Anton Rolleder - Heimatkunde von Steyr 1894

170 mächtiger Festungsgraben, der im Laufe der Zeit mit Schutt und Erde vollgefüllt wurde. Jetzt erheben sich da hübsche Parkanlagen, geräumige Wohnhäuser und ein Volks- ititb Bürgerschulgebäude. Auch ein luftiges, modernes Schloss, „Voglsang", welches im Jahre 1884 die Glanzobjecte der in Steyr veranstalteten elektrischen Ausstellung barg, erglänzt im Sonnenlichte. Dieser ganze Stadttheil führt den Namen Voglsang. An Voglsang reiht sich der Stadttheil Reichenschwall an, der wieder die Garsten-, Marie Valerie-Straße und den Karl Ludwig-Platz enthält. Auf letzterem werden die sogenannten Steyrer Märkte abgehalten. Jetzt will man darauf eine den modernen Anforderungen entsprechende Jndustriehalle erbauen und vor derselben das Monument für den Schöpfer der Steyrer Waffenfabrik, Josef Werndl, errichten. Auch soll in der Nähe eine Turnhalle erstehen. In der Marie Valerie-Straße, der jüngsten der Stadt, erstehen alljährlich hübsche Villen mit wohlgepflegten Gärten, welche den Kunstsinn und Reichthum der Besitzer bekunden und das Auge des Durchwandernden entzücken. Ende der Garsten- Stkaße ragen die Schlote der Reithoferschen Gummiwarenfabrik empor. An den Karl Ludwigs-Platz reiht sich das Schlösschen Engelseck. Von hier aus überschaut man die anderen Theile Steyrs. Welch neues Bild! Hier befindet sich der Sitz der regsten industriellen Thätig­ keit, welche den Namen der Stadt weit über die Grenzen der Monarchie berühmt ge­ macht hat. Schlote, schier ohne Zahl, leiten den Rauch in die Wolken, mächtige Ge­ bäude füllen die Plätze, da­ zwischen strömt — oftmals überbrückt oder mittelst Weh­ ren gestaut — die Steyr in großen und kleinen Wasser­ adern, um die großartigen Maschinen zu treiben oder Schloss «naclscck. «o» F. Knlstrimk. j)|e Dampfkessel zu füllen. Lange, gerade Straßen, ge­ bildet von Häusern mit wohlgepflegten Gärtchen davor, sind angelegt worden, wo es der Platz erlaubte. Sie gehören alle zu den Werken der österreichischen Waffenfabriks-Gesellschaft, welche hier den Sitz ihrer Thätigkeit aufgeschlagen hat. Wenn dieser Industriezweig grünt, so herrscht hier gar reges Leben. Viej tausend geschäftige Arbeiter rühren die fleißigen Hände. Dann schnauben die Maschinen, rauschen die Wasser, pochen die Hämmer, ititb weithin erschallen die Schüsse der zu erprobenden Gewehre. Aus viel tausend Fenstern erstrahlen abends die elektrischen Flammen, und der ganze Stadttheil gewährt einen feenhaften Anblick. Aber noch viele andere Gebäude stehen hier, von dem Mündungspunkte der Flüsse angefangen gegen die sogenannte „bucklige Wiese" zu den Dachsberg hinan; die Mauern aller dieser Häuser bergen ebenfalls gewerbefleißige Bewohner. Auf der anschließenden Hochfläche, Tabor genannt, hat man in drei abgesonderten Gärten die zur ewigen Ruhe Eingegangenen gebettet: Katholiken, Protestanten und Israeliten. Den Abschluss auf dieser Höhe bildet ein kapellenartiges Gebäude, der Taborthurm, ein Überrest ehemaliger Festungsbauten, in welchem ein Feuerwächter sein „beschauliches" Leben verbringt. Jenseits des Tabor liegt eine hübsche, neu erbaute und den modernen Anforderungen entsprechende Infanterie-Kaserne. Wendet der Beschauer seinen Blick vom Tabor ivieder zurück nach Westen, so fallen ihm noch einige größere Neubauten auf. Es erheben sich da: das neue Armenhaus, das

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