Anton Rolleder - Heimatkunde von Steyr 1894

483 holz mäßig bestockt. Den Haupterwerb des Bauernvolkes bildet die Viehzucht. Der Viehstand war nach der Zählung im Jahre 1890 folgender: 746 Rinder, 273 Schweine, 179 Schafe, 76 Ziegen, 13 Pferde. Die Zahl der Bienenstöcke beträgt 48. Die Jagd ist minder ergiebig. An Wildgattungen kommen Hasen, Rehe, Füchse, Dachse, mit­ unter auch Hirsche und Gemsen vor. Die Fischerei ist auch unbedeutend; die Enns hat überhaupt wenig Fische, nur in ihren Nebenflüssen finden sich Forellen — doch nicht in erheblicher Zahl — vor. Losenstein war früher allgemein bekannt durch seine schwunghaft betriebene Ragelindustrie. Roch vor ungefähr 30 bis 40 Jahren war die Erzeugung geschmie­ deter Nägel sehr bedeutend und ergiebig. Über 600 Arbeiter, die Meister nicht mit­ gerechnet, waren in 140 Werkstätten lohnend beschäftigt, und ihre Erzeugnisse fanden in den entferntesten Theilen der Monarchie, auch in Serbien, in der Türkei und in Russland ihren Absatz Überall im Gemeindegebiete, der Eisenstraße entlang, in Stiedelsbach, ja in jedem Graben ertönte an Wochentagen von vier Uhr früh bis sieben Uhr abends der lustige Schall zahlreicher Hämmer, begleitet von dem melodien­ reichen, volksthümlichen Gesänge der schwarzen, heiteren, witzigen und zufriedenen Arbeiter. Allmählich sank diese Industrie infolge der seit etwa zwanzig Jahren fabriksmäßig vorgenommenen Erzeugung von Blechnägeln und der Drahtnägel auf ein Minimum herunter, so dass gegenwärtig nur mehr siebzehn Werkstätten im Betriebe stehen. Mit dem zunehmenden Gebrauche der Maschinennägel und der Verwendung von gewalztem Eisen mussten auch die ehemals bestandenen neun „Zainhämmer" ihren Betrieb einstellen. Viele Nägelarbeiter waren daher infolge der Arbeitseinstellung ihrer Meister zur Auswanderung gezwungen, und andere suchten ihren Verdienst in der Waffenfabrik in Steyr. An größeren Gewerben sind noch im Betriebe vier Sägemühlen, vier Getreidemühlen, zwei Zeugschmieden, zwei Messerschmieden und eine Sensenschmiede. Im Orte selbst befindet sich eine Apotheke und ein subventionierter Gemeindearzt. Aller Personen- und Frachtenverkehr von und nach Losenstein, der vor Erbauung der k. k. Kronprinz-Rudolfbahn im Jahre 1869 nur auf der Eisenstraße stattfand, wird jetzt fast ausschließlich durch die genannte Bahn vermittelt. Bis zum Jahre 1872 besaß Losenstein keine Brücke und wurde die Verbindung der beiden Ennsufer durch eine Drahtseilplätte bewerkstelligt. Die im Jahre 1872 von der Gemeinde erbaute hohe Holzgitterbrücke musste im Jahre 1891 wegen ihrer großen Schadhaftigkeit durch die schon erwähnte eiserne Gitterbrücke ersetzt werden. An Gemeindestraßen sind zu erhalten jene nach Lausa, in den Stiedelsbach und zum Hintstein. Die Eisenstraße, der frühere Verkehrsweg zwischen Steiermark und Steyr, wird von der „Alpinen Montangesellschaft" erhalten. Die Gemeinde Losenstein ist dem im Markte Weyer befindlichen Bezirks- und Steueramte zugewiesen. Im Orte selbst befindet sich außer dem Pfarramte und der Schule ein selbständiger k. k. Gendarmerieposten, ein k. k. Postamt und ein Armenhaus. Für die Gewerbe bestehen zwei Genossenschaften mit einer Gehilfenkrankencasse. Im Jahre 1871 wurde in Losenstein eine freiwillige Feuerwehr gegründet. Seit zehn Jahren besteht hier auch ein Verschönerungsverein, ins Leben gerufen von dem hier ansässigen k. k. Bezirksrichter a. D. und letzten Pfleger von Losenstein, Herrn Jakob Schulz. Unter den Leistungen dieses Vereines verdient besonders die Neuerrichtung und Erhaltung des am unteren Ende des Dorfes, nur einige Minuten oberhalb der Straße in einer reizenden Lage sich befindenden Kaltwasserbades erwähnt zu werden. Die Pfarre Losenstein war in früherer Zeit eine der größten und ausgedehn­ testen des Landes, da ihr außer den Gemeinden Losenstein und Reichraming auch die Nachbargemeinde Lausa einverleibt war, bis diese im Jahre 1870 eine selbständige Pfarre wurde. Die Pfarre von Losenstein datiert höchst wahrscheinlich aus dem Jahre 1339. In diesem Jahre gaben die Herren von Losenstein dem Kloster Garsten zu ihrem und ihrer Vorfahren Seelenheil den Gatterhof bei Rechberg, wogegen sich das Kloster verpflichtete, in Losenstein einen Kaplan anzustellen und 30 Psd. Pfg. 31*

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