Anton Rolleder - Heimatkunde von Steyr 1894

195 schiedener Regimenter genommene Knaben eintraten und hier unter einem Artillerie- Hauptmann sechs Jahre lernten, worauf ein Theil zu den Regimentern, einer in die Fabriken und ein anderer in die Zeughäuser kam. Sie verfertigten Musketen (die erste Arbeit in den Hämmern ausgenommen). Es arbeiteten dort auch andere Büchsen­ machergesellen, die einen täglichen Sold, Brot und Bekleidung bekamen. Dieses Institut wurde 1824 aufgehoben, aber die Kanzlei für die k. k. Armaturs-Arbeiten verblieb dort bis 1836. Nebstbei waren auch fünf Armaturs-Arbeiter mit der Verfertigung von Bajonetten, Säbeln und was zu den Gewehren nöthig war, beschäftigt. Es waren dies in Steyr ansässige bürgerliche Meister, die dem k. k. Hofe auf Commission arbeiteten. Die fabriksmäßige Herstellung ganzer Gewehre wurde in Steyr nicht geübt, da die Militär - Gewehre fast ausschließlich theils durch die alte ärarische Gewehrfabrik in Wien, theils durch die vielen Gewehrfabrikanten in Wien, Prag und Ferlach hergestellt wurden. Der bedeutendste unter den Steyrer Waffentheile - Fabrikanten war um 1840 Leopold Werndl, welcher schon 1830 angefangen hatte, Gewehrgarnitur-Bestandtheile zu erzeugen. Er erwarb die bedeutende Wasserkraft in Letten an der Steyr, richtete dort mehrere Objecte ein und erzeugte gegen Ende der vierziger Jahre Infanterie- gewehr- und Stutzenläufe, stählerne Ladestöcke, Lanzen - Spitzen und -Schuhe, Gewehr­ ringe, Griffe, Kolbenkappen, Bajonette und Faschiuenmesser, sowie Gewehr-Requisiten. Durchschnittlich beschäftigte er 450 Arbeiter. Nach dem Tode desselben 1855 wurden die Werke von seinem Sohn Josef Werndl weitergeführt. Dieser brachte die Fabrik auf eine nie gedachte Höhe, so dass sie die gefährlichste Concurrentin aller ähnlichen Unternehmungen wurde. Josef Werndl war vor allem darauf bedacht, die kostspielige Handarbeit womöglich durch Maschinenarbeit zu ersetzen, was ihm auch gelang. Er reiste nach Amerika und sammelte in den dortigen Gewehrfabriken viele Kenntnisse, welche er zur Umge­ staltung seiner eigenen Fabrik in Steyr verwertete. Als nach den Kämpfen des Jahres 1866 allgemein Hinterlader verlangt wurden, construierte auch Werndl gemeinsam mit dem Werkmeister Karl Holub ein Modell, welches im Jahre 1868 als Armeegewehr (Modell 1867) im österreichischen und ungarqchen Heere eingeführt ivurde. Damals wurden auch die Vorderladergewehre nach System Wänzl umge­ staltet und in der Fabrik circa 80000 Gewehre transformiert. Zugleich lieferte Werndl an Frankreich, welches die Chassepot - Gewehre einführte, Hunderttausende von Gewehrläufen, Verschlussgehäusen u. dgl. Infolge der Neubewaffnung der österreichisch-ungarischen Armee erhielt die Fabrik so viele Aufträge, dass die Räume zu klein wurden. Sechs neue Objecte wurden nun hergestellt, mehrere Zubauten gemacht, Dampfmaschinen und Locomobilen angeschafft. Die Leistungsfähigkeit der Fabrik stieg auf 5000 Gewehre pro Woche. — Im Jahre 1869 wurde die Waffen­ fabrik in eine Actiengesellschaft mit dem Namen „österreichische Waffenfabriks- Gesellschaft" umgewandelt und Josef Werndl übernahm die Leitung derselben als Generaldirector. Nachdem vom jetzigen Director Anton Spitalsky und dem früheren Director Karl Holub eine Verbesserung des Werndlgewehres ausgeführt wurde, welche, die österreichische Kriegsverwaltung als Modell 1873 genehmigte, so ver­ minderte sich die Arbeit keineswegs. Im Gegentheil, dem unermüdlichen General- Director gelang es, die kaiserlich deutsche Kriegsverwaltung auf die Steyrer Waffen­ fabrik aufmerksam zu machen, welche die Fabrik mit der Lieferung von einer halben Million Mausergewehren, Bestandtheilen u. s. w. betraute, was auch binnen zwei ein halb Jahren ausgeführt wurde. Die Production stieg auf 8000 Stück pro Woche. Nach Beendigung der Lieferung an Deutschland wurde in der Fabrik an Gewehr­ verschlüssen, Degenbajouetten mit Stahlscheiden für Frankreich gearbeitet. Bald darauf wurde von diesem Reiche ein von der österreichischen Wasfenfabriks - Gesellschaft vorgelegtes Repetiergewehr-Modell, System Kropatschek mit Gras-Verschluss (Modell 1878) für die französischen Marinetruppen angenommen und 25000 Stück bestellt. 13*

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