Anton Rolleder - Heimatkunde von Steyr 1894

74 „geht." Hierauf beginnt das „Mahl", welches bis zum Abend und oft in die Nacht hinein dauert, wobei abwechselnd muntere Lieder gesungen oder wobei getanzt ivirb. An einem solchen Tage lässt der Großtheil der Bevölkerung vom Nachmittag an die Arbeit ruhen und geht ins „Hochzeitschau'n." Die Bauernmädel stehen im Tanzsaal in drei- bis viergliedrigen Reihen und warten geduldig, bis sie einer zum Tanze führt, der fast ausschließlich der Ländler ist. Die Spielleute, zwei Geiger, sitzen in einer Ecke und spielen den „angeschafften" Ländler, in der von den Burschen angegebenen Tonart. Der Ländler ist ein ruhiger, kunstvoller, reigenartiger Tanz, wobei die Tänzer innen, die Tänzerinnen außen an der Hand der Tänzer den Reigen be­ ginnen. Durch Aus- oder Eindrehn der Tänzer werden die Tänzerinnen bald nach innen und dann wieder nach außen geschwenkt oder geringelt, hierauf erfolgt ein kurzes Walzen, dann ein Rundgang mit Händeklatschen, und der Tänzer wendet sich zur nächsten Tänzerin, worauf der Tanz wieder so beginnt. Die Dauer desselben hängt, da jeder Tänzer nach einander mit jeder Tänzerin zum Reigen kommen muss, von der Anzahl der Paare ab. Die Weisen der Musikanten werden von den Tänzern mit munteren „Vierzeiligen" begleitet, und weithin tönen die Schritte der Ländler tanzenden Paare. Nachmittags und abends kommen die Burschen zusammen, welche unter sich Gesellschaften bilden, die „Rud'n" heißen, und welche nach Anordnung des Tanzmeisters regelmäßig ihre Tänze haben und streng darauf achten, dass kein Unberufeiter sich an ihrent Tanze betheiligt. Die einzelnen Rüden wetteifern mitein­ ander im Bringen der kräftigsten Schnadahüpfl. Die verschiedenen Begebenheiten in der Gemeinde werden ain Tanzboden in Vierzeiligen unter dem Gelächter der Zu­ hörer hinausgesungen; fühlt sich jemand nicht ganz rein in seinem Gewissen, so meidet er den Tanzboden, denn er fürchtet das „Ansingen." Es gereicht der Dirne oder Bauerstochter nicht zur Ehre, wenn sie „keinen Tanz" bekommt, sondern, wie der landläufige Ausdruck sagt, „einen Bock Heimtreiben" muss. Jeder Hochzeitsgast hat sein Mahlgeld meistens selbst zu zahlen und nimmt seine ansehnlichen Speisereste als „Bschoadessen" mit nach Hause. Ist die Hochzeit zu Ende — gewöhnlich wird sie mit dem Kranzabtanzen geschlossen — so wird den Brautleuten heimgeblasen. Das Überführen der Ausstattung geschieht meistens schon am vorhergehenden Tage. Der reiche Bauer gibt seiner Tochter hiezu auch noch die beste Kuh aus seinem Stalle. Abweichend von den geschilderten Hochzeitsbräuchen auf dem Flachlande sind diejenigen im gebirgigen Ennsthale. Der anbrechende Festtag, in der Regel ein Montag, wird den Umwohnenden durch Pöllerknall verkündet. Die Hochzeitsgäste versammeln sich im Hause der Braut oder des Bräutigams. Dort wird denselben ein Frühstück, be­ stehend in Suppe, Rindfleisch, Koch und Krapfen, vorgesetzt, zu welchem auch meist die Inwohner der zum Bauernhöfe gehörigen Häuseln, die „Häuselleut'", eingeladen werden. Nachdem dann noch die Kleidung vervollständigt, die Buschen aufgesteckt wurden, wird der Hochzeitszug in das Dorf zum Wirte oder gleich in die Kirche „geblasen." Die Musik besorgen meistens 7 Musikanten. Nach der Trauung und dem Amte, bei ivelch' letzterem die Brautleute den Kindersegen erhalten, erfolgt die Begrüßung und Beglückwünschung der durch die Heirat entstandenen neuen Verwaudt- schaften, dann begeben sich Brautleute und Trauzeugen wegen des Einschreibens ins Trauungsbuch zum Pfarrer, das sogenannte „Brautkafa", worauf dann in das Wirts­ haus gezogen wird. Hier beginnt der Tanz (Ehrentanz), später das Mahl, abends kommen dann die „Tanzgeher", ledige Burschen mit ihren Dirndeln, Freunde und Bekannte der Hochzeiter. Der Tanz ist hier der „Steirische", eine Art wiegender Walzer, an den sich ein vierzeiliges „G'setzl" oder „G'stanz'l", dann ein Hände­ klatschen und Fußstampfen und ein kunstvolles Ringeln und Drehen des Tänzers und der Tänzerin anschließt, worauf wieder das Walzen beginnt. Mitten in's Walzen ertönt dann oft der lustige Juchschrei eines munteren Burschen und der starke Stampfer des Tänzers. So geht es fort bis in die frühe Morgenstunde. Den Schluss bildet gewöhnlich der sogenannte „Polsterltanz." Während oder zum Schluffe des Mahles, besonders wenn dasselbe ein „Frei-

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