Anton Rolleder - Heimatkunde von Steyr 1894

71 ortes auch zu anderen Zeiten des Jahres, so zu Lichtmess, Josesi, Georgi, Jakobi und Martini statt. Was den Lohn der Dienstboten anbelangt, so ist derselbe auf dem flachen Lande ein bedeutend höherer als im Gebirge, dort ivird er meist nach vorhergegangener Vereinbarung monatlich, viertel- oder halbjährig ausbezahlt; im Gebirge dingt der Bauer seine Dienstboten meist ohne vorherige Lohnvereinbarung, zahlt nach Abschätzung der Arbeitsleistung halbjährig den Lohn, bei welcher Aus­ zahlung die unterlassene Frage, ob der Knecht oder die Magd wieder im Dienste bleiben will, das sogenannte „Anreden", einer Kündigung des Dienstplatzes gleich­ kommt. Die Gebräuche beim Diensteintritte sind verschieden. In manchen Orten führt die „Dienstiveiserin" die Magd in den „neuen Dienst" ein, worauf beide bewirtet werden; der Bauer holt dann die „Truhe" der Magd. Wieder an andern Orten wird um den neuen Dienstboten und seine Siebensachen gefahren, oder es iverden die hochaufgegupften Wanderkörbe von befreundeten Mägden in den neuen Platz getragen. Allgemein üblich ist, dass der wandernde Dienstbote mit dem „Wanderschnaps" versehen ist, den er seinen Bekannten zum Trünke anbietet. Im Hause hat jeder Dienstbote seine bestimmte Arbeit zu verrichten; von der Schwierigkeit oder Leichtigkeit oder von der Verantwortlichkeit bei derselben hängt sein Rang im Hause ab. Die Rangordnung ist sehr verschieden. So iverden über Land die Knechte wie folgt gereiht: Hausknecht, Mitarbeiter, Rossknecht, Prügel­ knecht, Drittler, Stallbub. Die Mägde dagegen kommen im Range als große Dirn, Mitgeherin, Saudirn und „Mensch" nach einander. In größeren Bauernwirtschaften im Gebirge besieht folgende Eiutheilung der Knechte: Blair, Mairknecht, Drittler, Großschlögl, Kleinschlögl, Laglbua, Großochsenbua und Kleinochsenbua. Die Mägde iverden geordnet in Schwaigrin oder große Dirn, Kuhdirn oder Hausmensch, Kuchlmadl oder Saumensch und Schafmensch. Diese angeführten Rangordnungen sind nicht in jeder Gemeinde gang und gäbe, doch nach einer ausgestellten Ordnung dienen die Dienstboten in jeder Wirtschaft. Rach dieser Rangordnung sitzen sie auch zu ihren täglichen Mahlzeiten zusammen. Mahlzeiten iverden täglich drei gehalten. Zwischen (> und 7 Uhr ivird gefrühstückt. Das Frühstück besteht meistens in ein bis zivei Arten Suppe (Brotsuppe, saure Suppe) uud dort und da auch noch aus einer Mehlspeise. (Im Gebirge aus dein sogenannten Sterz.) Das Mittagsmahl besteht aus einer „Vorricht", meistens Sauerkraut, dann aus einer Mehlspeise oder an deren Stelle zumeist dreimal in der Woche aus Fleisch (Geselchtes) mit Kartoffeln und Knödeln. Zur Abendmahlzeit kommen außer der Vorricht, die außer Sauerkraut entiveder aus Kartoffeln oder Milch besteht, entiveder zivei Arten Suppe oder eine Mehlspeise auf den Tisch. Im Gebirge wird nach jeder Mahlzeit noch Käsewasser gelöffelt und werden als Biehlspeise fast täglich sogenannte „Dampfnudeln" aufgetragen. Die Zahl der bei den Mahlzeiten angeführten „Richten" ivird zu den heiligen Zeiteil oder an Tagen, an welchen landivirtschaftliche Arbeiten zum Abschlüsse ge­ bracht ivurden, um ein Erkleckliches, sowohl an Fleisch- als auch an Biehlspeiseu, vermehrt. Ferner ivird vormittags uud nachmittags eine Jause, das sogenannte Unter­ mischt, bestehend aus Brot und Biost eingenommen. Eine Abänderung in der Zeit und der Reihenfolge der Mahlzeiten bewirkt der Samstag oder der Vortag eines Festtages. Dann ivird oft schon mittags Feierabend gemacht, nachmittags genacht­ mahlt, dann die Samstagandacht gehalten und abends die Jause eingenommen. An den angeführten Mahlzeiten nehmen nicht nur die Dienstboten sondern auch die Bauersleute theil, theilen sie ja doch auch die mühevolle Arbeit mit ihnen. Doch das Leben voller Arbeit und Mühe unserer Landsleute ist durchaus nicht eintönig und freudenleer, es ist ausgezeichnet ilnd geschmückt mit einer Menge alter sinniger Gebräuche, zu deren Entfaltung jedes bedeutende Ereignis im Familienleben, wie Geburt, Hochzeit und Tod, sowie die alljährlich wiederkehrenden Kirchenfeste oder die Beendigungen größerer oder wichtiger Arbeiten in der Wirtschaft Anlass bieten.

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