Seite 4 dieser ehrenvolle Tag mit ehernem Griffel immerdar verzeichnet bleiben werde. — Nachdem sich der rauschende Beifall, welcher dieser Begrüßung folgte, gelegt hatte, sprach der Vorstand des Wiener Männergesang=Vereines, Dr. Ritter von Olsch¬ bauer, in warm empfundener Weise und in äußerst sinniger Verwebung der Worte: „Blut und Eisen den innigsten Dank des Vereines aus, der gekommen sei, um seine Brüder in der geliebten schönen Stadt Steyr zu begrüßen. Der Beifallssturm nach dieser Rede legte sich erst langsam, wonach die beiden Vorstände der hiesigen Gesangvereine, die Herren Emil Haas und Franz Holzlhuber, noch Namens ihrer Vereine die mit Stolz und Freude er¬ warteten berühmten Wiener Sänger begrüßten. Der Wiener Männergesang=Verein intonirte nun unter Führung seines Chormeisters Herrn Kremser seinen Wahlspruch, welcher freuetischen Jubel hervorrief. Der Einmarsch in die Stadt und der Em¬ pfang im Rathhause. Nachdem sich der Zug rangirt hatte, zogen unsere lieben Wiener Gäste mit flatternden Fahnen und unter klingendem Spiele in unsere durch ihren Besuch so hochgeehrte Stadt ein. Es war ein wahrer Triumphzug, wie ihn Steyr nur Fürsten im Reiche des Gesanges bereiten konnte. Aus allen Fenstern, welche von festlich gekleideten Damen besetzt waren, könten lante Willkommgrüße, wur¬ den Tücher geschwenkt und ein Meer von Blumen und Fahnenkränze auf die Vorübergehenden ausge¬ schüttet. Die Sänger, obzwar an Triumphe ge¬ wöhnt, waren von solchem Empfange, wodurch sich nusere Bürgerschaft neuerlich selbst ehrte, auf das freudigste überrascht und sandten begeisterte Hoch=Rufe zu allen Fenstern empor. So war der langedehnte Zug vor dem Rathhause angelangt, auf dessen Balcon der Bürgermeister an der Spitze des Gemeinderathes die gefeierten Gäste erwartete. Dieselben wurden in den großen Rathhaussaal geleitet, wo der Bürgermeister kaiserlicher Rath Herr G. Pointuer, von oftmaligem, freudigen Beifall nuterbrochen, den ältesten österreichischen und weltberühmten Wiener Männergesang=Verein in der Stadt Steyr willkommen hieß. Herr Doc¬ tor Ritter von Olschbauer, schüttelte die Hand des Herrn Bürgermeisters in ungeheuchelter freudiger Erregung und dankte der Stadt des eisernen Fleißes und der reichen Industrie, der Stadt der Arbeit und des regen Kunstsinnes für den glänzenden Empfang, welchen sie ihren Brüdern, den Arbeitern im Reiche der Töne und der Kunst bereitet hatten. Der Saal erbrauste von Hoch=Rufen und die an der Decke umherflatternde Schwalbe flüchtete sich berauscht von solchem Jubel in eine Vorhang¬ falte. — Herr Doctor Stigler besorgte nun den infolge geänderter Dispositionen nöthig gewordenen Austausch der Wohnungskarten für unsere geliebten Wiener, welche in Gruppen getheilt von Mit¬ gliedern der beiden hiesigen Gesangvereine in ihre Quartiere geleitet wurden. Das gemeinsame Mittagessen. Um 2 Uhr war der in drei langgezogene Tafeln getheilte Saal in Eiselmeyrs Casino von den Mitgliedern der beiden hiesigen Gesangvereine vollgefüllt durch unsere, von der fröhlichsten Stimmung getragenen verehrten Wiener Gäste, an deren Spitze, umgeben von den Herren: Doctor Hochhauser, Central=Comite Obmann, Bürger¬ meister kaiserlicher Rath Pointner und dem Reichsraths=Abgeordneten Wickhoff, der Vor¬ stand und Chormeister des gefeierten Vereines Herr Doctor von Olschbauer und Herr Kremser sich befanden. Während des vortrefflichen Diners besorgte die mit Beifall überschüttete, vortreffliche St. Pöltner Streichmusik unter der Dirigirung ihres Capellmeisters Herrn Klimsch die Tafelmusik, welche in folgendem gewählten Programme bestand: 1. Festmarsch von Joh. Strauß. 2. Wilhelm Tell¬ Ouverture. 3. Sängerlust, Polka von Josef Strauß. 4. Großes Lieder=Potpourri von I. Klimsch. 5. Alexandrinen=Polka von Joh. Strauß. 