Steyrer Ausstellungs Zeitung, Nr. 22, 28. August 1884

Nr. 22 Herr Dr. Alvert Ilg unsere Ausstel¬ lung besucht uno sich üver dieselve seyr schmeichelhaft ausgesprochen, welchem Love sich auch der eyemalige Rector der Wiener Universitat Dr. Carl Wedl, der even¬ Die ge¬ salls hier verweilte, anschloß. — nannten Herren hatten sich sämmrliche im Hotel Schiff einlogirt. Das Volrsfest, welches Morgen (Donnerstag) beginnt uno vis Montag dauern wird, wird den Be¬ suchern der Ausstellung seyr viel Belustigung vieten. Es produciren sich: die Arrovaren= gesellschaft Alfonso, besteyeno aus achi Personen, die Kanonentonigin MißTeona und die bestrenommirte Drähtseilkunstlerin Miß Amanda. Die Musit wiro durch zwei Capellen besorgt und wiro sich uver¬ dies noch auf dem Tandler=Tanzoooen eine Original=Landlermusit proouciren. Der kleine Rechenkunstler Roth. Ein seltener Genuß wiro uns nächster Tage zu Theil werden, wenn der kleine Rechentunstler Pyilipp Roty sich produciren wird. Derselbe har vor der besten Gesellschaft, Minister Trefort und mehreren Sectionsrathen in Pest, vor Sr. Excellenz dem Statthalter von Overosterreich Frei¬ herrn von Wever in Linz, vor dem Teyr¬ torper des arademischen Gymnasiums in Wien u. a. erstäunliche Proven seines Talentes abgelegt und daruver die vor¬ züglichsten Zeugnisse aufzuweisen. eunietorl. Dir Tientrikitat im Biensir drr Ilikoitin. Vortrag von Dr. Wilheim, geyalten am 18. Angust 1884 im Bürgerschulgebäude Steyr. (Stenographisch aufgenommener Originalbericht.) Geehrte Versammlung! Die Errungen¬ schaften der modernen Elettrotechnik haben sich auch mit der Medicin befaßt. Diese bezieyt sich besonders auf die Objecte der Beleuchtung für ärztliche Zwecke. Man hatte in der Wiener inter¬ nationalen Ausstellung eine Reihe solcher Ob¬ jecte, welche im Wiener Krantenhause ihre prak¬ tische Anwendung gefunden haben. Ich werde Ihnen einen solchen Apparat für arztliche Be¬ leuchtung bei Gelegenheit zeigen. Ich tann Ihnen heute nur einen solchen Apparat zeigen, der ebenfalls im Krantenhause im Wiener Spi¬ tale angewendet warde. Die Lampe, welche dazu verwendet wird, ist von einer Metallhulse um geben und hat noch vorne einen Lichtcondensator und gibt einer Lichtintensität von 4 Kerzenstarten, mit der Metallhülse 8—10 Kerzenstarten. Sie ist mit der Stirnbinde in Verbindung, welche die Leitungsdrähte enthält. Man vraucht dazu eine kleine Tauchbatterie, um die Lampe zu er¬ leuchten. Es gibt aber auch andere Quellen zu ihrer Beleuchtung. Ich werde zweierlei Arten der Beleuchtung vornehmen, und zwar mit einer kleinen Handdynamomaschine eines bewähtter Mechauikers in Wien und werde Iynen gleic pater zeigen, daß es uns auch moglich ist, ver¬ schiedenartige, arziliche, mechanische Thätigkeiten auszuführen. Sie sehen hier die Lampe mit der Stirne in Verbindung, außerdem ist sie nack allen Seiten mit Kupfer belegt und auch auf einem leichten Gestelle zu befestigen. (Die Vor¬ nähme der Beleuchtung mit der kleinen Batterie wird ertlart.) Die Kraft ist keine sehr bedeu¬ tende, wir haben Batterien von 18 Elementen, „Steyrer-Ausstellungs-Zeitung.“ welche ausreichend sind, um die Lampe zum Glühen zu bringen, während bei der Dynamo¬ maschine der Effect ein etwas grözerer ist. Man muß vorsichtig sein, um die Spannung der Lampe nicht zu erhöhen, weil sie sonst in Trummer geyt. Was nun die weitern Errungenschaften in der Dynamoelektricitat anbelangt, so habe ich Ihnen gezeigt, daß es ganz gut moglich ist, sich derselben mit Vortheil zu bedienen, ohne das lnangenehme der Sauren bei den galvanischen Batterien zu haven. Nun eine weitere Errungenschaft. Die Accu¬ mulatoren oder Secundarvatterien sind wohl ge¬ eignet zu diesen Zwecken. Besonders gut sind die oon Gaston Plante. Man ist näinlich dabei von der Ansicht ausgegangen, daß