Anton Rolleder - Heimatkunde von Steyr 1894

20 die Gegenden unsers Bezirkes sind von den aufständischen Bauern überflutet. Sturm­ geläute ertönt, die Ansager üben ihr unheimlich Geschäft, Kugelstutzen, Hellebarden, Morgensterne, Äxte, Sensen und Spieße dienen den Bauern als Waffen. Bei Wesen­ ufer siegen sie über die Soldaten des Herzogs Adolf von Holstein, der 1400 Mann, Kanonen, Fahnen und anderes Kriegsgeräth verliert und entfliehen muss. Wels geht in Flammen auf; im Treffen bei Gschwendt finden an 1000 Bauern den Tod; bei Gmunden sammelt sich das Bauernheer, in der blutigen Schlacht bei Pinsdorf fallen 4000 Mann, deren Gebeine der sogenannte „Bauernhügel" deckt. Pappenheim, der Stiefsohn Herberstorfs, schlägt mit seinen Reitern das Bauernheer, die Rädelsführer werden nach Linz gebracht, wo die Hinrichtung derselben stattfindet. Im „wilden Moos" unweit Eferding sind die Leichen Fadingers und Zellers verscharrt. Roch zweimal zeigen sich Wallungen erregter Gemüther; Greimbl und Laimbauer schleudern den Zündstoff in die Menge; die Rebellen unterliegen, und die Anführer werden dem Gerichte überantwortet. 1637 stirbt Kaiser Ferdinand II., und Ferdinand III. führt die Gegenreformation ganz durch. „Die Wunden, welche diese, sowie die Kriege und Durchzüge der Truppen dem Wohlstände des Landes verilrsacht haben, heilen lange nicht. Handel und Industrie liegen darnieder und der Ackerbau befindet sich in einem traurigen Zustande. Der häufige Mangel an Lebensmitteln führt eine Hungersnoth herbei und verursacht ansteckende Krankheiten (Rothe Ruhr unb Pest)." 10. Tiirkemioth.*) Der österreichische Kaiserstaat hatte int Verlaufe der Jahrhunderte wiederholt die Einfälle der Türken und die damit verbitudenen Schrecknisse erleben müssen, und sogar einzelne Gegenden und Ortschaften unseres Bezirkes sind von türkischen Sengern und Brennern schwer heimgesucht worden. Dieses Volk, von gedrungenem Körperbau, mit fast kahlgeschnittenem Scheitel, unstet blickendem Auge, stark vortretenden Backen­ knochen, drang wuthschnaubend unter der Führung gehässiger und leidenschaftlicher Sultane, Veziere und Pascha über die Grenze Österreichs. Große Heerhaufen wälzten sich über die Ebenen Ungarns und Slavoniens, über die weiteren Thäler und die Verbindungswege größerer Ortschaften, während ausdauernde schnelle Reiter nach allen Richtungen voranrückten, unmenschliche Blut­ thaten und Frevel verübend. Der mohammedanischen Lehre ergeben und nach dem Glaubenssätze, dass jeder Mohammedaner verpflichtet sei, seine Religion mit Feuer und Schwert zu verbreiten, ivaren sie auf das Äußerste gegen die Christen ergrimmt, und jeder Anlass genügte, dte Kriegsfackel zu entzünden. Roth-, grün- und gelb­ seidene Fahnen, mit blinkendem Halbmond geziert, flatterten im Winde, bunte Turbane leuchteten in der Ferne, breite, krumme Säbel.schwangen die robusten Fäuste und lange, scharfe Lanzen blitzten im Sonnenglanze. ' Die Befehlshaber und Anführer tlmhüllten sich mit Prachtgewändern; ihre Zelte glichen fürstlichen Prunkgemächern, und ein türkisches Lager sah zuweilen so kilnterbunt atts, tote die modernen Auslage- kästen unserer Spielwarenhändler. Die Mannschaft war zäh und ausdauernd, tapfer und kaltblütig, unglaublich genügsam, so dass eine Handvoll Reis- oder Kukuruzkörner sie sättigte, während die Führer Mokka schlürften oder Tschibuk schmauchten. Jin Kampfe wild ivie Thiere, ohne Kenntnis von Völkerrecht und Sitte, auf­ gestachelt durch fanatische Zurufe, verheerten sie alles, was ihr Fuß betrat oder ihre Hand erreichen konnte. Kranke und Greise wurden ermordet, Männer, Frauen itnd Kinder gefangen genommen, an. Stricke gebunden und unter unsäglichen Leiden von Ort zu Ort geschleppt, bis sie endlich als Sclaven verkauft, einem qualvollen Leben überantwortet ivaren. ') Franz Karl: ,,Österreich und seine Geschicke."

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