6. Mit Dampf, Polka schnell von Joh. Strauß. Nach dem ersten Gange erhob sich Herr Bürger¬ meister Pointner und brachte in warmen Worten sein Glas dem Wohle unseres Kaisers, was be¬ geisterte Nachahmung seitens aller Anwesenden fand, worauf, als die Töne der Volkshymne ver¬ lungen waren, der Vorstand des Wiener Männer¬ „Steyrer-Ausstellungs-Zeitung.“ Gesangs-Vereines, Herr Dr. von Olschbauer einen herrlichen, von Beifallseruptionen zu wieder¬ joltenmalen unterbrochenen Toast auf die seit hrem 600 jährigen Bestande immer deutsche treue Stadt Steyr brachte. Herrn Abgeordneten Wickhoff's begeistert aufgenommener Trinkspruch, welcher die vielen Sängertriumphe des gefeierten Vereines besprach, den schönsten Triumph aber in dem Jubel, welcher demselben im Wiener Volksgarten nach Absingung des deutschen Liedes geworden — erblickte, galt dem Wiener Männer¬ Gesangvereine, der Pflegestätte des deutschen Liedes, der deutschen Kunst, des deutschen Gesanges. Nun toastirte noch Herr Landesgerichtsrath Graf nuter lebhaften Beifall auf die beiden hiesigen Ge¬ sangvereine als die Förderer des deutschen Liedes, worauf Herr Redacteur Emil Haas, lebhaft acclamirt, den Dank der beiden Vereine aussprach und sein Glas auf das Wohl der weltberühmten Wiener Sänger leerte. Schließlich wurde der be¬ kannte Wiener Dichter, Herr Bergamenter, auf die Tribune gehoben, von wo aus derselbe einen geradezu herrlichen, von edler Poesie durch¬ wehten Trinkspruch unter mächtigen, wohlberech¬ tigtem Beifall auf die Elektricität las. Unsere Leser finden denselben in unserer heutigen Nummer an anderer Stelle. Das solenne Concert zu Gunsten der Armen von Steyr. Um 7 Uhr Abends war der durch die neuerliche Munificenz des Herrn Doctor Hoch¬ hauser mit 3 großen Bogenlampen taghell beleuchtete Casino=Saal, bis in das kleinste Winkelchen von der distinguirten, mindestens 800 Kopfe starken Gesellschaft gefüllt, galt es ja einem musikalischen Ereignisse beizuwohnen, wie es Steyr noch niemals erlebte. Der Wiener Männer Gesang=Verein, bei seinem Erscheinen von dem rauschendsten Applause begrüßt, hat in dem meister¬ haft gewählten Programme seine besten Nummern aufgenommen. Wie sie gesungen wurden? Wie das bis nahezu zur Unhörbarkeit gedämpfte Pianissimo in dem weihevollen Chor „Der träumende See" von Esser klang, mit welcher Frische der „Heini von Steyr von Engelsberg gebracht wurde, wie sein heraus¬ gearbeitet und mit höchster, künstlerischer Vollen¬ dung der ohne Dirigirung executirte, breite Schubertsche 23. Psalm gesungen wurde, welche Fülle von Herzensfreude an dem Kremser'schen Liede „Fröhliche Armuth hervorquoll, welches eherne Mark aus dem Scheffelschen Liede zu den „Trompeter von Säckingen“ an die Ohren pranste, oder wie weich, wie so überaus innig „Der Blumen Schwester von Engelsberg aus den Kehlen der Wiener Sänger floß, wie titanen¬ haft, kräftig und majestätisch hehr, das von dem begeisterten Publicum stehend angehörte „Deutsche Lied" tönte? Wie also der Wiener Männergesang Verein sang, ist beantwortet, er ist und bleibt der erste Gesangverein der Welt, die bedeutendste In¬ stitution echt künstlerischen Strebens, der mächtigste Vereinigungspunkt des veredelten, vergeistigten Gesanges. Wir finden für die Bewunderung, welche den Wiener Sängern geworden, die Jubel¬ stürme, welche den Sängern entgegenbrausten, und welche sie veranlaßten, in der liebenswürdigsten Weise mehrere Nummern zu wiederholen, keine Superlativen, um uns wahrheitsgetreu ausdrücken zu können. Der Wiener Männergesang=Verein und sein unvergleichlicher Dirigent Herr E. Kremser werden den Steyrern ewig unvergeßlich bleiben. An allen Ehren dieses denkwürdigen Abends parti¬ cipirten in ausgiebigstem Maße die Herren Dr. W. Stigler, unser so ausgezeichneter Landsmann und sein hübsches Solo in Engelsberg's „Der Blumen Schwester"; Marcello Rossi, welcher dem eine gigantische Virtuosität heischenden Lipinskischen Violinsatze, nach