dem Oeffentlichkeits¬ recht aus! Graf Stürgkh hat nur einen Ehrgeiz: das be¬ geisterte Lob der klerikalen Schulverderber zu verdienen um jeden Preis!

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