Anton Rolleder - Heimatkunde von Steyr 1894

106 Wie zur Übernahme der an Deutschland gelieferten Gewehre das Reich eine Commission, bestehend aus deutschen Officieren und Militärbeamten nach Steyr entsendete, so thaten dies auch die Franzosen wie jede der folgenden Kriegsmächte. Es bestellten in den nächsten Jahren die griechische, rumänische, persische, inontenegrinische, chine­ sische und chilenische Regierung Gewehre der verschiedensten Systeme in Steyr und ließen sie durch ihre Commissionen hier übernehmen. Die Kriegsmächte schienen nun mit Handfeuerwaffen ausgerüstet zu sein, und die Waffenfabrik erzeugte in den Jahren 1882 und 1883 elektrodynamische Maschinen und Lampen. Bis zum Jahre 1884 wurden in der Waffenfabrik in Steyr 2121000 Stück Gewehre verfertigt, außerdem 500000 Stück umgestaltet und einige Millionen Gewehrbestandtheile an verschiedene Regierungen geliefert. Da aber tut Jahre 1885 die portugiesische Regierung 54000 Gewehre, System Kropatschek mit 8 mm Kaliber bestellte und somit den Anfang zur Einführung von Gewehren kleinen Kalibers machte, so folgten bald die anderen Staaten nach, und schon 1888 benöthigte die Fabrik sämmtliche Räume zur Bewältigung der Gewehr­ lieferung und konnte mit der Erzeugung elektrischer Lampen nicht mehr fortfahren. Das Mannlicher Repetiergewehr wurde von Österreich - Ungarn, Deutschland und Bulgarien ange- nommen. Österreich-Ungarn über­ trug der österreichischen Waffen­ fabrik die Erzeugung sämmtlicher Gewehre und Carabiner zur Aus­ rüstung der gemeinsamen Armee, Landwehr und Honveds. Die deutsche Regierung be­ stellte 250000 Gewehre, die säch­ sische Militärverwaltung 56000 und die bulgarische Regierung 110000 Gewehre und 6000 Cara­ biner. Zur Bewältigung dieser in kürzester Frist auszuführenden Auf­ träge waren außerordentliche Be­ triebsmittel nothwendig; die Zahl der Arbeitsmaschinen wurde von 1785 auf 4580 erhöht und 2116 Das Atchetschlöfsel. Bon F. ftiilftrimf. Pferdekraft zum Betriebe derselben verwendet. Die Arbeiterzahl stieg von 2232 ans 9700 Mann. In dem Zeitraume von 1887 bis 1892 wurden in der Fabrik 1082324 Gewehre und 1122400 Gewehrbestandtheile hergestellt. Einen herben Verlust aber erlitt die Gesellschaft, indem am 28. April 1889 die Seele der Unternehntung, der Generaldirector Herr Josef Werndl, die Augen für immer schloss. Den Herzen der Steyrer wird dieser thatkräftige, zielbewusste Mann, der neben seiner imponierenden Energie ein Wohlthäter und Vater seiner Arbeiter war, niemals sterben und die Stadt ihm ein ewiges, dankbares Andenken bewahren. Von seinem und seines Bruders Ludwig Wohlthätigkeitssinne zeigen mehrere Stiftungen: die Josef Werndl'sche Stiftung (100000 fl.) für unterstützungsbedürftige Arbeiter der österreichischen Waffenfabrik, deren Witwen und Waisen, die Josef und Ludwig Werndl'sche Stiftung (40000 fl.) für verarmte Arbeiter der Waffenfabrik und deren Frauen, die Ludwig Werndl'sche Stiftung (10000 fl.) für verarmte Waisen und die Ludwig Werndl'sche Stiftung <10000 fl.) für verarmte Bürger und Bürgers­ witwen. Die Josef Werndl'schen Erben stifteten 5000 fl. zur Unterstützung von Vereinsmitgliedern der allgemeinen Arbeiter-Kranken- und Unterstützungscasse und die Erben des verstorbenen Verwaltungsrathes Georg Ritter von Aichinger zum gleichen Zlvecke 2000 fl.

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