Steyrer Ausstellungs Zeitung, Nr. 6, 8. August 1884

Seite 4 gestellt hat, etwas schief erhoden „freie Fahrt“ bedeutet wieder auf halt, und benachrichtigt seinen Nachbar, wartet wieder eine Antwort ab und gibt ihm dann die Strecke frei. Dieses Verfahren geht nun bis zur nächsten Station durch alle Wachter¬ hauser fort. Nur auf diese Weise ist es möglich, bei einer Hauptstation, wo fast alle Stunden fünfzehn bis zwanzig Züge verkehren, einen Zusammenstoß oder sonst ein Malheur geradezu unmöglich zu machen. Nehmen wir nun einmal den Fall an, der Bahnwachter hatte sich trotz seiner strengen Vorschriften einmal bei einer feierlichen Gelegenheit einen kleinen Rausch angetrunken. Er geht zu seinem Bahnwachter¬ hause, weiß nicht genau meyr, ob der Zug schon signalisirt sei oder nicht, und will seinen Wechsel, durch welchen der Sema¬ phor gestellt wird, auf freie Fahrt stellen; da ist ihm der Semaphor gesperrt, und er kann unmöglich den Wechsel bewegen. Auf der rechten Seite des Pavillons bemerten wir auch eine kleine Feldtele¬ graphenstation, welche in etlichen Minuten errichtet werden kann. Wie unendlich wich¬ tig diese Einrichtung ist, konnen wir am besten bei einem Feldzuge wahrnehmen wo es in der jetzigen Kriegskunst beson¬ ders auf das richtige Eintreffen der Trup¬ pentorper ankommt, wo es nothwendig ist, daß der Generalstab nach allen Richtungen hin von dem Vormarsche des Feindes unterrichtet ist. Bei uns in Oesterreich be¬ steht seit einem Jahre ein solches Regi= ment. Die Leitungsdrähte dieser Stationen werden einfach an Bäumen befestigt, uno dort, wo solche seylen, jähren Wagen mit den Telegraphenstangen mit, die des leich¬ teren Transportes wegen zumeist aus Bambusrohr erzeugt werden. Noch von besonderem Interesse ist der sich von selbst ausschaltende Glockenapparat, eine Vorrichtung, durch welche die armopharische Elektricität einen weichen Eisen= tern von selbst magnetisch macht, welcher durch die Anziehung einer Feder die Aus¬ schaltung der Apparate bewirkt In Gegen¬ den, wo im Sommer oft und plötzlich hef¬ tige Gewitter niedergehen, bewährt sich diese automatische Vorrichtung am aller¬ besten, weil dadurch der Bahnwachter nicht in die Gefahr kommt, beim Einbruch eines Gewitters durch kurze Abwesenheit die Ausschaltung zu unterlassen. Hinter jenen beschriebenen Apparaten befindet sich auf der Wand aufgehang die Wechselstellung des Linzer Bahnhofes Es werden nämlich von dem Bahnbureau der Station aus die verschiedenen Wechsel gestellt und zwar von Bahnbeamten selbst. Welch große Sicherheit dies vierer, steyt wol außer jedem Zweifel. Eine solche Einrichtung fand ich auch bei der St. Gott= hardbahn, die sich dadurch auch eine große Zahl von Bahnpersonal erspart. Dies waren nun die wichtigsten Appa¬ rate dieses Pavillons, den gewiß Niemand von den Ausstellungsbesuchern zu besehen versäumen sou. Auch ein Telephon steur eine Verbin¬ „Steyrer-Ausstellungs-Zeitung.