Anton Rolleder - Heimatkunde von Steyr 1894

72 Diese eigenartigen Sitten und Gebräuche sollen im Nachstehenden in der kurz vorher angeführten Reihenfolge besprochen werden. Kommt in einer Familie ein Kind zur Welt, so wird es alsbald nach dem ersten Bade zur T a u f e gebracht. Am Tausgange nehmen außer dem Vater und der Hebamme noch die Gevattersleute theil. Dieselben sind schon früher vom Vater für dieses Ehrenamt ersucht und zur Ausübung des „Kinderhebens" am hiezu bestimmten Tage entweder vom Vater, der hiezu mit langem Gehstocke versehen ist, oder von einem eigenen Boten, der für die Überbringung der freudigen Botschaft mit einer fetten Eierspeise bewirtet wird, nochmals eingeladen worden. Bevor sich der Taufzug in Bewegung setzt, wird dem Täufling noch das „Krösengeld" eingebunden. Dieses, ein Geschenk der Pathen, besteht meist aus einem größeren Silberstücke und einigen kleinen Scheidemünzen. Das Krösengeld bleibt während des Taufactes in den Windeln des Kindes und kommt nachher in die „Godnbüchsn." Ist das Neugeborne männlichen Geschlechtes, so gehen beim Kirchgänge Vater und Gevatter voraus; ist jedoch das Kind ein Mädchen, so haben Gevatterin und Hebamme den Vortritt. Letztere trägt das Kind gur Kirche, heimzu wird es aber meist von der Gevatterin getragen. Im Gebirge ist es gebräuchlich, dass die befreundeten Bewohner der Häuser, an welchen der Tauszug seinen Weg vorbeinimmt, Freuden- und Ehrenschüsse ab­ feuern. Zu Hause wieder angelangt, tvird der Täufling der Mutter mit folgenden Worten übergeben: „Als Heide habe ich das Kind aus dem Hause getragen, als Christ bringe ich es zurück und bitte um eine christliche Erziehung." Der „Göd" oder die „Godn" tragen in den meisten Gegenden die Kosten der Taufe, und der glückliche Vater bestreitet die des unbedingt dazugehörigen „Kindl- mahles", welches bei allen Schichten der Bevölkerung entweder im Wirtshause oder zu Hause gehalten ivird, dessen Gerichte aber an keine Regel gebunden sind, sondern sich nach der Wohlhabenheit des Vaters richten. — Am dritten Tage nach der Ge­ burt kommt die Gevatterin auf Besuch zur Wöchnerin und bringt derselben das sogenannte „kleine Waisat oder Vorwaisat", ein Geschenk, bestehend aus einer geköpften Henne, Eiern, Semmeln, Butter oder Schmalz, serners oft noch aus braunem Zucker (für den „Suzl"), aus einem Säckchen Mehl (zum Kindskoch), aus Wein, Zwieback lind Kalbfleisch. Hiermit ist aber die Beschenkung der Mutter oder des Säuglings keineswegs abgethan, sondern während der ersten 14 Tage statten auch die Nach­ barsfrauen, ähnliche Geschenke mitbringend, ihre Besuche ab, und nach beiläufig sechs Wochen kommt abermals die Gevatterin und bringt das „große Waisat." Der Waisat- korb birgt oft bei diesem Besuche die mannigfaltigsten Dinge, wie z. B. Zucker und Kaffee, Eier und Schmalz, einen Anzug für das Kind (Wntzerlgwandl), die Godn­ büchsn, ein Kaffeegeschirr u. s. >v. u. s. >v. Entweder kurze Zeit vor oder nach dem großen Waisat hält die Wöchnerin ihren „Fürgang", das heißt, ihren ersten mit dem priesterlichen Segen begleiteten Kirchenbesuch ab, begleitet von der Hebamme. Hiebei ist gebräuchlich, dass die Wöchnerin beim Gange gur Kirche in kein Haus einkehrt; in mancher Gegend werden der lvieder Gesundeten aus den Häusern manch witzige, gereimte Glückwünsche zugerufen. Die Pathenleute, die in der Regel sämmtliche Kinder der Familie „aus. der Taufe heben", setzen die Beschenkung der Kinder bis zum 12. oder 14. Jahre fort. Alljährlich erhalten die „Godenkinder" zu Ostern und Allerheiligen ihre „Godnsachen", bestehend aus einem großen Kipfel, in welchem ein Geldstück steckt, aus Äpfeln, Bäckerei und zu Ostern noch aus rothen Eiern. Rach den erwähnten Jahren erhält das „Godn- kind" seine „Abfertigung." Es ivird zu diesem Zwecke zu einer Mahlzeit eingeladen und hierauf mit Kleidungsstücken, oft mit einem vollständigen Anzuge beschenkt. Stirbt das Kind vor der Abfertigung, so stellt die Godn zum Begräbnisse das Todtengewand, die Blumen und Kränze bei, und ist das Kind noch klein gewesen, so trägt es der „Göd" zur letzten Rtlhestätte. Das freundschaftliche Verhältnis erleidet jedoch durch die Abfertigung keineswegs einen Abbruch; Pathe und Godnkind bleiben für ihre Lebenszeit in enger Berührung und bei jedem ernsten Schritte, den der erwachsene

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