Anton Rolleder - Heimatkunde von Steyr 1894

174 Haus der Knaben vom Regimente Langlois (später Großherzog von Baden). 1846 wurde das interessante, dreigiebelige Haus demoliert und am 16. September 1847 durch Erzherzog Franz Karl der Grundstein zum gegenwärtigen Gebäude gelegt. Das frühere k. k. Kreisamt für den Traunkreis, welches 35 Districts-Com- missariate unter sich hatte und 1783 von Trauneck nach Steyr verlegt wurde, war in dem von Schönthan'schen einst Erbischen Hause untergebracht gewesen. Erster Kreishauptmann war Franz von Sonnensteiu. Eines der schönsten Gebäude am Platze ist das Rath haus der Stadt Steyr. — Herzog Albrecht V. von Österreich bewilligte im Jahre 1422 seinen getreuen Bürgern von Steyr, ein Rathhaus zu erbauen, in demselben Fleisch- und Brotbänke zu er­ richten und die Abgaben von denselben zum Besten der Stadt zu verwenden. Sie erkauften dazu das Haus Nr. 29 des Bürgers Heinrich Randolph neben dem jetzigen Rathhause, richteten es ein und renovierten es 1538. — Im Jahre 1572 stürzten durch das Hochwasser die Mauern an der Enns, die zwei oberen Thore, die Thürme an der Enns und der hintere Theil des Rathhauses mit den Fleischbänken eilt. Alles wurde wieder hergestellt und das dazu nöthige Eichenholz in Aichet gefüllt. - 1679 wurde der Stadt von der Eisengewerkschaft die kleine Eisenkammer oder Pfund- wage sammt dem Gewinn und Verleihungsrechte überlassen und im Rathhause untergebracht. Das jetzige Rathhaus (Nr. 27) wurde von der Gemeinde 1765 bis 1778 unter Leitung des Anton Mayrhofer, Gastgebers und Stadtkämmerers, erbaut. Der vordere Theil mit dem Thurme wurde 1771, der hintere Theil, wo früher bis 1754 unten die Fleischbänke waren (daher der 'liante „unter den Tischen"), sammt dem Archive 1778 vollendet. Bei der Renovierung vom Jahre 1841 wurde der Brotladen rechts vom Eingänge entfernt. Sehenswert im Rathhause ist der große Sitzungssaal mit 14 Porträts fürstlicher Personen und Wohlthäter der Stadt und einer steinernen Tafel mit den Versen: Richter Schau dass Du richst recht Gott ist Richter und Du sein Knecht. Dann gleich wie Du thust richten mich Also wird Gott auch Richten Dich. 16 — 12. endlich eine in Silber getriebene Ansicht der Stadt im 16. Jahrhundert von Wolf­ gang Hauser. Im Archive liegen zahlreiche Urkunden und Aufzeichnungen, das große Schivert, ivelches einst dem Stadtrichter nach seiner Wahl und Bestätigung in einem feierlichen Zuge in seine Wohnung gebracht und bei Verlesung eines Urtheiles vor­ getragen wurde; auch der alte Bannrichterstab mit einem silbernen, durchbrochenen Griffe, den er bei Ablesung des Urtheiles in der Hand hatte, ist noch vorhanden; ferner sind sechs Zinnkrüge, groß und von sonderbarer Form aus alter Zeit, wo es Sitte war, bei bürgerlichen Hochzeiten auf dem Rathhause den erstm Tanz zu machen, die Stadtthürmer zum Blasen zu gebrauchen und den Ehrentr .k zu thun, hier zu sehen nebst verschiedenen alten Fahnen und Waffen. Weiter ist zu erivähnen das Haus 9ir. 39, welches einst dem unglücklichen Wolfgang Madlseder, Stadtrichter von Steyr, gehörte, der seine Theilnahme am Bauernaufstände von 1626 mit einem qualvollen Tode büßen musste. Dasselbe Haus wird durch eine Gedenktafel als das Geburtshaus eines der berühmtesten Söhne Steyrs, des Jakob Ferdinand Redtenbacher, bezeichnet und Redtenbacherhaus genannt. — Jakob Ferdinand Redtenbacher wurde hier am 25. Juli 1809 als Sohn eines wohlhabenden Bürgers und Eisenhändlers geboren, studierte 1825—29 in Wien am polytechnischen Institute und an der Universität, ward an der ersteren Anstalt Assistent, 1834 Professor der Mathematik und des geometrischen Zeichnens an der höheren Industrieschule in Zürich und wandte sich hier ausschließlich dem Maschinenwesen zu, für welches er in den Werkstätten von Escher - Wyss eingehende

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