man das Elettricitatsreservoir in der Westentasche herum¬ tragen und es nach Bedarf gebrauchen tonne. Nun gehen wir einstweilen von diesem Thema ab, wir kommen wieder darauf zurück und sprechen nun von den weiteren Errungenschaften. Die großte Errungenschaft hat sich jedenfalls durch die Einführung gewisser Maßeinheiten tundge¬ geben. Das Streben gewisser Autoritäten war immer nach einer einheitlichen elettromagnetischen Quantitat. Weber hat zuerst eine absolute Widerstandseinheit hergestellt. Nach Volta haben wir auch eine Widerstandseinyeit. nach Ohm eine Einheit der Stromstarte, nach Ampere eine Einheit der Quantitat. Wir mussen dann aber die beiden Ausdrucke Quantität und In¬ tensität des Stromes festhalten. Die Quantität des Stromes ist analog der chemischen Wirkung, die durch den Strom vor sich geht, die Inten¬ sität der elektromotorischen Kraft. Diese wird teprasentirt durch jene Kräfte, welche nothwendig sind, um die Hindernisse, die sich dem Strome entgegenstellen. zu üverwinden. Nehmen wir ein Beispiel aus dem gewöynlichen Leben. Die In¬ tensitat eines Gewitters ist gewiß eine sehr be¬ oeutende, aber die Quantitat eine sehr geringe; im Gegentheil ist die Intensität einer Batterie unbedeutend, aber die Qnantitat eine sehr be¬ deutende. Der beruhmte Ameritaner Wirt hat ein populäres Beispiel aufgestellt, um diese That¬ sache zu ertlaren. Wenn wir ein Gallon Wasser auf 100° erwärmt haben, so ist in diesem Falle eine großere Wärmemenge nothwendig, als wenn man eine Pinte Wasser auf 5° erwärmt. Nun gehen wir von diesen pyysitalischen Betrachtungen ab und sprechen von der Anwendung des elek¬ trischen Stromes in der Medicin, was eigentlich unser Thema ist. Wir wissen, das vor nicht langer Zeit mit dieser Sache ein großer Schwin¬ del getrieven worden ist, und es wurden in Folge dessen geradezu mystische Erzaylungen ausposaunt. Man hat die Sache nicht auf das richtige Maß reducirt. Vom Schwindel befreit, ist die Sache in den letzten Jahren anders geworden. Es hat geniale Männer gegeben, durch welche die Elek¬ trotechnit zur Wissenschaft gemacht wurde. Die älteste Anwendungsweise ist die Behandlung mit Reibungselektricitat, die nur mehr einen histo¬ rischen Werth hal. Es gibt wol noch einige Aerzte, welche mit Reibungselektricitat arbeiten, wie z. B. Dr. Theodor Clemens und Dr. Tv. Stein in Frankfurt und die Professoren Schwanda und Benedict in Wien. Die Reibungselettricität erzeugt nur oberflächliche Wirkungen, wie z. B. das elettrische Bad, wobei der Kranke den elettrischen Hauch verspurt; das sind also Manipulationen, wo es zur Prickelung der Schleimhaut und zum Sträuben der Haare kommt. Man bedient sich heute noch am aller¬ besten der Holz'schen Influenz=Maschine. Sie kennen ja alle diese Maschine. Sie besteht aus zweierlei Scheiben, aus einer großen und aus einer tleineren, welche beide ovale Ausschnitte haben und dann aus den saugartig n, tammsormigen Conductoren, welche mit Kugeln in Verbindung sind, die genähert oder entfernt werden konnen. Wenn also vei dieser Maschine gedreyt wiro, so entsteht ein eigenthümlich zischen= des Gerausch, und man kann mit diesen Ma¬ chinen sogar Sinnesreize hervorbringen. Interessant sind die Maschinen in ihren Lichtwirtungen. Nach spectral-analytischen Ver¬ suchen entstehen am negativen Pole Lichterschei¬ nungen, die vom gluhenden Stickstoff herruhren; am positiven Pole vilden sich sternartige Blitze, Seite 3 welche sich aus gluhendem Sauerstoff erzeugt haben. Aber wir haben Apparate, die viel bil¬ liger zu stehen kommen, die die größten Wider¬ stände überwinden und das Mißliche solcher Elektrophoren nicht haben, denn diese versagen bei Südostwind oder bei feuchtem Wetter. Der wichtigste Strom in der Elektrotechnik ist wol der constante Strom; diesem hat Remarque den