“ dung her mit der Buchhandlung am An¬ fange des Ausstellungsplatzes. Blicken wir hoffnungsvoll in die Zu¬ kunft: Ein Zeitalter, in welchem der Geist der Menschen schon so viele großartige Unternehmungen und Erfindungen macht wird auch die Schaden und Feyer mancher Einrichtungen zu beseitigen wissen. Eugeselligkeiten von Oeste. Steyr, 7. August. Heute den 7. August um 8 Uhr Abends inder bei günstiger Witterung in Eisel¬ meyris Casino=Garten, bei ungünstiger Witterung ebendort in den Casino=Salen das Concert der „Gesellschaft der Musikfreunde in Steyr statt. Entree 30 kr. per Person. Mitglieder nicht aus¬ jenommen. Nächsten Samstag den s. o. wiro bekanntlich der k. k. Oberrealschul=Professor Dr. Bittner um 5 Uhr Nachmittags Turnsaale der Burgerschule einen Vortrag über „die Elektrici¬ tat in ihrer historischen Entwicklung halten. Wie man uns mittheilt, wird dieser Vortrag ganz popular, daher auch für Damen durchaus verständlich, gehalten sein, um den Laien in das Wesen der Elektricität in anziehender ge¬ meinverständlicher Form einzuführen. Vom Wetter. Unsere Ausstellung ist bis setzt wirklich vom Wetter in erfreulichster Weise begünstigt. War beim Empfange der höchsten Herrschaften der Himmel auch bedeckt, so schützte dies vor allzu großer ermüdender Hitze, ebenso bei den Eröffnungsfeierlichkeiten, bis bei den Worten Sr. kais. Hoheit: „Die Ausstellung ist eröffnet, die Sonne siegreich die Wolten durch¬ brach und den ganzen Ausstellungsplatz herrlich beleuchtete. Ein geradezu prachtvoller Tag war der Sonntag, — kein Wolichen ließ sich am blauen Himmel sehen, während ein leichter Windhauch fortwährend Kühlung fachelte. Der Montag Abend brachte zwar, wie wir schon in der gestrigen Nummer berichtet, ein kurzes aber heftiges Gewitter, allein es verursachte nicht den geringsten Schaden, indeß in anderen Gegenden Oberösterreichs und in Theilen Niederösterreichs und Steiermarks Wolkenbruche und Hagelschlag verheerend wütheten. Das Gewitter ging hier wol in einen Regen über, der aber nur einen Theil der Nacht dauerte. Dienstag heiterte es sich theilweise wieder aus. Die gestrige Nacht war lau und mondell und der Aufenthalt auf dem Aus¬ stellungsplätze höchst angenehm. Heute haben wir wieder einen ganz sonnenhellen Tag und mildert abermals ein frischer Ost die allzu große Hitze, die uns sonst Frau Sonne bescheeren wurde. Vom Tage. Steyr, 7. August. Todesfall. Die Familie des Kaufmannes und Gemeinderathes Herrn Gustav Gschaider hat ein herber Unglücksfall getroffen. Die Gattin desselben, eine Schwester des hochverehrten General¬ Directors Herrn Josef Werndi, ist heute um halb 3 Uhr Morgens nach langem, schwerem Leiden im 44. Lebensjahre verschieden. Die innige Theilnahme der gesammten hierortigen Be¬ völkerung an diesem harten Schicksalsschlage ist der deutlichste und sprechendste Beweis, welcher Nr. 6 Hochachtung und Liebe sich unser hochverdienter, Mitbürger und dessen Familie allgemein erfreut. Das Leichenbegängniß findet Samstag am 9. d. 9 Uhr Vormittags, statt. Privilegiums=Verlängerung. Das k. l. Handelsministerium und das k. ungarische Mini¬ sterium für Ackerbau, Industrie und Handel haben das dem Herrn Carl Holub in Steyr auf eine Verbesserung der Gewehr=Seitenschlösser unterm 27. Mai 1874 ertheilte ausschließende Privilegium auf die Dauer des einsten bis fünf¬ zehnten Jahres verlängert. Verheerungen durch Hagelschlage. Am 5. d. ging über Kirchschlag und Umgebung (bei Linz), nachdem schon den ganzen Tag Ge¬ witterschwüle geherrscht hatte und es um 3 Uhr zu donnern begann, um 4 Uhr ein Gewitter