KUNSTIM GLASPALAST Das ganze Jahr über standen die Steyr-Flats und die Steyr-Plus-Lkw, die Traktoren und die Puch-Mopeds, die Fahrräder und die Mannlicher-Jagdwaffen im Mittelpunkt des Inter esses — und damit mitten in unserer großen Ausstellungshalle am Kärntner Ring. Am 24. November aber wurde die ganze Technik näher an die Glasscheibe herangerückt, um Platz für die reine Kunst zu schaffen. In den „Glaspalast", wie das Gebäude unserer Flauptverwaltung im Firmenjargon heißt, zog für vier Wochen die Ausstellung ,,Werk 69" ein — eine Ausstellung, die diesmal nicht die,,Blech plastiken" der Karosseriedesigner und Moped konstrukteure zum Thema hatte, sondern Öl bilder, Aquarelle, Kollagen, Stein- und Glas plastiken. Werke, nicht von arrivierten, mehr oder weniger bekannten und umstrittenen ,,Profis" der modernen Kunst, sondern von Menschen aus unserem Unternehmen, die „professionell" mit der Produktion unserer Lkw, Traktoren, Motorräder oder sonst etwas beschäftigt sind. Menschen, die in ihrer Frei zeit zu Farbe, Pinsel und Palette greifen — oder einfach zu irgendeinem Material mit dem sie sich in der Formensprache ihrer Um welt mitteilen können. Die moderne Technik mit den arbeitsteiligen Produktionsverfahren läßt dem schöpferischen Menschen keine Möglichkeit mehr, ein Ge samtwerk zu schaffen, und seien es nur ein Paar Schuhe oder ein Fahrrad. Jeder erzeugt nur noch einen Teil vom Ganzen oder fügt die Teile, die andere schufen, zu einem Gan zen zusammen. Selten genug behält er den Überblick über den Sinn und Zweck seiner Tätigkeit im Zusammenhang mit dem End produkt. Der schöpferische Geist, der in der industriellen Produktion kein Betätigungsfeld hat, sucht und findet ein Ventil in der Kunst. So werden diese Werke wohl in der Freizeit geschaffen — sie sind aber weit mehr als nur Freizeitgestaltung, Hobby, Zeitvertreib — was eben Menschen erfinden, um der Langeweile zu entgehen; es ist ein hartes Ringen um eine künstlerische Ausdrucksform, die eigent lich nur zwangsläufig in der Freizeit statt findet: die Berufung neben dem Beruf. Das gilt uneingeschränkt für alle neun Künst ler, die in der Ausstellung „Werk 69" ver treten waren, denn fast alle haben sich das handwerkliche Rüstzeug an Volkshochschulen oder als Schüler anerkannter Lehrer zu ihrer Begabung dazu erworben. Franz Krisper, geboren 1940, Konstrukteur im Werk Graz-Thondorf, malt seit 1961. Er absol vierte 12 Semester Kunstausbildung an der Volkshochschule Graz bei Prof. Fred Hartig und hatte bereits im Werk Thondorf, in der Volkshochschule und im Gewerkschaftshaus Graz ausgestellt. In „Werk 69" stellte er erst malig in Wien die Temperabilder „Brücke", „Kirche" und „Industrie" aus. Eine Generation älter ist Erich Lackner, ge boren 1920, Zeichner in der Abteilung Tech nisches Schrifttum im Werk Thondorf mit fast dem gleichen künstlerischen Werdegang; 12 Semester Volkshochschule bei Prof. Har tig, vertreten bei denselben Ausstellungen in Graz wie Krisper, zeigte in Wien vier Temperabilder: „Negerin", „Alte Bäume", ,,Die Schöne und das Tier" und „Heimweg" sowie die Tuschzeichnung „Sippe". Bereits seit 1955 ist Erwin Neuhold, geboren 1924, künstlerisch tätig. Der Leiter der Nor menstelle im Werk Thondorf studierte 16 Se mester bei Prof. Hartig und hat außer in Graz auch bereits in Wien und Linz ausgestellt. Er zeigte bei „Werk 69" zwei Bilder In Misch technik: „Das Opfer" und ,.Stadt" sowie die
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