Aktuell im Betrieb - Heft 5/1983

LMINISTER DALLINGER gesundheitsschädliche und gefährliche Arbeiten übemeh men, oder sehen Sie darin Gefahren für die Erhaltung von Arbeitsplätzen? Minister Dallinger: Je weiter die technologische Entwicklung fortschreitet, umso massiver wird ihre Eigendynamik und umso näher sind wir der Gefahr der Verselbständigung eines Systems, das in seiner letzten Entwicklungsphase dann nicht mehr dem Menschen dient, sondern umgekehrt . Bis vor einigen Jahren waren es optimistische Prognosen, die übet die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen der Entwicklung de, Computertechnik angestellt wurden. Eine Automation würde nur den geringsten Teil der Arbeitenden erfassen und sollte für den Wegfall körperlicher Arbeit und stupider Arbeitsvollzüge sorgen und insgesamt zu einer Differenzierung und Höherqualifizierung der Arbeit führen. Heute weiß man, daß es sich in Wahrheit anders verhält: Die lawinenartige Verbreitung neuer Technologien führt zur Wegrationalisierung menschlicher Arbeitsplätze und beeinflußt die Bereiche Arbeitsbedingungen und Arbeitsorganisation. Zwar werden die schwer körperlich be lastenden Arbeiten sowie gefährliche und gesundheitsschädliche Tätigkeiten reduziert werden können, selbst hier aber werden die verbleibenden Tätigkeiten oft mit erheblichen einseitigen körperlichen Belastungen verbunden sein. aib: Sie sind mit der ersten Fassung des NachfschichtSchwerarbeitergesetzes nicht zufrieden. Was soll in diesem Gesetz nach Ihrer Meinung in erster Linie verbessert werden? Minister Dallinger: Eine Novellierung des Nachtschicht-Schwerarbeitergesetzes soll das geltende Recht in zwei Richtungen erweitern: in legistischer·und in arbeitsphysiologischer Hinsicht. Das Sonderruhegeld NUTZFAHRZEUGE UND LANDMASCHINEN I • ... im Gespräch mil aib-Redakreur Baumann. erhalten nur Arbeitnehmer, die in den letzten 20 Jahren drei Viertel bzw. ab dem 50. Lebensjahr die Hälfte ihrer Arbeitszeit unter erschwerten Bedingungen verbrachten; ausschlaggebend hiefür sind die Beitragsmonate in der Sozialversicherung. Die bisherige Erfahrung zeigt jedoch, daß viele ältere Arbeitnehmer den erschwerten Arbeitsbedingungen nicht mehr nachkommen können und so die erforderliche Versicherungszeit nicht aufbringen können. Deshalb sollen künftig nicht die letzten 20, sondern die letzten 30 Jahre als Grundlage genommen werden und dabei die Hälfte der Gesamtarbeitszeit ausschlaggebend sein. Die zweite prinzipielle Erwägung ist arbeitsphysiologischer Natur und betrifft die sogenannten Mehrfachbelastungen: Wenn mehrere arbeitserschwerende Kriterien (z. B.: Lärm, Erschütterung, Schadstoffe) zwar zusammenfallen, aber einzeln unter den festgesetzten Grenzwerten liegen, so sollen sie trotzdem eine Anspruchsberechtigung ermöglichen, da siegemeinsam die Arbeitsbedingungen beeinträchtigen. Beide Regelungen haben die Aufgabe, den Kreis der Anspruchsberechtigten, im ursprünglichen Sinne des Gesetzes, zu erweitern. aib: Wie stellen Sie sich die Senkung der Pensionsaltersgrenze vor, glauben Sie, daß die Arbeitsnehmer im Sinne der Sicherung der Arbeitsplätze auch höhere Beiträge zur Pensionsversicherung in Kauf nehmen werden? Industrie und Wirtschaft fürchten, daß eine Verkürzung der Arbeitszeit zu höheren Kosten und Preisen, somit zur Verringerung der Konkurrenzfähigkeit führt, was automatisch eine Gefahr für die Arbeitsplätze bedeuter. Was sagen Sie dazu? Minister Dallinger:· Eine Senkung der Altersgrenze in der Pensionsversicherung würde ganz erhebliche zusätzliche Mittel der Versicherungsträger und des Bundes erforderlich machen. So hätte allein die Herabsetzung des Anfallalters für Männer bei der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer vom 60. auf das 65. Lebenjahr einen Pensionsmehraufwand ir.i der Größenordnung von etwa zwei bis drei Milliarden Schilling jährlich zur Folge. Wie ich selbst in der Öffentlichkeit wiederholt erklärt habe, ist meiner Ansicht nach eine weitere Erhöhung der Beitragsgrenze im Rahmen der Pensionsversicherung der Versichertengemeinschaft nicht mehr zumutbar. Den Pensionsmehraufwand hätte somit zur Gänze der Bund aus dem allgemeinen Steueraufkommen zu bestreiten. Es liegt auf der Hand, daß die fianziellen Möglichkeiten des Bundes nicht ausreichen, um die notwendigen Mittel für eine Leistungsverbesserung dieser Größenordnung aufzubringen. Es sind daher andere Formen der Arbeitszeitverkürzung, wie zum Beispiel die bereits im Februar des Jahres beschlossene Verlängerung des Urlaubsanspruches (Verkürzung der Jahresarbeitszeit) oder die bereits erwähnte Aktion 57 (Verkürzung der Lebensarbeitszeit) einer Herabsetzung des Pensionsanfallalters als mbeilsrr1dlktpolitische Maßnahme vorzuziehen. aib: Eine Gefahr für alle, die Arbeitszeiten verkürzen wollen, sind die Länder, in denen die Gewerkschaften nur geringen oder gar keinen Einfluß haben - im Femen Osten, in Südamerika. Wie kann man dieser Gefahr begegnen? Minister Dallinger: Die· Entwicklung der Gewerkschaftsbewegungen in diesen Staaten kann von der allgemeinen politischen und gesellschaftlichen Perspektive nicht losgelöst betrachtet werden. Der Prozeß der politischen Demokratisierung wird in den meisten südamerikanischen Staaten erst nach dem Erreichen der politischen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit konkrete Ergebnisse zeigen. Wie die gesellschaftliche Situation, so unterscheidet sich auch die politische Entwicklung in den Ländern des fernen Ostens von den südamerikanischen Staaten. Aber auch innerhalb dieser geopolitischen Einheiten gibt es zahlreiche Differenzen. So wird im hochindustrialisierten Japan - lange Zeit ein Beispiel der Arbeitszeitverkürzungsgegner - die wöchentliche Arbeitszeit um 10 Stunden ( ! ) verkürzt. Genauso wird es, im Falle einer Demokratisierung, in Südkorea der Fall sein. In den noch nicht entwickelten Ländern des Fernen Ostens spielt, aus Gründen der schwachen Industrialisierung, die Arbeitszeitverkürzung noch keine wesentliche Rolle. 9

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