Anton Rolleder - Heimatkunde von Steyr 1894

442 billigen und doch dauernden Taschenfeitl erzeugt. Diese Industrie ist in diesem Thale eine sehr alte, wahrscheinlich so alt als die Ansiedlnng selbst. Trattenbach und Wendbach iverden schon im Anfange des 14. Jahrhunderts erwähnt. Um die Mitte des 17. Jahrhunderts sind die Trattenbacher Messerer, die den Namen „Schar­ schachmeister" führten, ivahrscheinlich nach dem aus den Neichraminger Eiseniverken bezogenen Eisen, welches „Scharschach" hieß, schoil so zahlreich geivesen, dass sie die Bewilligung zur Errichtung einer selbständigen Innung erhielten. Die Scharschacher gehörten nämlich früher zur Innung der Steinbacher Messerer, mit welchen sie wegen verschiedener Handwerksarbeiten in fortwährendeul Streite lagen. Sie trachteten um jeden Preis von der Steinbacher Innung loszukommen, was ihnen auch schließlich von Johann Maximilian Reichsgrasen von Lainberg, Herrn der Herrschaft Steyr, in einem besonderen Artikelbrief vom 14. Juni 1680 gewährt wurde, „weil", wie es in demselben heißt, „die Trättenpächer schon vor Jahren, Ja bald von der Zeit an, alß Sie zu der Zunft in Stainbach sindt hinzurgesöllet worden in Zivitracht und proccssen mit einander gstandten und weillen die Trättenpächer sich beraith endtschloßen, ehe und bevor sie mehr mit gedachter Mösserer Zunft heben und legen, lieber gahr außer Landts zustehn, welches nit allein unserer Herrschaft Steyr und andern Jntereßierten Grundtobrigkheiten: sondern dem ganzen Landt und Jhro Kayl. Mayl. = selbst zu Nachttheil nnb schaden geraichte." Die Scharschachmeister durften auf Grund dieses Briefes eine eigene Innung bilden, den Jahrtag abhalten. Zech- und Viermeister wählen, Meistermachen, Aufdingen u. s. w. „mit ainein ivordt alle Ihre handtwerkhs Abhandlungen ohne deß Stainpacherischen Messerer Handt- werkhs mit: und beysein. Jedoch daß sie all Jährlich in recognitionem dessen, daß sie zur Messererznnft in Stainpach und unter dero handtwerkhsordnung gehörig, von Jeden Maister ain halben Gulden zur Ladt erlegen sollen." Diese „vogtobrigkheitlich" bewilligte Innung hat Kaiser Leopold I. den Scharschachmeistern durch eine eigene Urkunde ddto. 21. October 1682, welcher eine eigene „Handtwerks Ordnung und Articulen der Scharschachmaister in Trättenpach" beigefügt ist, vollinhaltlich bestätigt. Die neue Innung scheint sich aber an die in der Urkunde aufgetragene Einzahlung eines halben Guldens pro Meister an die Steinbacher „Hauptladt" nicht gekehrt zu haben, denn in dem aus damaliger Zeit stammenden „Handtwerckhs - Prothocoll Eines Ersamben Handtwerckhs der Scharschacher zu Trüttenbach" findet sich darüber keine Aufzeichnung, dagegen geht aus dem Inhalte dieses Jnnungsbuches hervor, dass die junge Innung bestrebt >var, sich immer selbständiger und begehrenswerter zu machen, was beides ihr gelang, denn seit der Mitte des 18. Jahrhunderts finden wir viele auswärtige Bewerber um Mitmeisterstellen bei der Trattenbacher. Innung. Den Zeiten der Blüte folgte zu Beginn unseres Jahrhunderts eine solche des Nieder­ ganges. Mit Beginn der Fünfziger Jahre erholte sich jedoch diese Industrie wieder und durch die Einführung des mehr maschinellen Betriebes hat sich die Erzeugungs- und Leistungsfähigkeit dieses Gewerbes so sehr gehoben, dass von den 17 Meistern, welche die Genossenschaft umfasst, circa 8'Millionen Holztaschenmesser jährlich erzeugt werden, wozu an Stahl, Eisenblech und Drahtstiften rund 1200 Metercentner gebraucht werden. Bei der Fabrication der Messer finden aber nicht bloß die in den Werk­ stätten Arbeitenden ausreichenden Verdienst, sondern auch alte Leute, Frauen, Kinder bekommen durch sogenannte Zuarbeiten (Ringelmachen, Heftbohren u. s. w.), welche sie in ihrer Wohnung ausführen, hinreichenden Lohn. Ferner stehen im Dienste dieser Industrie mehr als 40 Drechsler, kurz, man kann sagen, fast die sämmtliche Be­ wohnerschaft des Thales findet bei der Mefferarbeit ihren Lebensunterhalt. Von alten Gebräuchen ist auf unsere Tage nur noch der Jnnungs-Jahrtag mit seiner Meisterversammlung, seinem Ausdingen und Freisprechen und dem abendlichen Tanze gekommen. Von 1684 bis 1874 lumbe derselbe zu Ternberg, seit 11. October 1874 im Gasthause zu Trattenbach abgehalten. In demselben, der Herberge, hängt auch der aus dem Jahre 1660 stammende Genossenschaftsschild. Die Steuergemeinde Trattenbach besitzt 3 Gasthäuser, 3 Brettsägen, 2 Mühlen.

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