Steyr-Daimler-Puch AG STICHWORT »ALTERNATIVPRODUKTE« Mit Schlagworten ist niemandem geholfen' zerbrechen< - und wo bleibt jetzt endlich das »Alternativ produkt«? Alternative Produkte im Erzeu gungsprogramm sind für un ser Unternehmen an und für sich nichts Neues. Bereits lange vor der Jahrhundert wende, als Steyr noch die größte Waffenschmiede Europas beherbergte, er kannte der geniale Firmenbe gründer Josef Werndl, daß die Waffenerzeugung allein nie mals die Kapazität einer Firma wie der seinen würde ausfül len können. Und mit Erfolg ,-ersuchte er daher, damals noch fast konkurrenzlos, ins eben erst erschlossene Gebiet der Elektrizitätswirtschaft vor zudringen. So kam es, daß Steyr zu Werndls Zeiten die er ste elektrisch beleuchtete Stadt Europas wurde. Daß Werndls zukunftsträchtige Pläne auf diesem Gebiet da mals doch nicht verwirklicht werden konnten, liegt nicht zu letzt am plötzlichen - völlig un erwarteten - Tod des »Pioniers von Steyr«. Aber auch nach Werndls Able ben nutzte Steyr-Daimler-Puch immer wieder Alternativen: Wir brachten das »Waffenrad« auf den Markt und nach 1918, ^s Österreich keine Waffen 1 nehr produzieren durfte, wurde die Produktion auf Per sonenkraftwagen umgestellt. Und die Qualität dieser Fahr zeuge begeisterte die Käufer auf der ganzen Welt. Nach 1945 durften wiederum keine Waffen hergestellt wer den. Und die Pkw-Erzeugung war im zerstörten Land nicht sinnvoll. Unser Unternehmen paßte sich auch dieser Situa tion an: Traktoren und Last kraftwagen begannen die Lücke zu füllen. Produkte, die bereits damals dem Mitbewerb paroli bieten konnten und heute mehr denn je auf perfekte Qualität ausgerichtet sind: Heute zählen unsere Traktoren zur Spitzenklasse und unseren Lkw gelang es erst vor kurzer Zeit, in einem jahrelangen Kampf um Liefer verträge mit der Volksrepublik China die Konkurrenz aus dem Feld zu schlagen. Doch ist die allgemeine Lage nicht mit der vor einigen Jahr zehnten zu vergleichen: War es damals in Zeiten des Wie deraufbaues nach den gewalti gen Zerstörungen und Verwü stungen der Kriege ein leich tes, aus dem große Katalog an offenen Bedürfnissen pas sende Produkte zu suchen und die Produktion umzustellen, so leben wir heute in einer Ge sellschaftsform der gesättigten Märkte: Die letzten Jahre vor der Krise haben die Konkur renten gleichsam >aus dem Boden schießen< lassen, und die Wirtschaftssituation ließ nicht nur neue Herstellerfir men entstehen, sondern die )Großen< noch größer werden. Es war jede Chance gegeben, den Markt mit Waren zu über schwemmen: Die Kunden nutzten ihre Finanzkraft für alle erdenklichen Investitionen. Nun aber ist die große Sätti gung eingetreten: Die Bedürf nisse sind zum größten Teil abgedeckt. So wird nicht nur der Warenfluß gebremst, son dern auch die Finanzkraft ver ringert, die für Umstellungen und Investitionen notwendig wäre. Wenn also der Ruf nach Um stellung laut wird, dann hat die Frage zu lauten: Auf welche Alternativprodukte? Wo Sätti gung statt Aufbau herrscht, ist es nicht leicht, noch eine Marktlücke zu finden, die tausenden von Arbeitnehmern Brot zu geben vermag. Von tragischer Komik wird die Forderung nach Alternativen erfüllt, wenn einfach »etwas ganz Neues« verlangt wird! Die Zeit der großen Erfindun gen scheint vorbei - die lang wierige Entwicklungsarbeit, die heutzutage Wissenschaft und Technik beherrscht, kostet jedoch Milliarden. Und Geld ist knapp. Selbstverständlich existieren noch Lücken, die es zu füllen gilt - etwa völlig risi kolose Anwendung der Kern energie: Sonnenenergieanla gen mit einem vernünftigen