Anton Rolleder - Heimatkunde von Steyr 1894

24 Verfassung, e i n c Nationalität, eine Gesetzgebung herrschen, die Einwohner, frei und gleiches Recht genießend, durch Bildung, Blüte der Industrie imb des Handels zu Wohlstand gelangen sollten. Die Verwaltung sollte von einem Mittelpunkte aus­ gehen, alle Macht in der Person des Kaisers vereinigt sein. Am 13. October 1781 erschien das Doleranzpatent, ivelches den Evangelischen und den nichtunierten Griechen die Privatübnng ihres Glaubens und das Recht gestattete, Bürger zu iverden, Grundstücke zu erwerben und zu Staatsamtern zu ge­ langen; nach der Veröffentlichung dieses Patentes bildeten sich sogleich evangelische Gemeinden; in Oberösterreich entstanden solche in der Gegend von Wels, Thening, Kematen, Wallern, Scharten, Vöcklabruck, Ruzenmoos, Eferding, in Goisern, Hallstatt und Gosau. Der erste evangelische Pfarrer in Scharten, Johann Christian Dhielisch, wurde zum Superintendenten in Oberösterreich ernannt. Auch die Israeliten erhielten beträchtliche Freiheiten und eine Erleichterung ihrer Lage. Von großer Bedeutung ivar die Aufhebung vieler Klöster, deren Vermögen zur Stiftung des Religionssondes bestimmt und verivendet wurde. In Oberösterreich wurden 24 Klöster aufgehoben, dafür aber erhielt dieses Land ein Bisthum in Linz. Kaiser Josefs kirchliche Reformen riesen Aufregung unter der Bevölkerung hervor und seine staatlichen R'eucrungcn hatten große Tragweite. Die höchste Behörde in Oberösterreich erhielt den Titel „obderensische Regierung" und ihr unterstanden die Kreisämter. Neue Gesetzbücher erschienen, die Finanzverwaltung wurde zweck- mäßig eingerichtet, Humauitätsanstalteu gegründet, der Wehr- und der Rähcstaud gefördert und geehrt. Der Widerstand der Bevölkerung gegen die Durchführung der Reformen, ein erfolgloser Türkenkricg, der Abfall der Belgier von der österreichischen Herrschaft und die Unruhen in Ungarn erschütterten die Gesundheit des Kaisers vollständig und beschleunigten seinen Tod, ivelcber ant 2<>. Februar 17t)(> erfolgte. „Joses, des (Glückes vor allen würdig, war nicht zum Glücke geboren, und bannn mag er auch in den Riittel», andere zu beglücken, sich nicht selten vergriffen haben; aber die große Idee seines Lebens und Wirkens ist nnvcrloren geblieben, und unauslöschlich leuchtet Josefs Name, das Morgcngestir» der Humanität und Aufklärung, seinem und allen kommenden Jahrhunderten vor. In unbefriedigter, heiliger Sehnsucht steht sein Bild vor unseren Blicken und die Trauerweiden der Weltgeschichte untrauschen seine Urne." (äJicnnei't. > Kaiser Joses l l. binlerließ keine Rachkommen und der Erbe der österreichischen Länder war sein Bruder Leopold, Großherzog von Toscana, welcher auch zunt deutschen Kaiser erwählt wurde. Dieser war bemüht, die Aufregung, welche unter den Bewohnern der österreichischen Länder durch die Reformen Josefs I I. entstanden ivar, auf eine wirksame Weise einzudämmen; er starb aber schon nach kaum zwei­ jähriger Regierung ant 1. März 17!>2. Ihm folgte in Österreich und als deutscher Kaiser fein ältester Sohn Franz t>., welcher als deutscher Kaiser von 1792 bis 1800, dann als Kaiser von Österreich von 1804 bis 1835 regiert hat. Er hatte am Hofe seines Oheims Josef ll. eine schlichte, bürgerliche Erziehung erhalten, übernahm, erfüllt von Gerechtigkeits- und Vaterliebe für seine Völker, die Regierung, und musste jenen großen Kampf mit Frankreich beginnen, welcher mit geringen Unterbrechungen von 1792 bis 1815 dauerte. Trotz häufiger UnglückSsälle und empfindlicher 'Niederlagen stand Österreich immer wieder gerüstet da; Erzherzog Karl, der Bruder des Kaisers, wusste wieder- holt den Sieg an seine Fahnen zu fesseln. Ans beit Schlachtfeldern in Belgien, in Oberitalien, in Süddeutschland und auf dem Boden der Heimat hatten unsere Lands­ leute Gelegenheit, ihre persönliche Tapferkeit zu bewähren, und das Land Oberösterreich sah den Feind dreimal verderbenbringend einmarschieren, und zlvar in den Jahren 1800, 1805 UNd 1809. Als Napoleon ant 18. Mai 1804 sich zum Kaiser der Franzosen hatte aus­ rufen lassen, erhob Kaiser Franz ll. durch das Patent vom 11. August 1804 die

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