Anton Rolleder - Heimatkunde von Steyr 1894

443 eine größere Kunstmühle, eine Fleischhauerei, mehrere Bäcker- und Bekleidungsgewerbe, Binder, Tischler, eine Zeugschmiede und ein Kaufmannshaus. Bis zum Jahre 1865, war Trattenbach mit dem rechten Ennsufer durch eine hölzerne Brücke, die soge­ nannte Neubrücke, verbunden. Dieselbe, einige hundert Schritte ennsabwärts von der Mündung, des Trattenbaches gelegen, bestand schon zu Beginn des 19. Jahr­ hunderts, wurde 1829 von den hochgehenden Wogen der Enns weggerissen, hierauf wieder erneuert, 1853 abermals neu hergestellt und im ersterwähnten Jahre von der Eigenthümerin, der Herrschaft Steyr, abgetragen. Trattenbach bildet keine eigene Pfarre, sondern gehört zum Pfarrsprengel Ternberg. Vor langer Zeit soll auf der „Gartwiese", nach anderen Angaben auf der Bruckmair-Höh beim „Kirholz" (Kirchwald) eine größere Kapelle gestanden sein, in welcher die kostbarsten Paramente der Kirche in Ternberg verborgen wurden, wenn Gefahr drohte. Infolge der von Kaiser Josef II. 1782 angeordneten neuen Pfarreintheilung sollte in „Wendelbach" (Wendbach) eine Kirche gebaut, eine eigene Pfarre errichtet und mit einem Priester aus dem Benedictinerstifte Garsten besetzt werden. Doch fant es nicht dazu und die Ortschaften Wendbach, Kienberg und Trattenbach blieben bei der Pfarre Ternberg. Was den Jugendunterricht betrifft, hat Trattenbach für die drei Ortschaften eine einclassige Schule, die schon seit der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts besteht. Die Chronik der Schule nennt als ersten Lehrer zur Zeit der Regierung Kaiser Josefs II. den Besitzer des Schusterhäusels Nr. 44, genannt „Einhandl." Sein Nachfolger, zu Beginn dieses Jahrhunderts, war der Schneidermeister Anton Fixl auf dem Hause Nr. 46. Dieser erhielt vom Religionsfond circa 100 fl. C. 3Jt. Gehalt. Auch wurde die Abgabe des Schulgeldes au den Lehrer commissionell dahin reguliert, dass Bauern und Messerer für jedes Schulkind monatlich 5 kr., Häusler und andere Gewerbetreibende, Inwohner 3 kr. zu entrichten hatten; ferner musste für jedes Kind pro Monat 2 kr. Tintengeld bezahlt werden. Letztere Leistung wurde für arme Kinder aus dem Pfarrarmenfonde mit jährlichen 8 fl. 20 kr. C. M. bestritten. Im Jahre 1833 wurde das jetzige Schulhaus erbaut. Erbauer des Hauses war der Religionsfond als Patron, tvelcher die Professionisten bezahlte, die Herrschaft Steyr, welche das Rohmaterial beistellte, und die Gemeinde, die die Roboten leistete. Nach Aufhebung des Unterthänigkeitsverbandes 1848 siel der Gemeinde derjenige Theil der Schulerhaltung zu, den früher die Grundherrschaft Steyr zu leisten hatte. Im Jahre 1864 kam auch das Patronat an die Gemeinde. Die jetzige Erhaltung der Schule ist durch das o. ö. Landesgesetz vom 23. Jänner 1870 bestimmt. Bis zum Jahre 1856 betrug der Gehalt des Lehrers 130 fl. C. M.; in diesem Jahre tvurde infolge eines Ministerial-Erlasses das Einkommen des Lehrers auf jährlich 320 ft. C. M. ergänzt. Das Landesgesetz vom 23. Jänner 1870 zur Regelung der Rechtsverhältnisse des Lehrstandes setzte die Volksschule Trattenbach in die erste Gehaltsclasse. Seit 1851 wird der Unterricht halbtägig ertheilt und seit 1891 ein gewerblicher Fortbildungskurs abgehalten. Seit 1884 besteht in Trattenbach eine freiwillige Feuerwehr, seit August 1889 besitzt der Ort eine Haltestelle der Kronprinz Rudolfbahn und seit 1893 eine Frachten­ aufgabsstelle. Auch ist in Trattenbach der Sitz der Bezirkskrankencasse Steyr—Weyer. Als einst im Trattenbachthale die Pest herrschte, starben in der „Untern Wänd", dem jetzigen Messererwendnerhause, alle Bewohner in kürzester Zeit nach­ einander. 9tur ein armer Hirtenbube, der seine meiste Zeit beim Vieh verbrachte, wurde von der schrecklichen Krankheit nicht ergriffen. Als er am Tage des Unglückes von der Weide in die „Wänd" heimkehrte und die Leichen der rasch Dahinge­ schiedenen erblickte, da erfasste ihn Angst und Schrecken vor der todbringenden Seuche, und eilenden Fußes floh er von der Stätte des Unglücks. Er irrte durch die steilen Abhänge der Weimairleiten und kam matt vor Änfregung und Furcht in das „Kirholz oder den Kirschacher." Voll Verzweiflung ließ er sich im Walde nieder und sann nach über sein trauriges Los und wie er der verderbenbringenden

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