Steyrer Ausstellungs Zeitung, Nr. 34, 12. September 1884

Nr. 34 Der Wald in seinen Beziehungen zur materiellen uno geistigen Cultur. Dortrag, gehalten im Turnsaale der Bürgerschule zu Steyr am 9. September 1884 aus Anlaß der Jahresversammlung des overosterr. Forstvereines. (1. Fortsetzung.) Wol gibt es auf Erden noch Wälder nach Tausenden von Meilen, welche — sofern sie Ur= wälder sind oder nur wenig benutzt werden — ohne Forstcultur sehr gut fortbestehen. Allein es gibt, auf unserem Continente wenigstens, taum irgend ein Land, welches den Schmuck seiner Berge, den Schutzdamm seiner Kuste, den Wald, ungestraft preisgegeben hätte, — kaum irgend ein Land, sage ich, wo der Sünde der Waldverwüstung nicht der allmälige Niedergang des gesammten Landbaues gefolgt wäre! Unsere gesammte materielle Cultur tann ohne zureichende Waldfläche, ohne pflegliche Behandlung der Waldbestände nicht prosperiren! Dies der eine Satz, den ich heute erhärten möchte. Damit aber hätte ich offenbar noch zu wenig gethan. Nicht allein um des Holzes, nicht allein um der gesammten materiellen Cultur willen tritt die Neuzeit so entschieden für den Wald ein. Der Wald birgt noch viel mehr, was wir beachten müssen, um seinen ganzen Werth zu ermessen. Tief im Grunde des Waldes ruht etwas, von dem wir uns gestehen mussen: Hier spricht keine Ziffer und kein Lehrsatz mehr, hier spricht nur unsere innere Stimme und seine beredte unvergängliche Sprache, die in alle Werke der Schöpsung gelegt ist, um das Edle, Große und Schöne in uns wachzurufen. Daß auch in diesem Sinne unser Spruch Keine Cultur ohne Forst! — ein Wahrspruch ist, werde ich in zweiter Linie Iynen darzulegen, be¬ strevt sein. Ich mußte nun, wenn ich den Einfluß des Waldes in Bezug auf die materielle Cultur er¬ schöpfend behandeln wollte, in erster Linie vom Klima, dann von der Bedeutung des Waldes für die Culturfähigkeit des Bodens und endlich auch von der reinwirthschaftlichen Seite der Waldfrage sprechen. Hiezu ist unsere Zeit leider zu kurz ge¬ messen, und ich werde mich also darauf beschranten, nur das Klima eingehender zu behandeln, im Uebrigen aber das Thema nur in Umrissen aus¬ zuführen. Ich brauche nicht zu erortern, was wir unter Klima verstehen, wol aber möchte ich voraus¬ schicken, daß die Factoren des Klimas theils tos¬ mischer Natur sind, d. i. aus der Stellung der Erde im Weltraum resultiren; theils gehen sie von unserm Erdkörper selbst aus, sie sind tellurischer Art. Vor Allem bestimmend wirten die erstern Factoren, sie sind ein Gegebenes der großen Welt¬ ordnung, in die unser Planet als ein kleiner Be¬ standtheil eingefügt ist, ein Gegebenes, an dem wir Nichts zu ändern vermögen. An den tellurischen Factoren des Klimas aber kann der Mensch seyr wesentliche Veränderungen hervorbringen, sie oft in geradezu frappanter Weise umstalten. In unseren großen Städten steht die Temperatur um 1—2° Celsius höher als außerhalb. Wo man größere Landstrecken bewässert oder entsumpft, än¬ dert sich das Verhaltniß der Niederschlage, entwei¬ chen die todtbringenden Miasmen, welche Jahr¬ tausende hindurch ihre Massenopfer gefordert haben. Wo man entwaldet, versiegen die Auellen, sinken die Wasserstände der Flusse, schwellen die Winde zu Stürmen an. So wissen wir von mannigfachen Verande¬ rungen, welche das Klima in historischer Zeit er¬ fahren hat. In Palästina gab es vor 3—4000 Jahren noch bedeutende; von Baren vewoynte Waldungen, fruchtbare Felder und von zahlreichen Heerden belebte Triften. Heute leidet das alte „gelobte Land",: in dem Milch und Honig floß an furchtbarer Dürre, unter welcher die Vegetation mehr und mehr erstirbt. Wir wissen, daß Egypten, dereinst die Kornkammer der Römer, heute unter ähnlichen Uebelständen leidet, daß dort der Sand die Ruinen ehemals blühender Städte begraben. halt, daß die Wuste gegen das Nillthal vordringt. Und wie sieht es heute in Syrien aus, von dessen fabelhaftem Waldreichthum uns die Bibel „Steyrer Ausstellungs-Zeitung“ bei Salomons Tempelbau zu berichten weiß? — Die herrlichen Cedern des Libanon sind auf ein Häuschen