welchem ihm ein Lorbeerkranz überreicht wurde, wie in einer alle Weichheit, alle Beherrschung des Tones verlangenden Zugabe, sich auch hier als einen der ersten und gefeierten Violinisten präsentirte, ferners der vortreffliche Concertsänger Herr Heinrich Gasser mit den vollendet gesungenen zwei Liedern von Schön und Franz, nachher der weit über Oesterreichs Grenzen als Piston-Virtuose bestens gewürdigte Herr Toms, dessen künstlerisches Können in dem stür¬ misch zur Wiederholung gelangten Liede aus dem „Trompeter von Säkkingen“ zu mächtig ergreifen¬ Nr. 13 der Wirkung gelangte; weiters Herr Syrinet, welcher in dem Weberischen Es-dur-Concertino seinem bedeutenden Rufe gerecht wurde; dann die nimmermüden, ewig discreten, nicht geung zu belobenden Clavier=Accompagnateure, die Her¬ ren: Chormeister Kremser, Victor Gemperle, und der als eminenter Pianist bekannte Herr Emil Weber, welcher die Violin-Nummern des Herrn Rossi begleitete, und nun zum Schlusse, und ab¬ sichtlich zum Schlusse, um den ganzen Vorrath unseres Restes von Lob und von Beifall gleich in einer Gabe spenden zu können, also zum Schlusse das komische Quartett, bestehend aus den Herren Ed. Thomas, Carl Udel, Ferdinand Hör¬ beder und Emil Dillmann, welche mit der so zart und überaus komisch pointirten Neut¬ wich'schen Polka „Lieber Gustav, und mit der Zugabe, der geradezu mit wahren Lachsalven be¬ gleiteten Absingung des vollständigen Wiener Hof¬ opern-Theaterzettels über den „Freischütz" nach Arien aus dieser Oper das Auditorium enthusias¬ mirten. Zwischen der III. und IV. Programm-Num¬ mer erschienen, von den Sängern und dem Publicum mit Jubel empfangen, auf der Sängerbühne die in Weiß gekleideten, in jugendlicher Schönheit und vor freudigem Stolze strahlenden Fräu¬ lein: Fräulein Marianne Seyschab (Tochter des hiesigen Eisenbahn-General=Directionsrathes), Olga Hochhauser (Tochter des Obmannes des Central=Comité's), Fräulein I. Weis¬ mayr (Tochter des Kreisgerichts=Präsidenten) und überreichten dem Vorstande der Wiener Sänger einen schonen Lorbeerkranz und ein von der Stadt Steyr gespendetes, verschwenderisch in Gold und Seide gesticktes, die Farben und Wappen Oberösterreich's und der Stadt Steyr und die Worte: „Die Stadt Steyr dem Wiener Männer¬ gesangvereine — 15., 16., 17. August tragendes Fahnenband. Hiebei hielt Fräulein Seyschab mit lauter, weithin vernehmbarer Stimme folgende Ansprache an die Wiener Sänger: „Geehrte Herren! Uns ist die ehrenvolle Aufgabe zu Theil geworden, Ihnen, geehrte Herren, im Namen der Bewohner der Stadt Steyr ein Zeichen der ungetheilten Anerken¬ nung für Ihr hohes, künstlerisches und humanitäres Streben auf dem Gebiete des deutschen Gesanges zu überreichen. — Wollen Sie dasselbe gütigst und begleitet von nuserem innigsten Wunsche an¬ nehmen, daß es Ihnen stets eine freundliche Erinnerung bleiben möge an die Stunden, welche Sie in der alten Eisenstadt Steyr verbracht haben." Nach diesen Worten erschütterte ein nicht zu beschreibender Beifallssturm den Saal, welcher, kaum zur Ruhe gekommen, wieder neu entfesselt vurde, und erst nach längerer Zeit zu Ende war. Dieser Abend wird Niemandem, welcher das Glück genoß, an demselben theilnehmen zu konnen, se aus dem Gedächtnisse schwinden. S. Singer. Tagesneuigkeiten vom Oeste. Steyr, 16. August. Hoher Besuch. Se. kaiserliche Hoheit Erzherzog Franz von ste mit hochdero Kammer=Verwalter Grafen v. Wurmbrand ist heute um halb 3 Uhr von Enns in Steyr einge¬ langt und har im Hotel Eiselmeyr Absteige=Quartier genommen. Der hohe Hast wird heute und morgen die Aus= stellung besichtigen. Heute um 7 Uhr Abenos ist in Sar¬ lehners Restauration am Volksfestplatze das Volksconcert des Wiener Männer¬ gesang=Vereines. Heute 16. August Abends um 10 Uhr findet in Eisenmehr Casino-Localitäten eine Reunion statt.
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2