Anton Rolleder - Heimatkunde von Steyr 1894

512 Bildung der Pfarre, denn auf die Einwendungen des Consistoriums gestattete die Regierung unterm 20. April 1788, dass es von der geplanten Expositur in Reich­ raming abzukommen habe. Reichraming blieb daher bei der Pfarre Losenstein und besitzt derzeit nur eine kleine Kapelle, in welcher allwöchentlich von dem Katecheten der Schule in Reichraming eine Messe gelesen und an Sonntagen Christenlehre gehalten wird. Ein rühriger Kirchenbauverein geht aber daran, auf einem schon bestimmten und erworbenen Platze gegenüber dem Schulhause ein Gotteshaus zu erbauen. Gegenüber der Messingfabrik, am linken Bachufer, angesichts des grünen Enns­ flusses, liegt an einer mäßigen Anhöhe das große ztveistöckige Schulhaus mit seinen fünf geräumigen Lehrzimmern und drei Lehrerwohnungen. Dasselbe tvurde schon früher zweimal durch Anbau vergrößert, ehe es die gegenwärtige Gestalt und Größe hekam. Zu gleicher Zeit, als der Auftrag ergieng, in Reichraming eine Pfarre zu errichten, wurde auch aufgetragen, hier eine Schule zu erbauen Man begann den Bau des Schulhanses im Jahre 1786, doch gieng die Sache nicht recht vorwärts, denn am 18. August 1789 wandten sich die Ortschaften Arzberg und Reichraming an das Consistorium mit der Bitte, es möge die Verfügung getroffen werden, dass das vor drei Jahren angefangene und noch nicht ausgebaute, höchst nothwendige Schulhaus inöchte hergestellt werden. Doch erst im Jahre 1803 wurde ein Lehrer, namens Josef Nömayr, hier angestellt, nachdem das „Bachbrücklhäusl" zu einem Schulhanse mit einem Lehrzimmer umgestaltet worden ivar. Bis zu dieser Zeit er­ theilte ein Häusler im sogenannten „Fischerhäusl" in Arzberg den Kindern Unter­ richt. Das Schulhaus scheint jedoch nicht ordentlich hergestellt worden zu sein, da es schon im Jahre 1808 umgebaut und vergrößert werden musste. Es hatte aber nach der Vergrößerung auch nur ein Lehrzimmer, berechnet für 88 Kinder, und eine Wohnung für den Lehrer. Im Jahre 1851 wurde auf Anordnung deS k. k. Statt­ halters Eduard von Bach ein neues einstöckiges Schulhaus mit zwei Lehrzimmern und den Wohnungen für die Lehrer erbaut und 1852 seiner Bestimmung übergeben. Die rasche Zunahme der schulpflichtigen Kinder jedoch machte es nothwendig, dass im Jahre 1877 das Schulhaus durch Ausbau eines zweiten Stockwerkes abermals vergrößert iverden musste. Durch diesen Aufbau wurden zu den vorhandenen zwei Lehrzimmern noch drei neue geivonnen. Im April 1878 wurde die Schule zunächst dreiclassig, im August desselben Jahres vierclassig und nachdem im Schuljahre 1882/83 die Zahl der schulpflichtigen Kinder bereits 382 betrug, wurde am 1. December 1882 die fünfte Classe eröffnet. Seit dem Jahre 1880 ist die Schule in der ztveiten Gehaltsclasse. In Reichraming besteht auch ein Arbeiter-Leseverein, ein Arbeiter-Consum-Verein und eine Suppenanstalt für dürftige Schulkinder. Der Beamten-Leseverein hat sich am 31. December 1890 nach fünfundzwanzigjährigem Bestände freiwillig aufgelöst. Reichraming besitzt ferner einen Werks-, zugleich Bahnarzt, ein k. k. Postamt und eine Station der k. k. Staatsbahn. Nachdem eine Wiese in Dirnbach die „Türkeniviese" und ein Haus daselbst „die Türkei" genannt ivird, so ist anzunehmen, dass die Türken 1529 und 1532 auch in dieses Thal eingedrungen sind. Zur Zeit der französischen Invasion war an dem französischen Bürger Monet, Unterlieutenant, und Andrasse, Sergeant -Major der 14. Halbbrigade der leichten Infanterie, welche nach Anzenbach einen Ausflug unternommen hatten, ein Meuchel­ mord verübt worden. Über die eingefangenen Thäter: Franz Reitner, 18 Jahre alt, von Losenstein gebürtig, Knecht, und seinen Bruder Simon, 29 Jahre alt, gebürtig von Reichraming; über Adam Fnnkel, 43 Jahre alt, von Höllenstein, Knecht; über Franz Schoiswohl, 48 Jahre alt, Knecht, aus der Steiermark gebürtig, und Matthias Wertstecker, 40 Jahre alt, Bauer, von Arzberg gebürtig, wurde am 26. December 1800 in Steyr unter der Oberleitung des Brigadegenerals Dürütte, Commandanten der Division zu Steyr, ein großes gemischtes Gericht gehalten. Das Gericht war sehr schonend, allein es war den Angeklagten vermöge ihrer eigenen bestimmten Aussagen

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