Anton Rolleder - Heimatkunde von Steyr 1894

356 zweigt von der Station Garsten der f. f. Staatsbahn ab, wendet sich in einem großen Bogen dem Steyrflusse zu und durchzieht, sich knapp am rechten Ufer des Steyrflusses haltend, in südwestlicher Richtung das Gemeindegebiet. Die meistbenützte Fahrstraße ist die Verbindungsstraße von Ternberg und Steyr. Sie führt von Süden nach Norden zuerst am rechten Ennsufer, überseht in der Ortschaft Sand die Enns und geht nun am linken Ennsuser durch Garsten nach Steyr. Garsten besitzt ein Postamt in Verbindung mit einem Telegraphenamte. Wichtige Gebäude sind die Kirche und die k. k. Strafanstalt. Die Gemeinde Garsten zählt drei Gottes­ häuser, je eine Pfarrkirche zu Garsten und Christkindl und die mit Messlieenz ver­ sehene Kapelle in Unterdambach. Die ehemalige Stifts- jetzt Pfarrkirche wurde in ihrer gegenwärtigen Form vom Abte Roman I. im Jahre 1679 an Stelle der zwei Jahre früher abgetragenen alten Stiftskirche zu bauen angefangen, unter seinem Nachfolger Anselm I. 1693 vollendet und vom Bischöfe in Passau, Grasen Johann Philipp von Lamberg, ein­ geweiht. Sie ist im Barockstil erbaut und eine der schönsten und geräumigsten des ganzen Landes. An der Vollendung und inneren Ausschmückung derselben arbeiteten berühmte Meister, wie die beiden Brüder Johann Baptist und Karl Anton Carlone. Ersterer war Baumeister, letzterer verfertigte mit dem kunstsinnigen Laien­ bruder Marian Rittinger den Hochaltar aus schwarz poliertem Holze. Das Hoch­ altarbild, welches die Aufnahme Mariens in den Himmel darstellt, wurde vou dem berühinten Maler Franz de Neve aus Antwerpen gemalt. Im Schiff der Kirche sind rechts und links je drei Seitenaltäre in eigenen Kapellen. Die erste auf der Evangelienseite birgt den Altar des hl. Benedict. Gegenüber dem Eingänge in diese Kapelle zeigt sich dem Beschauer unterhalb des Fensters in einer Nische, die durch eilt Marmorgeländer abgeschlossen ist, in liegender Stellung, in Stein gemeißelt und bemalt, die Gestalt eines Fürsten. Es ist die Ruhestätte des Stifters des Klosters Garsten. Die historisch unrichtige Inschrift oberhalb lautet: Hier rächet Ottocarus Marggraf im Landt Steyr, Stüffter des Clostcrs Garsten, und Elisabetha sein Ehegemahel ein Leibliche Schwester des heil. Leopold! Marggrafen in Österreich. Beede Todts verblichen umb das Jahr 1100. Die nächste Kapelle umschließt den Scapulier-Altar. In dieser Kapelle ist eine Statue der hl. Gottesmutter, von welcher der Chronist erzählt, dass sie 1565 auf dem sogenannten Ketzerfreithof von Anhängern Luthers zerspalten und verbrannt werden sollte. Das Holz widerstand aber den Axthieben und dem Feuer und aus Zorn darüber warfen sie die Statue in die Enns. Ans Ufer getrieben fanden dieselbe Katholiken und brachten sie nach Garsten zurück. Die Axthiebe, sowie die Kenn­ zeichen des Feuers sind heute noch an der Rückseite sichtbar. In der dritten Kapelle ist der Altar mit dem Bilde der hl. Kunigunde, wie sie in Gegenwart ihres Gemahls und des Hofstaates mit bloßen Füßen über die glühende Pflugschar schreitet. Unter diesem Altare ruhen die sterblichen Reste des im Jahre 1735 in Garsten verstorbenen Malers Reselfeld. Auf der andern Seite der Kirche (Epistelseite) gewahren wir, vom Hochaltare ausgehend, zuerst die Kapelle und den Altar des hl. Berthold, der als Abt dem Kloster Garsten vom Jahre 1110—1142 vorstand. In einer Nische unterhalb des Fensters, gleichfalls von rothem Marmor umschlossen wie das Grabmal Otakars, erhebt sich eine Steinbahre, auf welcher der Heilige in Stein, mit den äbtlichen Insignien bekleidet, ausgestreckt liegt. Das Epitaphium sagt: Hier ruhet der heil. Bertholdus, Erster Abt zu Garsten, ein Befreundter der Alten Fürsten und Marggrafen zu Oesterreich, dessen Heiligkeit Gott mit vielen Wunderzeichen erkläret und unter Anderen seinen Leichnam durch Engel zur Begräbnis tragen lassen anno 1142. In der folgenden Kapelle hat sich der Maler Joh. Andreas Wolf aus München in dem von ihm gemalten Bildnisse des sterbenden hl. Josef ein Denkmal gesetzt, und in der letzten Kapelle befindet sich der Altar der hl. Gertrud. Die Kirche sowohl als die Sacristei sind mit den herrlichsten Stuccaturarbeiten und Freskogemälden von

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