Anton Rolleder - Heimatkunde von Steyr 1894

73 Täufling unternimmt, wird der erfahrene Pathe znralye gezogen; ja, sterben die Eltern während der Minderjährigkeit des Kindes, so übernimmt der „Göd" in der Regel zu der Pathenstelle noch die Vormundstelle. Den Glanzpunkt des Familienlebens, und oft einen Festtag für den ganzen Ort bildet eine große Bauernhochzeit. Diesem Festtage gehen jedoch viele Ge­ bräuche vorher, welche die Brautleute einzuhalten haben, bevor sie den Tag ihrer kirchlichen Einsegnung mit seinen sich daranschließenden Lustbarkeiten erleben. Ist das Freien, welches, wenn die Braut „schwer zu heben", d. h. wenn die Einwilligung der Eltern schwer zu erringen ist, unter Fürsprache der Freunde und Verwandten des Bräutigams oder des ländlichen Heiratsvermittlers, des sogenannten „Bittelmannes" stattfindet, glücklich abgethan, ist also die Zusage gegeben, die Mit- gift festgestellt, der Hochzeitstag bestimmt, so erfolgt dann meist die Beschau. Der zuheiratende Theil, in der Regel die Braut, besucht mit den nächsten Angehörigen sein künftiges Heim, um dasselbe zuerst einer eingehenden Besichtigung zu unterziehen und sich daun mit den besten Sachen der bäuerlichen Küche bewirten zu lassen. Einige Tage nachher wird der Ehecontract bei der „Herrschaft" (dem Bezirksrichter, Notar) festgesetzt und der zuheiratende Theil auf das Gut „angeschrieben." Hierauf erfolgt das „Betengehen", der Gang ins Pfarramt zur Brautprüfung. Während des sich hieranschließenden Verkündens an 3 Sonn- oder Festtagen geschieht dieweil das „An­ dingen" der Hochzeit beim Wirte und das Einladen der Hochzeitsgäste. Die Einladung wird meist persönlich von der Braut oder dem Bräutigam oder von beiden zusammen oder auch vom Bittelmanu vorgenommen und umfasst alle leiblichen und geistlichen Verwandten, also alle Vettern, Muhmen, Schwäger, Gödn und Godn, und fernerd die Grundnachbarn. Die Einladung ivird fast immer von jedermann angenommen nach alter ländlicher Regel, welche besagt, dass man ein „angetragenes" Hochzeits­ gehen oder Kinderheben nicht ablehnen solle. Unter den Hochzeitsgästen sind besonders der Zubräutigam oder Brautführer und die Zu- oder Kranzelbraut von Wichtigkeit. Die Übernahme dieser Ehrenstellen zieht vielerlei Verpflichtungen nach sich. Die Zu- braut hat die Aufgabe, dem Bräutigam und dem „Zubräugger" je ein Hemd und ein seidenes Halstuch zu besorgen, für den trauenden Geistlichen ein Geschenk auf den Altar zu geben, ferner für sämmtliche Gäste die „Hochzeitsbuschen" beizustellen. Der Brautführer dagegen lässt der Braut und Zubraut Schuhe anfertigen; auch übernimmt er öfters das Amt des Tanzmeisters. Einige Tage vor der Hochzeit findet im Wirtshause oder zu Hause das „Kranz­ binden", eine gesellige Tanzunterhaltung, statt. Früher mürben bei dieser Unterhaltung die „frischen" Hochzeitsbuschen geivuuden, jetzt werden die „gemachten" Buschen nur noch ans die Hüte genäht. Endlich naht der Tag der Hochzeit. Derselbe ist meist auf dem Lande ein Dienstag; denn: „Montä-Brüut und Freita-Bräut hab'u nui ä Freud!" Die Trauung findet gewöhnlich um 10 Uhr statt. Die Hochzeiter, vor allem die Braut und die Zubraut, >verden von ihren Wohnungen in das Gasthaus „z'samm- g'führt." Hiebei holt der Brautführer die Braut und der Bräutigam die Zubraut mit zweispänuigen Wagen, zwei Musikanten auf dem Bocke desselben sitzend und blasend, ab. Vom Gasthaus aus setzt sich daun der Hochzeitszug paarweise, die Spiel- [cute an der Spitze, zur Kirche in Bewegung. Damit die Braut nicht „verneidet" wird, zieht sie zum Einzuge irgend ein Kleidungsstück verkehrt an. Während des auf die Trauung folgenden Hochamtes wird das Brennen der Kerzen genau beobachtet. Brennen sie ruhig, so bedeutet es eine friedliche, flackern sie, eine stürmische Ehe. Nach dem Amte,gehen die Neuvermählten an der Spitze des Zuges aus der Kirche in das Gasthaus. Unter der Thür begrüßt in manchen Orten der Wirt alle Hoch­ zeitsgäste und bringt dem jungen Ehepaare die ersten Glückwünsche dar. Am Ein­ gänge ist öfters auch eine Schnur gezogen. Nur derjenige darf eintreten, der aus dem dargereichten Weinglase auf das Wohl des Brautpaares getrunken hat. Hierauf folgt sogleich der Ehrentauz, ivobei der Bräutigam mit der Braut, der Zubräutigam mit der Zubraut, der Vater mit der Mutter den ortsüblichen Landler

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