Steyrer Ausstellungs Zeitung, Nr. 8, 10. August 1884

Seite 2 tigender! In hohen Glasschranken an den Wänden hangen kostbare Ornate; dort prangen farbenprächtige Antipendien, hier naive Holzschnitzereien des strengen Mittel¬ alters, neben solchen aus der uppigen Noccoccozeit; eine Vitrine in der Mitte des Zimmers birgt Altargeräthe, Ponti¬ sicalen, Rosenkranze, „Fromm gespendet dem Altare, Zeugen von der Väter Sinn, Ueberdauernd Menschenjahre, Weisend zu dem Himmel hin“. wie uns in schlichten Worten die Ausschrift kundet; durch das Mittelfenster faut das Licht, durch ein Glasgemälde ge¬ brochen auf zwei Crucifixe von hohem Kunstwerthe, — gerne wahrlich weilen wir an dieser Statte, die unser Gemury un¬ willkürlich über die Region des Frischen erhebt. Erst wenn wir den Gesammteindruc auf uns wirken lassen, schreiten wir zur Betrachtung der Einzelheiten. Seyen wir uns zunächst die kirchlichen Ornate an¬ Da fallt uns Nr. 2 „ein Meßkleid, aus Eisenerz in die Augen, das der Catalog als aus japanischem Stoffe verfertigt nennt, aber in Wirklichkeit eine Stickerei der Kaiserin Eleonore, Gemalin Carl VI. für die Jagdkapelle in der Radmer ist, daher auch die eigenthumlichen Thierfiguren asende Hasen, springende Reye, ein Adler, ein Auerhahn in fremdartig gemahnenden Farben. Das Pluviale Nr. 12 ist inter¬ essant wegen des prächtigen orientalischen Gold= und Silbergewebes, aus dem es verfertigt ist, und wegen der Herkunft ebendesselben, es entstammt dem Zeite Kara Mustapaus, des Belagerers von Wien (1683) und wurde vom Kaiser Leopold I. der Stadtpfarre Linz zum Geschenke gemacht. Von ähnlichem, ebenso kostbarem Stoffe ist der Ornat Nr. 21 bis 23 und Nr. 69—75, welcher dem Stifte Garsten angehörte und jetzt Eigenthum des Domes in Linz ist. Von ganz eigen¬ thümlicher Art ist ein Pluviale (Nr. 49) in Applicationsarbeit auf grünem Grunde, wol von der alten Spitalkirche, dem jetzigen Vorstadtpfarrhofe in die Michaelerkirche übertragen; denn es scheint bedeutend alter zu sein, als die Niederlassung der Jesuiten in Steyr 1631. Zwei daneben hangende Meßkleider (Nr. 46—48, Nr. 50—52 sind wegen des reichen Stoffes wol werth¬ voll, aber nicht so fesseln, wie ein Or¬ nat aus der Pfarre Klaus, flache Stickerei auf weißem Atlas, — mit dem Wappen der noch jetzt existirenden Familie Hayd von und zu Dorf aus dem Jahre 1740. Den ersten Rang unter den Or¬ naten nimmt sowol was Kostbarkeiten des Materiales als Schönheit des Stiles und Feinheit der Ausführung anbelangt der Prachtornat der Stadtpfarr¬ tirche in Linz ein. Bewundernd steyen wir vor dem stolzen Roth des prachtvollen Seidenstosses, von dem sich die verschwen¬ derisch reiche Goldstickerei prächtig aber mit unendlichem Vergnügen folgt unser Ange den in ihren Motiven so einfachen „Steyrer-Ausstellungs-Zeitung. und doch so wirkungsvoll durchgeführten Mustern der Goldstickerei, die, ohne sich zu wiederholen, doch stets den gleichen Cha¬ ratter tragen und besonders in der ge¬ schickten Ausnutzung des Raumes eine große künstlerische Feinfühligkeit verrathen. Der Ornat, zu dem ein Antipendium ge¬ hört, wurde im Jahre 1638 von den Burgern der Landeshauptstadt Linz Stadtpfarre gewidmet, wer hat ihn gestickt: Ich weiß es nicht, aber es waren kunstreiche Hände, welche dieses Wert ge= schaffen, und es müssen ebenso fromme als reiche Burger gewesen sein, die es pendeten Endlich sei noch des Ornates Nr. 120. 