Aktuell im Betrieb - Heft 10/1985

mington und in Hartford bei Colt. Als er fast zwei Jahre später in die Heimat zurückkehrte, barg sein Gepäck zahlreiche Berechnungen und sorgfältige Zeichnungen aller kennengelernten Fertigungsmaschinen. Zurückgekehrt, konnte die vom jungen Josef Werndl lange geplante Heirat mit seiner Verlobten Karoline Haindl stattfinden. Josef Werndl kaufte mit Hilfe seiner Eltern eine Schleifwerkstatt. die Kettenhuberschleife, und machte sich selbständig. Wieder kam 1 s zu keiner dauernden, getreihlichen Zusammenarbeit mit dem Vater. Als der Vater an Cholera starb, zögerte sein Sohn jedoch nicht, sofort den elterlichen Betrieb zu übernehmen. Mit ungeahntem Mut und nicht aufzuhaltender Energie machte er sich daran, neue Maschinen anzuschaffen und den Betrieb auszubauen. sodaß seine Erzeugnisse auch in wirtschaftlich schwieriger Lage schon bald zu ernsthaften Konkurrenten der größten und bekanntesten Marken wurden. Nicht nur seine Arbeitsmethoden waren für die alteingesessenen Handwerker neu. auch seine Verkaufsmethoden Josef Werndl wartete nicht, bis die Kunden zu ihm 110men - er suchte die verantwortlichen Stellen in der Heeresverwaltung selbst auf, um ausgesuchte Musterstücke vorzuzeigen und Aufträge zu erha lten . Eine technische Revolution Die damals in Gebrauch stehenden Gewehre waren zumeist unhandliche Vorderlader - die wenigen Konstruktionen von Hinterladern waren noch nicht ausgereift und bereiteten ungeheure technische oder preisliche Probleme. Gemeinsam mit seinem Werkmeister Karl Holub machte sich daher Josef Werndl daran, die vorhandenen Ansätze zu einem verwertbaren Ergebnis zu bringen. 1863 besuchte Josef Werndl wieder den amerikanischen Kontinent, um die neueEintragung in das Handelsregister Steyr vom 13. August 1864: >>Waffenfabrik und Sägemühle Josef und Franz Werndl & Camp << in Oberletten. nen. Doch es sollte kein Patent aus Amerika angekauft werden, sondern die kennengelernten Konzepte noch weiter verbessert und erst dann in die Praxis umgesetzt werden. Aber nicht nur Gewehrkonstruktionen brachten Werndl und Holub aus Amerika mit nach Hause, sondern auch die erste metallene Patrone, die der Kommandant des Arsenals in Springfield entworfen hatte. Ein enormer Fortschritt bahnte sich an. waren doch die bis dahin üblichen Patronenhülsen aus Papier gewesen, das sich deformierte und - weil es beim Schuß nur unvollständig verbrannte - Lauf und Schloß bis zur Unbrauchbarkeit verschmutzte!, Aber auch diese Patronenkonstruktion verbesserte Werndl noch berträchtlich, indem er einen Wechsel von der technisch nicht ausgereiften Randfeuerpatrone zur Zentralfeuerpatrone mit Zündhütchen an- _regte. Das bis dahin »beste Gewehr Europas«, das Zündnadelgewehr der Preußischen Armee war mit einem Schlag überholt. Teurer - aber besser! Als dann endlich 1863 die ersten Entwürfe für den revolutionären »Tabernakelverschluß« vorlagen, bedurfte es geschäftlichen Mutes, um an den Ausbau der Fabrik zu gehen: Den Intrigen der Konkurrenz hatte es Werndl zu verdanken, daß ihm niemand außer dem Kaiser selbst Kredit gewähren wollte. Kaiser Franz Josef dagegen war von dem »Werndl-Gewehr« vollkommen überzeugt: Es erwies sich in der Herstellung als außergewöhnlich teuer. mußte aber als mit Abstand beste Schußsten Techniken kennenzuler- Aus der Sammlung des HW Steyr. Steyr-Daimler-Puch AG waffe der damaligen Zeit bezeichnet werden. Nicht nur die schnelle Ladefähigkeit, sondern die unübertroffene Zielsicherheit zeichneten diese Konstruktion aus. Das waren die ausschlaggebenden Gründe, die das Haus Habsburg von falscher Sparsamkeit abhielten. 1864, am 16. April, gründete Josef Werndl die Firma »Josef und Franz Werndl & Comp , Waffenfabrik und Sägemühle in Oberletten«. Dieses Unternehmen ist das Stammhaus der heutiqen Steyr-DaimlerPuch AG. Die Niederlage der Österreicher bei Königgrätz brachte den Heeresleitungen die Erkenntnis. daß schneller schießende. in jeder Lage brauchbare Hinterladergewehre den langsamen Vorderladerflinten taktisch überlegen seien. Österreich setzte eine eigene »H interladungskommission« ein, die vorhandene technische Möglichkeiten prüfen sollte - und gegen über einhundert Konkurrenzangebote blieb Werndls Konstruktion siegreich. Ab sofort wurde für die Österreichische Armee nur noch das »Werndl-Holub'sche Hinterladungs-Gewehr« angekauft. 5

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