Anton Rolleder - Heimatkunde von Steyr 1894

79 cember pflückt man den Barbarazweig, einen Kirschzweig, der, in ein Glas Wasser gesteckt, zu Weihnachten blüht. Am G. December, dem Nikolaustage, geht überall am Abende der Kinderfreund St. Nikolaus und die Schreckgestalt des Krampus herum. Ersterer prüft und belohnt die fleißigen Kinder, letzterer rasselt vor den Hausern mit der Kette und wird dann und wann zu einem unartigen Knaben hereinbefohlen, dem er dann droht, ihn mitzunehmen, wenn er sich nicht bessere. An diesem Tage werden an allen Orten Brote in verschiedenen Thiergestalten gebacken. Der erste Sonntag im Advent heißt der „Bratwürstlsonntag", weil an diesem Tage auf den Mittagstisch Bratwürste kommen. In den Advent fällt die erste der Rauhnächte, die Thomasnacht, die längste Nacht des Jahres. In der­ selben kommen nach dem besseren Abendessen, dem üblichen Räuchern und Gebeten verschiedene Bräuche vor, von denen außer den schon bei Besprechung der „soasten Rauhnacht" angeführten noch das „Bettstaffeltreten" und das „Kirschbämbeuteln" zu erwähnen sind. Beim Bettstaffeltreten tritt die weibliche Person die äußere Bettwand dreimal und sagt: „Böttstäffl i tritt’ di, heiliger Thomas i bitt' di, lass ma heut' Nacht erschein', bett Allerliebsten mein." Beim „Kirschbämbeuteln" rüttelt die Dirne während des Gebetläutens den Banin, Folgendes sprechend: „Kirschbam i rüttl' di, Thomas i bitt' di, lass ma dort a Hundal bell'n, von >vo sie mein Herzliebsta thuat meld'n." Endlich kommt der heilige Abend. Das fast nirgends fehlende „Kripperl" wird auf den Hausaltar in der Stubenecke gesetzt, mit Tannenreisig und Epheu verziert, abends geht der Hausvater räuchern, dann iverden die Kripperlkerzen und die große „heilige Nacht"-Kerze angezündet und die Hausandacht gehalten. Nach derselben werden die Theilnehmer mit Most, Schnaps, Kletzenbrot, dem iveißcn Störöbrot, Schober und Nüssen beivirtet. Mit Essen, Singen, heiteren Scherzen vergeht schnell die Zeit, der Zeiger rückt gegen 12 Uhr, die Leute gehen in die lichtstrahlende Kirche zur Mette, Nach derselben eilen sie schnell heimwärts, denn ihrer wartet noch ein kräftiger Imbiss, meistens Brativürste. Am Christfeste ist ivic zu Ostern und Pfingsten eine größere Mahlzeit gebräuchlich. An vielen Orten erhalten die Dienstboten je einen Kletzenbrotlaib und ein weißes Störöbrot. Brauch ist Fs, neunerlei Kletzenbrot zu essen, und eine besondere Ehre ist es im Kremsthale für den Besucher, wenn ihm ein Laib zum Anschneiden vorgelegt lvird. Am Stephanitage bewirtet der Bauer ans dem Lande seine Jnwohnerteut', was man „Heberbäul'n" nennt. Mit der Sylvesternacht, welche die zweite Rauhnacht ist und mit ähnlichen Gebräuchen ivic die erste und soastö Rauhnacht begangen wird, schließt das alte Jahr, welches mit Pistolen- und Büchsenknall von der Bewohnerschaft verabschiedet wird. VIII. Cultur. I. Materielle Cultur. 1. Landwirtschaft. Die Landwirtschaft in unserem Bezirk, der durch den Lauf der Steyr in ein nördliches Hügelland und ein südliches Bergland gegliedert wird, weist bei so großer Verschiedenheit der geographischen Lage naturgemäß in den einzelnen Theilen desselben große Unterschiede auf. Beeinflusst wird die Landwirtschaft auch durch das Klima, welches im südlichen Berglande rauh mit langen und strengen Wintern, im Hügellande hingegen mild ist.

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