grüner Reliquien zusammen geschmolzen, die ein schweigsamer Maronitenmönch unsern Pil¬ gern zeigt (Fortsetzung folgt.) Die Anwesenheit des Horst= ur Soetosterteia vereines in Steyt. (Fortsetzung.) Auf den mit vielem Beifalle aufgenommenen Toast des Herrn Oberforstmeister Dimitz erwiderte der Herr Realschuldirector Berger: „Hochverehrte Herren! Ich habe es bereits heute in Vertretung des Central=Comités und im Auftrage desselben gewagt, in schlichten, aber aus wärmstem Herzen kommenden Worten Ihnen, hoch¬ ansehnliche Herren, Junsere hochachtungsvollste Be¬ grußung entgegen zu bringen und Ihnen zugleich den besten Dank dafür zu sagen, daß Sie anla߬ lich eines Festes, das durch Vereinigung aller Kräfte unserer Stadt geschaffen worden, der Bitte des Central=Comités in so liebenswürdiger Weise bereitwilligst Folge gebend, Steyr zum Sitze Ihrer 27. General=Versammlung gewählt haven. Nehmen Sie nebst unserem tiefgefülltesten Danke für die hohe Ehre Ihres Besuches auch unseren aufrichtig¬ sten Wunsch entgegen, daß Ihre auf Hebung der geistigen und materiellen Cultur in so hervorra¬ gender Weise gerichteten Bestrebungen zum Wohle unseres lieben Vaterlandes stets von den ersprie߬ isten Folgen begleitet sein mögen. „Aber zur einer Dankesschuld ist rasch eine zweite getreten. Der Mann, der uns heute den Wald in seiner geistigen und materiellen Bedeutung in so warmen Worten geschildert und uns Alle durch die gewandte Behandlung des Gegenstandes und sein reiches Wissen überrascht hat, erfreute ins zugleich mit dem Geständnisse, die hier tagende 27.General=Versammlung des ov.=öst. Forst=Vereines have die Behandlung ihrer Vereinsangelegenheiten auf das Nothwendigste beschrankt, um die erwünschte Zeit zu sinden, nicht nur die schöne Ausstellung eingehendst zu besichtigen, sondern um auch mit den bereits so lieb gewordenen Bewohnern dieser Stadt in freundschaftlichsten Verkehr zu treten. Diese so warm und herzlich gesprochenen Worte haben uns Alle tief gerührt und ich muß es nur lebhaft be¬ dauern, daß ich nicht über die gleiche Kraft der Rede verfüge, um den Gefühlen unseres Dankes den geziemenden Ausdruck zu geven. „Aber auch noch einer dritten Dankesschuld habe ich zu gedenken. Alle Diejenigen, die unsere Ausstellung bereits mit ihrem Besuche beeyrt haben, sind voll des Lobes und der Anerkennung über die Reichhaltigkeit, Zweckmäßigkeit und instructive An¬ ordnung des forstlichen Theiles unserer Exposition und bezeichnen dieselbe geradezu als einen Glanz¬ punkt unseres so kühn angelegten Unternehmens. „Von vorneherein auf Unterstützung und Mit¬ hilfe Anderer angewiesen, wurde uns dieselbe auch von Iynen, yochverehrte Herren, in so ergiebiger Weise zu Theil und wir fühlen uns wol ganzlich unvermögend, Ihnen auch nun im Entferntesten den Dank abzustatten, den wir. Ihnen schulden. Nie aber werden wir vergessen, daß auch Sie so¬ wol durch Ihren uns so ehrenden Besuch wie auch durch Ihre thätige Mitwirkung zum Gelingen unseres Ausstellungsfestes in so hervorragender Weise veigetragen haben. Lebhaft überzeugt, daß ich im Sinne aller Bewohner dieser Stadt spreche, er¬ heve ich mein Glas Ihnen Allen aus dankbarstem Herzen ein dreimaliges begeistertes Hoch! Professor v. Guttenberg (Wien) toastirt auf den oberösterreichischen Forstverein. Er gibt seiner Freude Ausdruck, unter den Mitgliedern dieses Vereines, den treuen Hütern und Pflegern der herrlichen Alpenforste, weilen zu können; der Aufenthalt in der freundlichen Stadt Steyr sei übrigens durch das hier Gebotene, durch den jedem Forstmanne zum Herzen sprechenden Vor¬ trag des Herrn Oberforstmeister Dimitz und die hochinteressante Ausstellung reichlich geloynt. Wenn in dieser Ausstellung die sonst vom großen Pub¬ licum meist weniger gewürdigte Forstwirthschaft neben der elettrischen und culturyistorischen Aus¬ Seite 3 stellung gleichwol ihre würdige Vertretung und allgemeine Beachtung finde, so sei dies ein hohes Verdienst der Waldbesitzer und Forstwirthe Ober¬ österreichs, welchen der forstliche Theil der Aus¬ stellung zu verdanken ist. Das Hineinstellen