Anton Rolleder - Heimatkunde von Steyr 1894

488 Frei zog er durch sein geliebtes Heimatland, erlebte Kummer und Noth, dazwischen manchen guten Tag — und sang seine Sieber. Schosser war eine ganz eigenthümliche Erscheinung unter den Dialect-Dichtern Oberösterreichs. Vor allem unterschied sich Schosser durch seine Anspruchslosigkeit im Dichten und Leben von den anderen. Er schrieb, weil er der Schönheit seines Vaterlandes und der Empfindsamkeit seiner Landsleute einen Tribut darbringen luo(Ite, aus den Schätzen seiner Seele, die er beiden verdankte, und trug gerne vor, weil er wusste, dass das lebendige Wort am mächtigsten wirkt. Ganz eigen war die Art und Weise, in der er seine für den Gesang bestimmten Dichtungen aufführte. Die Einleitung bildete eine Chorstrophe nach irgend einer anmuthigen, im ganzen Lande wohlbekannten Nationalmelodie. In jeder Gesellschaft fand er leicht einige Stimmen, welche diese einfachen Weisen entsprechend vortrugen und nicht selten ergänzten, begleitet von den gedämpften Tönen einiger Geigen, welche den gemüthlichen Wohllaut vermehrten. Nach einer solchen Einleitung sprach er einen bestimmten Theil des Gedichtes, bis der Chor und der leise Saitenklang wieder einfielen und, den Zuhörer zu der nächsten Stelle der Dichtung hinüberleiteten. Denke man sich noch zu diesen anmuthigen und unschuldsvollen Sinnenreizen die Pracht einer ebenso einfachen als sormgewaltigen metrischen Schöpfung, welche die großartigsten und zugleich bis in die kleinste Einzelheit erschöpfenden Bilder des frischen kecken Alpenlebens aufrollte und in dem Herzen eines jeden, der je die Gemse birschte, den Schildhahn beschlich oder die Gastfreundschaft der Schwaigerin genoss, die lieblichsten Erinnerungen — sie mochten noch so lange geschlafen haben — wieder wach rief, so hat man einen Begriff von den genussreichen Stunden, die Schosser seinen Freunden bereitete. Wie oft hat Schosser diesen in tiefer stürmischer Winternacht die grünen und blauduftigen Wunder der Alpenwelt, die in den Bergen oben unter Schnee begraben lagen, in den engen, dumpfen Schenkenraum hinein­ gezaubert. Da wurden sie auf einmal laut, bunt und harmonisch, die geliebten Klänge und Stimmen — die Kuhglocke, der Brandvogel, das Haselhuhn und das Jauchzen der Älplerinnen. Sie tönen noch immer und werden forttönen wie damals, überall, wo über Felsenmauern Gras und Kraut wächst, oder wo man des Dichters Weisen vernimmt. Schosser hat den ersten Band seiner „Naturbilder", die er bei Eurich in Linz herausgab, nach den Thälern benannt, denen sie ihr Entstehen verdanken. In die 1. Abtheilung „Ennsthal" hat Schosser seine ältesten Lieder auf­ genommen, unbekümmert darum, wo er sie gedichtet hat; doch steht der Kern der­ selben in einem innigen Zusammenhange mit den Bergen und engen Thälern, die das Flussgebiet der Enns von Losenstein bis in die steiermärkischen Grenzgebirge um Weyer bezeichnen. Das erste Lied dieser Abtheilung ist eine Ovation, „'s Kaisaliad." Im „Schwoagngehn" wird mit meisterhafter Klarheit, Einfachheit und Innigkeit ein Bild des Alpenlebens vor uns aufgerollt. „'S Hoamweh" drückt die Empfindung der Sehnsucht sowohl durch das Versmaß als durch die Worte natürlich und bestimmt aus. „Da Los'stoana in da Fremd." Er hat Heimat und Eltern verlassen müssen, und jetzt „fangt da säur Wind an; dö Freud'n fand aus!" Das kostbarste Stück dieser Abtheilung ist „'s Hoamtreibn", im Jahre 1843 zu Weyer im Ennsthale gedichtet. Hier gibt es zahlreiche und fette Alpen, und die Anschauung ihres eigen­ artigen Lebens, welches unser Dichter als wandernder Geometer — seinem Messtisch nur allzuoft untreu werdend — mit Vorliebe und richtigem Verständnisse genoss, gab ihm Stoff und Form zu einer Reihe von Schilderungen aus dem Schwaigleben, unter denen eben „'s Hoamtreibn" den ersten Preis verdient. Höchst anmuthig schließt diese Abtheilung mit einem neckischen Zwiegespräche zwischen einer spröden Bergschönen und ihrem gereizten Liebhaber. Das Gedicht nennt sich „Dös z'widä Gspräch." Die 2. Abtheilung „Steyr- und Kremsthal" bringt uns wieder neue Bilder aus dem Jäger- und Almenleben. „Da Hahnäfalz", „Da Urlauba" u. a. aus dem Jahre 1844.

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