Kosten/Nutzen-Verhältnis; fe derleichte Batterien, mit deren Energie Fahrzeuge über tau sende Kilometer bewegt wer den können und die dennoch über Nacht wieder aufzuladen sind: . . . Utopien? Vielleicht. Aber hun derte der größten Forschungs laboratorien arbeiten bereits seit Jahrzehnten an diesen Problemen. Doch abgesehen von den not wendigen Investitionen in Milliardenhöhe-fürdie uns »In dustriezwerg« die Mittel fehlen -sind auch unsere Fertigungs anlagen richtungsgebunden: Seit jeher sind die Anlagen un serer Werke auf Metallbear beitung ausgerichtet, unsere Fachleute sind Metallfachleute -die Richtung ist festgelegt. Mit dem »ganz Neuen« wird es also wahrscheinlich auf abseh bare Zeit nichts werden. Dennoch sind weder unsere Mitarbeiter, noch unsere Kon zernleitung untätig. Doch viel leicht ist es für Außenste hende nicht ganz einfach, die Politik der kleinen Schritte zu durchschauen: In jüngster Ver gangenheit haben wir ein Trä gerfahrzeug entwickelt, wir ar beiten an einem neuen Lkw der Mittelklasse. Doch zu einem gewissen Teil sind wir sicherlich selbst daran schuld, wenn es nicht so rasch mög lich ist, unsere alteingesesse nen Produkte weiter zu verbes sern - unsere weltweit aner kannten Erzeugnisse sind be reits auf einem so hohen Stan dard, daß jede weitere Perfek tionierung unendlich schwierig ist und oft kostentechnisch gar nicht mehr verantwortet wer den kann. Hunderte Versuche sind notwendig, um etwa den Wenderadius eines Traktors noch weiter zu verkleinern, die PS-Zahl eines Dieselmotors zu erhöhen oder den Treibstoff verbrauch abzusenken. Solche Arbeiten sind nicht innerhalb von Tagen zu vollziehen - so gar Monate sind noch zu kurz. Die Forderung nach »Alterna tivprodukten« verliert - unter diesen Aspekten betrachtet en Bedeutung, bis sie sich zur Phrase deklassiert. Viel nützli cher wären Gedanken darüber, wie unsere Produkte besser auf den Markt gebracht wer den könnten. Das wäre ohne weiteres möglich - auch trotz der Marktsättigung in der in dustrialisierten Welt: In den von der Weltwirt schaftsentwicklung benachtei ligten Gebieten unserer Erde werden immer noch gigan tische Flächen besten Bodens mit Ochsengespannen oder der Haue bearbeitet. Schon wenige Traktoren könnten diese zeitaufwendige und kraftraubende Arbeit erleich tern und gleichzeitig die Er träge steigern. Auch Lastkraftwagen gibt es nicht zuviele: Vor wenigen Jahren herrschte im Inneren Äthiopiens eine Hungersnot biblischen Ausmaßes. Die ganze Welt sammelte Lebens mittel - die dann in den Hafen städten an den Küsten verfaul ten. Weil einige hundert Lkw fehlten, um die Lebensmittel zu verteilen. Hier mit Schlag worten wie »Alternativprodukt« aufzuwarten, grenzten Blas phemie und zeigt die Verantwortungslosigkeit selbstgefäl liger Weltfremder. »Steyr-Daimler-Puch ist eine gesunde Firma« sagte GD Mal zacher zu Jahresbeginn - und er hat recht: Unser Konzern ist vital: seine Techniker haben Ideen, Spitzenfacharbeiterset zen diese Ideen in Spitzenpro dukte um, um die uns die Kon kurrenz beneidet. Es liegt an den Fachleuten der Öffentlich keit, die Lage so weit zu nor malisieren, daß gute Produkte auch verkauft werden können. Was unsere Wirtschaft braucht, sind nicht verspon nene »Alternativideen« für eine Handvoll finanzkräftiger Inter essenten, sondern genügend Finanzkraft für die Allgemein heit. Dieses Problem zu lösen wird nicht einfach sein. Aber mit Sonntagsreden, pseudo wissenschaftlichen Kommen taren und mit Schlagworten ist es bestimmt nicht zu lösen.
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2