AUS DER GESCHICHTE DER WERKE WIEN (,,SAURER"-WERKE) (4) Sara,ewo 1114: Schicksalsstunde auch für Saurer1 Im Konstruktionsbüro in der Hahngasse, einem recht beengten Raum, war man eifrig am Werk. Es wurde ein Kettenwagen für 5 Tonnen Tragkraft hergestellt, der zunächst einen 35 PS-Motor und später einen 50 PS-Motor erhielt. Es wurde auch ein Kardanwagen für 2 Tonnen und später ein solcher für 3 Tonnen herausgebracht. Diese Type wurde zu einem Omnibus mit Kardanantrieb weiter entwickelt, der nach englischem Vorbild doppelstöckig ausgeführt wurde. Er war dazu bestimmt, den Verkehr zwischen Nordbahnhof und Stephansplatz zu bewältigen. Unser Bild zeigt den Doppeldeck-Stadtomnibus vor dem im Zweiten Weltkrieg zerstörten Nordbahnhof: ein historisches Dokument von großem Reiz. Die Entwicklung des ZweiTonnen-Kardanwagens ging in zwei Richtungen. Er fand als Kleinlastwagen und als leichter Omnibus Verwendung. Der Gedanke, die alte Glocknerstraße von Lienz über Heiligenblut bis zum Glocknerhaus mit Saurerbussen zu befahren, war eine Lieblingsidee von Alfred Radio-Radiis. Trotz mancher Schwierigkeiten bei der Statthalterei in Innsbruck, wo man sich vor der Vergrämung des Wildes fürchtete, gelang es ihm schließlich, eine Konzession für diese Strecke zu erhalten. Drei Jahre hatte der Kampf um das kostbare Dokument gedauert. Dann konnte nach mehreren gut absolvierten Probefahrten im Jahre 1912 die Autobuslinie in Betrieb genommen werden. Die Besitzer der größeren Gasthöfe in Dölsach, Iselsberg, Winklern und Heiligenblut wurden motiviert, je eines der von dem jungen Unternehmen gebauten Glocknerfahrzeuge zu erwerben. Sie wurden so Mitbenützer der Konzession. Der Betrieb wurde bis in den Ersten Weltkrieg hinein ausgeübt und mußte dann, da die Chauffeure alle eingerückt waren, 4 eingestellt werden. Bei der Konkurrenzfahrt von 1909 bewiesen die beiden Lastkraftwagen, die in Lizenz von Saurer-Arbon gebaut worden waren, ihre robuste Konstruktion und Sparsamkeit im Treibstoffverbrauch. Eines der drei Fahrzeuge beanspruchte bei 4 Tonnen Nutzlast auf der Versuchsstrecke Brünn - Wien nur 17 Liter Benzin. Die Leistungsfähigkeit der „Saurerwagen" - wie das Erzeugnis der jungen Firma rechtlich nicht ganz korrekt, aber allgemein genannt wurde - war durch eine unabhängige Jury festgestellt worden. Das Interesse der Fuhrunternehmer wuchs. Der erste Doppeldeck-Stadtomnibus der Gemeinde Wien vor dem ehemaligen Nordbahnhof, der im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Eine „Saurerkolonne" des K. u. K. Heeres 1912 wurde auch ein Omnibusbetrieb in Montenegro von Bucari über den Lovcen nach Cetinje eingerichtet, dessen Verlängerung sowohl in Montenegro als auch in Albanien vorgesehen war. Diese Pläne kamen freilich durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges und die Kriegserklärung Montenegros nicht mehr zur Verwirklichung. Acht Jahre einer friedlichen Entwicklung hatte das junge Unternehmen bis zur Schicksalsstunde von Sarajevo gehabt. In dieser Zeit war es gelungen, finanziell aus dem gröbsten herauszukommen und eine geachtete Stellung auf dem Markt und bei der Kundschaft, vor allem bei der öffentlichen Hand, zu erwerben. Der allgemeine Drang zur Motorisierung, das Interesse weitester Kreise - einschließlich der jüngeren Mitglieder des Kaiserhauses - für das Automobil waren dieser Entwicklung sehr förderlich gewesen. Nun schien plötzlich alles in Frage gestellt Die Befürchtung der Geschäftsleitung, der Betrieb könnte, wie so viele, wegen Einrückung des Personals stillgelegt werden, bewahrheitete sich freilich nicht. Im Gegenteil: Die Oberste Heeresleitung stellte sämtliche Arbeiter und Angestellte vom Militärdienst frei und gab den Auftrag, die Produktion bestimmter, für den militärischen Einsatz geeigneter Typen in erhöhtem Maße fortzusetzen . Es wurden zahlreiche Räumlichkeiten im Bereich der Hahngasse requiriert, wo die Produktion in verstärktem Maße aufgenommen werden konnte. Allenthalben in Wien mietete man Magazinräume. Im XV. Bezirk wurde eine stillgelegte Werkstätte erworben, in der Maschinen für Kurbeigehäuse- und Getriebeproduktion aufgestellt wurden. Es wurden Anteile an der Karosseriefirma J. Rohrbacher in Hietzing gekauft, in deren großer Halle die Montage der Fahrgestelle durchgeführt werden konnte. Hier erfolgte auch die Montage der Aufbauten und die Ablieferung der Fahrzeuge. Die vielen verstreuter.i Arbeitsstätten waren freilich der Schnelligkeit der Produktion, auf welche die Oberste Heeresleitung ja größten Wert legte, nicht günstig. Diese selbst und die Geschäftsleitung faßten Maßnahmen ins Auge, größere Fabriksanlagen zu errichten, was mitten im Krieg nur mit intensiver Unterstützung der Obersten Heeresleitung möglich war. Ruediger ENGERTH (Fortsetzung folgt)
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