der Forstwirthschaft zwischen die ehrwürdigen Denk¬ mäler vergangener Kunst= und Cultur=Epochen zinerseits, und die Elektrotechnik, dieses jüngste Kind des menschlichen Forschungsgeistes, das, ein wahres Wunderkind, sich heute schon so glänzend reprasentirt, anderseits, — also so recht inmitten zwischen Vergangenheit und Zukunft — scheinen ihm von schöner Bedeutung. Der Forstwirty musse, schon der langen Zeiträume wegen, in welchen seine Wälder heranwachsen, stets auf der Vergangenheit fußen, er dürfe die conservativen Lehren der Be¬ gründer der Forttwissenschaft nicht verleugnen, er müsse aber gleichzeitig die Fortschritte der Natur¬ wissenschaft und der Technik sich zu Nutze machen, um in Bezug auf Erhaltung und Nutzbarmachung des Waldes erfolgreich zu wirken. Daß die Forst¬ wirthe Oberösterreichs dies wol erkennen, haben sie mit ihrer Ausstellung bewiesen, welche wesent¬ liche Fortschritte sowol auf den Gebieten des Wald¬ baues und der Forsteinrichtung als auch auf jenem des Transportwesens zur Anschauung bringt. Redner bringt daher ein Hoch auf den oberoster reichischen Forstverein und die gesammte grune Hilde dieses herrlichen Landes. Herr Oberlandforstmeister Dimitz erhebt sein Glas zu folgendem Toaste: „Nachdem ich schon rüher das Glas geleert auf das Wohl aller Aus¬ Ausstellungs=Comite's, des Central=Comite's und aller Anderen, die thätig waren, das Werk zu chaffen, das unsere Bewunderung erregt, habe ich schon einen Mann mitgemeint, dem wir zu tiefem Danke verpflichtet sind; dennoch muß ich noch ein¬ mal darauf zurückkommen. Wir können sagen, der Obmann der Forstausstellung war der Consul von Steyr, unermüdlich thätig, immer bereit zu heifen, und wer einen Wunsch hegte, brauchte sich nur an ihn zu wenden, er machte Alles möglich. Dieser Mann ist der Herr Oberförster Jonas, auf dessen Wohl und sein gedeihliches Wirken erhebe ch mein Glas, er lebe hoch!“ Herr Forstmeister Soucha, Vertreter des Forstvereines für Böhmen ergriff nun das Wort: „Verzeihen Sie, wenn ich nach den prachtvollen Reden noch das Wort ergreife, aber ich folge einem Auftrage des Herrn Präsidenten. Ich komme aus dem Böhmerwald, der an Schönheit den übrigen Forstgebieten in nichts nachsteht; sie finden dort noch Urwald, und wovon ich spreche ist auch eine uralte Geschichte. Dieser Urwald bietet ein Bild der Althölzer, Mittelhölzer und Jungwüchse des undurchdringlichen Urwaldes bis zur schlagweis ab¬ getriebenen Bahn. Dies Bild entspricht ganz dem Bilde, das der hochedle Mann, der Sieger des heutigen Tages, Herr Oberlandforstmeister Dimitz von dem Walde entworfen hat. Dieser hochedle Mann hat uns in seinem interessanten und in¬ tructiven Vortrage aufgefordert, für die Erhaltung des Waldes zu sorgen und das Interesse des Pu¬ blicums für denselben rege zu machen. Die Forst¬ leute sorgen wol selbst für den Wald, nicht, weil er was tragt, sondern aus Liebe zum Walde. Der Herr Oberlandforstmeister Dimitz hat sich mit seiner Aufforderung nicht an ganz die richtige Adresse jewendet; ich erlaube mir die Frage: Wer erregt die Liebe zum Walde? Wer errregt diese Liebe bereits in seinen Kindern anders, als die Frau? Die Mutter gibt den Kindern die erste Erziehung, die Mutter muß die Liebe zum Walde bereits in das Kinderherz pflanzen, die Mutter fesselte einst den Forstmann, die Mutter muß Töchter er¬ siehen, die wieder Forstleute fesseln. Ich ergreife dayer das Glas, um auf unsere Forstmannsfrauen, deren Kinder und Kindeskinder in Ewigkeit ein dreimaliges, sehr lebhaftes Hoch auszubringen. Sie leven hoch. Nach diesem mit großem Jubel aufgenom menen Toafte ergriff Herr Dr. Julius Seid! das Wort: „Wenn ich heute das Wort ergreife als Nichtforstmann, so können Sie sagen: was spricht denn der da? Doch bitte ich mir zu verzeihen, denn sch muß sprechen, weil mir der Schöpfer des Waldes ein Herz für denselben gegeden hat. Wir haben heute während des Vortrages des Herrn Oberland¬ sorstmeisters Dimitz einen Spaziergang durch den Wald gemacht, wie lange nicht, wir haben heute

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