mit Hagelschlag nieder, wie es seit Menschengedenken nicht erlebt wurde. Es fielen taubenegroße Schlossen, das Eis lag 15 bis 20 Centimeter hoch m Hofe des Badehauses und mußte mit Hand¬ chlitten weggeführt werden. — Dasselbe Wetter lichte auch die Gegend zwischen Blindenmarkt und Amstetten heim. Der von Wien nach Linz verkehrende Personenzug Nr. 251, der um diese Zeit die Strecke Blindenmarkt=Amstetten passirte, litt durch den Hagelschlag nicht wenig. Es wurden alle auf der Wetterseite befindlichen Fenster des Zuges zertrümmert, ein Conducteur durch Glassplitter verwundet, die Passagiere flüchteten auf die Bänke der Coupes, da sich der Boden derselben mit Eis bedeckte. — Dasselbe Unwetter hat auch in der Gegend von Grein arg gewüthet, eine Mühle wurde durch einen Wolkenbruch weggerissen, in Grein selbst wurde durch den Hagel ein Großtheil der Fensterscheiben zertrümmert, ein Mühlbursche ist ertrunken. Auch in Steiermark wüthete das Unwetter und rich¬ tete großen Schaden an. Bei Gröbling ging ein Wolkenbruch nieder und beschädigte den Bahn¬ körper. Ein Fest in Wilhering. Am 5. d. M. fand im Stifte Wilhering bei Linz die fünfzig¬ jährige Jubelfeier des Abtes Dorfer unter gleichzeitiger Uebergabe der kaiserlichen Aus¬ zeichnung an den Jubilar statt. Der Feier wohnten der Statthalter Freiherr v. Weber, der Bischof und mehrere Prälaten bei. Nach dem Fest¬ gottesdienste in der Stiftskirche feierte der Bischof von der Kanzel herab die Verdienste des Jubilars. Erzherzog Johann erschien in der Abtei und beglückwünschte den Abt. Im Audienzzimmer hielt der Statthalter eine Ansprache und überreichte dem Jubilar den Orden. Die Anwesenden sangen pontan die Volkshymne ab und brachten ein dreifaches Hoch auf den Kaiser aus. Um 1 Uhr Nachmittags fand ein Festdiner statt. Großer Brand in der Roßau. Außer der bereits gestern unter unseren Telegrammen gebrachten Meldung vom Brande in der Wiener¬ Vorstadt Roßau erfahren wir über diese Catha¬ trophe noch Folgendes: Kurz vor 2 Uhr Nachts am 6. d. M. brach in der Nähe des Tandelmarktes im Hintertracte des mit Schindeln gedeckten Gast¬ hofes „Zum goldenen Bären“ Feuer aus, welches in rapider Weise um sich griff und die größte Gefahr für den Tandelmarkt befürchten ließ. Während der Brand im Hintertracte des Hauses wüthete, spielte sich im Mittel= und Vordertracte desselben eine Reihe von wahren Schreckens¬ cenen ab. Diese Theile des Hauses sind zwei Stock hoch und der Mitteltract von zwanzig Par¬ teien, zumeist armen Leuten, bewohnt. Im Vorder¬ tracte befinden sich die Passagierzimmer. Trotz der vereinigten Anstrengungen aller Feuerwehren gelang es erst dann, dem Feuer Einhalt zu thun, als der ganze Dachstuhl des Mitteltractes und heilweise auch der Seitentract eingeäschert war. Die meisten der Bewohner warfen ihre Effecten, um sie zu retten, im ersten Momente des Schreckens aus den Stockwerken in den Hofraum hinab. Diebe, die sich in dem brennenden Hause unter dem Vorwande, sie kamen als „Retter", einge¬ schlichen, benützten die Verwirrung zu Diebstählen der dem Brande mit Mühe und oft mit großer Gefahr entrissenen Effecten. Um 5 Uhr Morgens war jede Gefahr für die Nachbarobjecte beseitigt.

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