Anton Rolleder - Heimatkunde von Steyr 1894

227 Unter den Häusern des oberen Burgfriedes ist die alte Papiermühle anzu­ führen, die schon seit 1550 int Betriebe und die älteste Oberösterreichs ist. Die Häuserreihe oberhalb des Stiftes führt den Namen Unterburgsried. Davon ist die unmittelbar im Stifte gelegene Volksschule, das vormalige Bräuhaus mit der Apotheke, die Kleinkinderbetvahranstalt und ein Hans merkwürdig, das ans einer alten Kirche des hl. Sigismund umgebaut tvvrden ist. Die Betvohner des Marktes gehören der Beschäftigung nach vielen Ständen an. Es sind da vertreten: die Beamten des k. k. Bezirksgerichtes, zwei Advoeaten, ein Notar, Post- und Telegraphenbeamte, ein Goldarbeiter, Photograph, Buchbinder, Chocolatenerzenger, Kaufleute, Krämer, Schneider, Schuster, Wirte, Fleischer, Schmiede, Brauer, Gerber, Sattler, Nagelschmiede, Spengler, Hntmacher, Binder, Wagner, Boten, Müller, Bäcker, Zuckerbäcker, Riemer, Tischler, Zimmerleute, Maurer, Friseure u. s. w. Die Mitglieder des Stiftes sind Gelehrte, Professoren und Seel­ sorger; ferner wohnen in Unterburgsried 4 Lehrer, ein Doctor, ein Apotheker. Die Bewohner der Landgemeinde sind vorwiegend Bauern, die wieder verschie­ dene Handwerker, lute Schuster, Schneider, Binder, Wagner, Schmiede in ihrer Mitte haben. Die Sprache ist dnrchgehends die deutsche. Der Landmann spricht seinen Dialeet. Dem Glaubensbekenntnisse nach bekennen sich alle Bewohner mit Aus­ nahme ciniflor Protestanten zur römisch- katholischen Kirche. Die Bevölkerung ist sehr religiös, gut und bieder und zeigt fast ausnahms­ los ein reges Bestreben, die durch die Volksschule und das k. k. Gymnasium gebotene Gelegenheit zur Heranbildung der Jugend gut zu benützen. Der segeu- bringende Einfluss, den das altehrwür- dige, berühmte Stift fort und fort ans die Cultur ausgeübt hat und noch aus­ übt, ist eben überall unverkennbar. Über die Gründung des Klosters Krems­ münster geht folgende Sage: Einmal loeilte zur Winterszeit Her­ zog Thassilo II-, der letzte Beherrscher des Baierlandes aus dem Geschlechte der Agilolfinger, int nahen Lorch. Günther, dessen Sohn, belustigte sich in unsrer wildreichen Gegend mit der Jagd. (Sin gewaltiger Eber, den der mnthige Jüngling mit vielem Eifer verfolgte, entfernte denselben von seinen Jagdgefährten und führte ihn in das tiefste Dunkel des ausgedehnten Waldes. Nahe dem Teiche, der jetzt noch der Gnnther-Teich genannt wird, erreichte der Jäger das geängstete Wild und durchbohrte es mit betn Jagdspeer; doch da dieser brach und jener stürzte, versetzte der wüthende Keiler mit grimmigem Zahlt dem Prinzen eine schwere Wunde am Fuß, an welcher dieser, aller Hilfe entblößt, verblutete und todt neben dem erlegten Thiere dahinsank. Vergeblich durchstreiften die besorgten Diener, nachdem sie lange bei einem benachbarten Hügel (Wartberg, jetzt das Centrum eines Pfarrbezirkes) der Rückkehr ihres Gebieters geharrt hatten, die loeite Wildnis und kehrten nun ohne denselben zurück. Indes fanden Boten des Herzogs, der Unglück ahnte, auf die Anzeige eines treuen Hundes die blutig entstellte Leiche des 15* Wappen des Stiftes Kremsmünster. Von K. Langer.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2