Anton Rolleder - Heimatkunde von Steyr 1894

487 Schosser. Anton Schosser wurde am 7. Juni 1801 als Sohn des Nagelschmied- meisters Bernhard Schosser im Hause „im Holz ober der Kirche", Ortschaft Stiedels- bach Nr. 6, geboren. Schosser war in seinen Kinderjahren schwach und kränklich, und nur der uner- müdeten elterlichen Obsorge und der beständigen ärztlichen Hilfe gelang es, ihn am Leben erhalten. In der Schule gab er Beweise von guten Talenten; zur Erlernung des Handwerkes seines Vaters fehlten ihm aber offenbar Neigung und Körperkraft. Auf Anrathen des Pfarrers Franz Damböck, der Schossers Firmpathe ivar, wurde er in der Musik unterrichtet und sodann nach Melk ins Gymnasium gebracht. Hier studierte er vier Jahre mit dem besten Erfolge und zeigte nebstbei eine vorherrschende Neigung zum Zeichnen. Wenn er ivährend der Ferien im Vater­ hause Witte, bemalte er die Zimmerwände mit zahlreichen Landschaften, Menschen und Thiergestalten, die aber übrigens seinen Namen nicht auf die Nachwelt gebracht haben würden. Nach dem vierten Studienjahre in Melk Witte er seine Studien in Klagenfurt fortsetzen, reiste auch dorthin ab, kehrte jedoch unter dem Vorwände, keinen geeigneten Kostort gefunden zu haben, schon nach zwei Monaten zurück. So nahmen Schossers Studienjahre ein rasches Ende. Ein ganzes Jahr verweilte er nun im Vaterhause, bevor er sich zu einer bestimmten Standeswahl entschloss, aus ivelche der Ternberger Pfarrer Fürlinger nicht ohne Einfluss ivar. Dieser, ein großer Freund der mathe­ matischen Wissenschaften, hatte von Schossers Talenten gehört, ließ ihn zu sich kommen und unterwies ihn gründlich in der Geometrie und im Situationszeichnen. Da jedoch der gelehrige Schüler keine Gelegenheit fand, diese Kenntnisse auf eine tvürdige Weise zu veriverten, so ivendete er sich dem Schulfache zu lind ivirkte als Schulgehilfe in Leonstein im Steyrthale nnb hierauf als selbständiger Lehrer in Kleinreifling an der Enns, verließ aber plötzlich diesen Posten. Der Beweggrund hiezu ist nicht ganz aufgeklärt. Nach einer Meinung sollen ihn die schönen Versprechungen eines ein­ flussreichen Herrn, die dieser nicht einhielt, dazu bewogen haben, nach einer anderen Deutung hätten ihm die Blumen in den Waldgründen der dortigen Gegend eine solche Liebe zur Botanik eingeflößt, dass er tagelang unter ihnen herumstrich, eines Tages die Schulstube sperrte und über alle Berge gieng. Er saß nun wieder zu Hause „im Holz ober der Kirche", unterrichtete als Privat­ lehrer Kinder um mageren Lohn, zeichnete eine Karte des Pfarrsprengels Losenstein, die im Pfarrhose zu Losenstein hängt, und Alpenpflanzen, deren Bilder noch in seinem Geburtshause aufbewahrt werden, und war mit der Welt und mit sich selbst nicht zufrieden. Sein unstetes Blut ließ ihn jedoch nicht lange ruhen, und bald reiste er mit seinein Freunde, dem Porträtmaler Mayr in Steyr, in das Junviertel. Sechs Jahre lang blieben nun seine Angehörigen ohne jede Nachricht von ihm, bis er ihnen mittheilte, dass er bei der Grundvermessung als „Vermesser", Geometer, ein gutes Einkommen gefunden habe und sehr vergnügt im Junviertel herumziehe. Von dieser Zeit an zog Schosser immer im Lande herum, aber von Zeit zu Zeit flog er regel­ mäßig in sein altes Nest, sein geliebtes Losenstein, zurück, um hier auszuruhen — vom Wandern. Als Geometer ivar er bekannt, beliebt und im ganzen Traunkreise und noch weiter beschäftigt. Wie viele Alpen, Forste und Äcker er vermessen hat? Man weiß es nicht. Es fehlte ihm nie an Arbeit, doch häufig an Lust dazu. Wohin er kam, überall hatte er Freunde, überall verlebte er fette und magere Tage; denn das gewonnene Geld rollte rasch ivieder aus seiner Hand. Hatte er viel, so verbrauchte er viel, hatte er nichts mehr, so hungerte er still und zufrieden. Gegen die Launen des Schicksals zeigte er von Jugend auf große Gleichgiltigkeit und verlebte die guten, wie die schlimmen Tage fröhlich. Wie Schosser ein Dichter wurde? Das lässt sich schwer sagen. Im Gebirge geboren, liebte er seine Berge und Thäler, ihre Bewohner und deren uralte Sitten.

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