122 erwähnt, Gold=Stickerei an¬ rothen Sammte, im Stile Ludwigs VI., der Kirche in Christrind¬ angehörig, angeblich aus dem Hochstifte Münster stammend. Außer dem rothen Antipendium von Linz finden wir noch drei andere, Nr. 18, 19, in Gold= und Silberstickerei, Eigenthum der Vorstadt¬ Pfarrkirche, ohne Zweifel aus der Jesuiten¬ seil, und Nr. 20, eine Arbeit der blühenden Roccoccozeit, interessant in der Technik, aber in einem Stile, den alle kirchlichen Traditionen vergessen; tonnen uns Schäfer und Schaferinen in Steifrock und Kniehosen denten, aber nimmer Heilige: Eines kleinem Verums, Nr. 119, des Antipendiums in Filerdurch= zugarbeit, Nr. 127, und des Communion= ruches, Nr. 17, das wegen seiner schonen, allen Spitzen bemerkenswert ist, müssen wir ebenfalls gedenken; die Arbeiten konnen wegen ihres reinen Charakters als bildende Muster gute Dienste leisten. Dr. Hans Widmann. Tages=Treuigkeiten vom Oeste. Steyr, 9. August. Heute um 4 Uhr Nachmittags traf Ihre Durchlaucht die Frau Herzogin von Krach=Würtenberg mit ihrem Herrn Sohne, dem Prinzen Wilhelm von Würtenberg nebst dero Hofdame, Frau Baronin von Biegeleven von Bad Hall in Steyr ein, um die Aus¬ stellung zu besichtigen. Die hohe Herr¬ chaft nahm im Hotel „Schiff Ab¬ steigequartier und besucht derzeit die Aus¬ stellung. Nach dem für 7 Uhr Abends estgesetzten Diner, wird die elektrische Be¬ leuchtung in Augenschein genommen und jedenten die hohen Herrschaften um 9 Uhr Abends wieder die Rückreise nach Hall anzutreten. Der Handels= und Gewerbeverein in Sechshaus bei Wien hat an das Central=Comite unserer Ausstellung eine Zuschrift gerichter, des Inhalts, daß am 15. August 40 bis 60 Mitglieder dieses Vereines eine gewerbliche Excursion hieher unternehmen und drei Tage dem Besuche der Ausstellung und der Stadt Steyr women werden. Nr. 8 Heute um 10 Uhr Abends findet in Eiselmeyres Casino eine musikalische Abendunterhaltung, ver¬ bunden mit einem Tanzkränzchen, als erste Reunion statt. (Siehe Inserat.) Das gemeinschaftliche Concert der hierortigen „Liedertafel und des „Kränzchens“, welches morgen (Sonn= tag) um 7 Uhr Abends am Ausstellungs¬ Platze ohne specielles Entree stattfindet und auf das wir bereits in der gestrigen Nummer unsere geehrten Leser aufmerk¬ am gemacht haben, verspricht nach dem interessanten Programme (siehe Inserat) eine besondere Anziehungskraft. Dieses Interesse wird noch gehoben durch den Umstand, daß Lied und Musik abwech= ein, nachdem die Zwischenpausen durch die beiden täglich concertirenden Musik¬ capellen entsprechend ausgefüllt werden. Von den Peteler'schen Glocken. Wie wir verständiget wurden, werden von nun an täglich von 16 bis ½7 Uhr Abends drei Mal am Ausstellungsplätze die von Herrn J. M. Pereler ausgestellten Glocken geläutet werden. Das Geläute ist wirklich prachtvoll und treten aus dem Ensemble besonders die für den Maria Empfängni߬ Dom in Linz bestimmten Glocken (CA¬ Accord, und jene für Adlwang (D) hervor. Das Wetter und der Ausstellungs¬ platz. Wir konnen wirklich von Gluck sagen, denn bis jetzt folgt ein herrlicher Tag dem andern, die Augusthite wird durch ein kühlendes Luftchen gemildert und Abends lächelt der volle Mono freundlich auf un= sere Stadt hernieder, — und es ist ein währer Hochgenuß, in der milden Nacht am Carl Ludwigsplatz zu promeniren bei den vortrefflich executirten Weisen der unserer Burger¬ Musikkapellen musit und der St. Pöltner Stadt¬ capelle, — welche allabend ein zahlreiches lauschendes Publicum um sich sammeln, das ihre ausgezeichneten Leistungen stets mit rauschendem Applause auszeichnet. An den Volksfesttägen spielte auch die Musik¬ capelle des k. k. 14. Infanterie¬ Regimentes und erfreute sich nicht minder begeisterter Anerkennung. Dabei bieten die Restauration, die Bier= und onstigen Erfrischungshallen Ausgezeichnetes, so daß Abends der Aufenthalt auf dem taghen beleuchteten Ausstellungsplätze zu dem Angenehmsten gehört, was man jetzt in Steyr haben kann. Es pilgert auch ganz Steyr demselben zu. Vom Tage. Steyr, 9. August. Aussicht vom Stadtpfarrthurme. Don¬ nerstag Abends bestieg eine große Anzahl fremde Gäste unter Führung des hiesigen Bürgers Herr Franz Wagner jun. den hiesigen Stadtpfarr¬ thurm und war die Rundschau bei elektrischer Be¬ leuchtung wirklich so reizend und imposant, daß sich die Besucher darüber in ihr schmeichelhafter Weise

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