Aktuell - Heft 3/1969

/ Wenn die Champions des RallyeSports nach erfolgreichen Wettbewerben gefeiert werden, wenn man sie ins Rampenlicht der Öffentlichkeit stellt, um sie zu akklamieren, zu bewundern, dann vergessen viele, daß Rallye-Teams immer aus zwei Mann bestehen. Und daß der zweite im Team nicht wirklich der zweite, der rangniedrigere ist, sondern mindestens die Hälfte zum Erfolg beigetragen hat. Sie, die Co-Piloten, sind nicht etwa schlechtere Fahrer, die man eben wegen mangelnden Fahrtalents neben das Lenkrad setzt. Sie sind Navigator, Bordmechaniker, Kammerdiener und nicht selten BordPsychiater für den Fahrer. Wenn es durch unwegsames Gelände geht, dann sagen sie dem Fahrer jede Kurve, jede Unregelmäßigkeit auf der Strecke an. Sie diktieren ihm gleichsam den Pfad. Sorgfältig halten sie in einer eigenen Zeichensprache den Verlauf und die mögliche Geschwindigkeit für jede Kurve einer Rallye-Strecke im sogenannten „Gebetbuch" fest. Wenn das Betriebsklima an Bord auf den Nullpunkt sinkt, wenn der Fahrer nach der vierten durchwachten Nacht einmal durchdreht und hysterisch schreit, wenn er plötzlich nicht mehr weiterfahren mag, dann erweist es sich, ob sie gute „Co's" sind. Sie können nur daneben sitzen und praktisch untätig zuschauen, was 18 DANEBEN c; ihr Fahrer mit ihnen und dem Wagen macht. Angeschnallt, das "Gebetbuch" auf den Knien und superfeine „Stiel-Ohren", die ständig das ganze Auto nach Anomalitäten abhorchen, nach verdächtigen Geräuschen, die irgendwelche Schäden melden, harren sie der Dinge, die da kommen. Denn oft kommen da Dinge, die es gar nicht geben darf. Wenn sie dann noch Humor bewahren und die Erlebnisse noch so schildern können, wie etwa Osterreichs Co-Piloten-Altmeister Ernst Merinski, dann war's doch schön und des Einsatzes wert, das RallyeFahren. Auch wenn sie oft, wie Merinski, an ihren Fahrer die stille Frage richten : ,, Kannst Du das noch oder traust Du Dich das nur mehr?" NÄCHSTE LINKS VOLL! Bekanntlich diktiert der Co-Pilot dem Fahrer die ganze Rallye-Strekke aus dem „Gebetbuch". Hier sind alle Kurven des Kurses verzeichnet, in Reihenfolge, Richtung, m::iglicher Geschwindigkeit, Form usw. ,,Nächste links voll" - und im blinden Vertrauen stellt der Fahrer den Wagen auch schon zum Drift in eine linke Kurve. Mit Volldampf natürlich. Ohne Hinschauen. Da soll es schon passiert sein, daß ein „Co" nach der dritten durchwachten Nacht eine Zeile übersprungen hat und es nicht „links voll" gehen konnte. Weil sich nämlich in Wirklichkeit hier eine /4 ~ z y ... ,.,. _; ::: . ,.,. ./ Spitzkehre nach rechts bietet. Oft ist so etwas schon gutgegangen: wenn genügend Auslauf in „geradeaus voll" noch Schutz bot. Manchmal auch nicht. Oft aber gehen die Herren Fahrer eigene Wege. Das sind jene Sekunden, in denen Co-Piloten-Hirne stillzustehen glauben. So geschehen bei einer Semperit-Rallye. Merinski skandierte sein monotones "links voll" und Speedy - der bremste voll, drehte kurzzeitig die Lichter ab (es war tiefe Nacht) und schoß rechts hinter eine alte Mühle in einen Feldweg. Hinter ihm donnerten die verfolgenden Rallye-Konkurrenten „links voll" weiter. Speedy hatte einen erlaubten Abschneider gewußt und die lieben Kollegen in die Irre fahren lassen. Das brachte Sekunden, den Klassensieg. Man muß eben nicht nur exzellent Autofahren können. Sondern auch - Gut Pfad! SO SAG DOCH WAS, CO! Ein erfolgreicher Co-Pilot muß fundierte und reichhaltige Erfahrungen / , 1/ . 1/ ,,.."' ,:/4 ,.... · auf allen Gebieten des Motorsports haben. Auf Rallyes können die überraschendsten Dinge passieren und dann muß der rechte „Co" von Schrot und Korn gewappnet sein. So war es vorteilhaft, daß Merinski eifriger Motorrad-Driver war, bevor er ins Cockpit eines Rallye-Wagens stieg. Es geschah am Balkan. Auf einer knochenbrechenden Etappe. Ein Stein zerschlug die Windschutzscheibe. Selbstverständlich regnete es auch sofort, obzwar vorher eitel Sonnenschein geherrscht hatte. Es gab „ Einsteinsehen Wasserwerfer". Den stahlharten Ernstl mit Motorradvergangenheit konnte das nicht aus der Fassung bringen. Ein paar kraftvolle Flüche - Kraft muß sein - und dann schützt ihn der allzeit parate Regenmantel vor den hereinstürmenden Fluten. Jedenfalls hatten sie jetzt genügend Luft, Licht und Sonne. Nebst allen Ingredienzen dieser oft in dichterischer Sprache besungenen Lebensquellen. So führte die Luft nicht nur Gasatome, sondern etwas größere

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