Stempel der Wissenschaftlichkeit aufgedrückt. Der constante Strom dringt durch das centrale Nervensystem, er überwindet die großten Wider¬ stände. Erb hat gezeigt, daß der constante Strom wirklich in das Gehirn eintritt. Sie kennen diesbezugliche Versuche. Er hat beobachtet, daß ein auf die Gehirnsubstanz gelegter Frosch¬ schentel in Zuckungen versetzt wurde. Der con¬ stante Strom dringt aber nicht nur in das Ge¬ hirn, sondern er dringt auch in das Ruckenmart. Es ist auch erwiesen, daß der Knochencanal besser leitet, als die Schadeldecke; da jedoch das Rücken¬ mark auf einer Seite von Weichtheilen besetzt ist, die dem Strom einen größeren Widerstand bieten, so gleicht sich auf diese Weise das Ganze aus. Weiters übt auch der constante Strom Wirkungen auf die Sinnesorgane aus. Schon Volta hat die Beobachtung gemacht, daß, wenn man einen Strom durchleitet, stets Kopfschwindel, Oyrensausen, Schlafrigkeit u. 1. w. entsteht. Eine weitere Eigenschaft des constanten Stroms ist jene Eigenschaft, daß er auf das Gesicht einwirkt. (Versuche Dr. Wilheim's an seinem Assistenten.) Machen wir z. B. einen Versuch, indem wir den Augapfel untersuchen, so verspürt er eine blaurothe Scheibe mit einem mattgrunen Rande und umgeteyrt, einen grauen Rand mit einer blauen Scheibe. Die Einwirkung des con¬ stanten Stroms auf die Gehörorgane ist eben¬ falls betannt; es ist oft vorgekommen, daß bei tauben Personen Gehorpyänomene aufgetreten sind, ohne daß damit irgend ein prattischer Er¬ folg erreicht worden ware. Daß der constaute Strom Einwirkungen auf den Geschmackssinn ausubt, ist gleichfalls betannt und zwar tritt am positiven Pol ein saurer und am negativen Pol ein altalischer Geschmack auf; ebenso wirkt dieser Strom auf die Geruchsorgane. Setzen wir z. B. den Kupferpol auf den Nacken und geben den Zinkpol auf die Nasenschleimhaut, so tritt der Verlust des Niesvermögens ein, und umgekehrt muß man niesen uno große Tyranen rollen aus den Augen. Was nun den Einfluß auf das Tastvermö¬ gen anbelangt, so kann man hier mit 20 und 30 Elementen bedeutende Wirkungen hervorrufen. Eine weitere wichtige Eigenschaft des con¬ stanten Stromes ist seine elektrolytische Eigen¬ chaft. Es ist dies ein Capitel, über welches schon sehr viel geschrieben worden ist, welches von den Einen in den Koth gezerrt und von den Andern verhimmelt worden ist. So hat z. B. ein Professor vor einigen Jahren veröffentlicht, daß er gar kein Messer und keine Scheere brauche, sondern eine gute Batterie, und er könne damit jede Neubildung zerstören. — Wir werden hübsch in der Mitte bleiben. — Die Elettrolyse bei messerscheuen Leuten und sochen, bei denen nichts meyr zu machen, oder wo überhaupt keine Operation mehr moglich ist, da mussen wir uns vor Allem auf einen dreifachen Standpunkt stellen. 1. Mussen wir ausgehen von der Wasserzer¬ setzung, 2. von der Zersetzung des Eiweißes und 5. von der Einwirkung auf das Mustelfleisch. Wir wollen zunachst einen constanten Strom durch Salzwasser leiten, im Ganzen haben wir 20 Elemente in Verbindung gebracht. Den po¬ sitiven Pol versehe ich mit einer Stahlnadel, die amalgamirt ist oder einer goldenen oder plati¬ nenen Nadel, damit sie nicht oxidire und den negativen Pol mit einer gewöhnlichen Stahl¬ nadel. — Sie werden vielleicht von hier aus den Vorgang seyen. — Es tritt die Zersetzung des Wassers ein. An der positiven Elektrode st es ein geringes, auf der negativen ein leb¬ haftes Aufschäumen der Flussigteit, welcher Schaum in seine Volumina, nämlich 1 Volumen Sauerstoff und 2 Volumen Wasserstoff zersetzt wird. Die Reaction auf dem positiven Pol ist eine saure, die auf dem negativen eine altalische. Von diesem Principe gehen wir aus. Geben wir zum Eiweiß, das sind ja die Ingredienzien,

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