Anton Rolleder - Heimatkunde von Steyr 1894

168 Pflege; auch Spenden und Unterstützungen flössen öffentlich und im Geheimen fast unerschöpflich; die Bürgergarde hat, vom Turnvereine wesentlich unterstützt, monate­ lang und freiwillig die Außenwache beim Strafhause in Garsten besorgt, nachdem das Militär abberufen worden war. Die Niederlage unserer Nordarmee war zunächst dem besseren Gewehre der Preußen zuzuschreiben; die österreichische Heeresverwaltung acceptierte dann 1867 einen neu erfundenen Hinterlader, das „Werndlgewehr", welches den Namen des Erfinders und den Ruf der Fabrik in die iveite Welt trug und für die Stadt Steyr von unberechenbarem Vortheil ivurde, umsomehr, als infolge großer in- und aus­ ländischer Bestellungen durch die Erweiterung der Waffenfabrik Tausenden Unterhalt und Verdienst geboten ivurde in Zeiten, als wegen übermächtiger Concurrenz und erneuter Maschinenthätigkeit die hiesige Eisenindustrie sehr darniederlag. — Herr Josef Werndl hat mit umfassender Sachkenntnis und ungewöhnlicher Energie das Etablissement auf den Gipfel größtmöglichster Vollkommenheit und Leistungsfähigkeit gebracht; dasselbe ist im Jahre 1869 an eine Actiengesellschast übergegangen, deren Generaldirector .er bis zu seinem am 29. April 1889 erfolgten Tode verblieb. Steyr lag aber infolge früher geschehener selbstsüchtiger Umtriebe einzelner noch immer abfeit des Schienenweges, weswegen man, jene Fehler verbessernd, den Bau der Kronprinz-Rudolf-Bahn durchführte. 1867 ivurde die Stecke Steyr-Valentin und 1869 die Strecke Steyr-Rottenmann dem Verkehr übergeben, und es zeigte sich bald der Nutzen und der Aufschwung, ivelchem Steyr dadurch für alle Zukunft ent- gegengesührt worden war. Die Bevölkerungsziffer hat sich seitdem verdoppelt, was zahlreiche Neubauten, Straßenanlagen und sogar zweimaliges Hinausrücken der Stadtgrenze erforderte. Gleichen Schritt 'hielt auch die Pflege geistiger Cultur; nachdem Steyr das Reichsvolksschulgesetz vom 14. Mai 1869 freudigst begrüßt hatte, wurden die Volksschulen vermehrt, zwei Bürgerschulen eröffnet und seither die Classen aller dieser Anstalten verdoppelt. Als zweitgrößte Stadt des Landes ist Steyr im Besitze einer k. k. Staatsoberrealschule, einer k. k. Fachschule und Versuchsanstalt für Eisen- und Stahlindustrie, einer commerziellen und einer gewerblichen Fort­ bildungsschule. Die hiesige Sparcasse weist soeben das Casse-Revierement vom Jahre 1891 aus im Betrage von 16,580.926 fl. 50 5 kr., und der Gesammtgeld- verkehr seit ihrer Eröffnung (1857) beträgt 235,791.689 fl. 69 kr. Die freiwilligen Feuerwehren der Stadt und der Waffenfabrik sind die best ausgerüsteten und bestgeschulten des Landes, und noch viele andere humanitäre und gemeinnützige Vereine und Anstalten walten zum Wohle der Mitbürger. So konnte die Stadt Steyr im Jahre 1880 in Anwesenheit des geliebten Kaisers das 900 jährige Jubiläum ihres Bestandes in glanzvollster Weise begehen und vier Jahre später unter dem Protectorate Sr. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Karl Ludwig jene, jedem Steyrer unvergessliche Prachtausstellung veranstalten, welche die Verwendung der reichen Wasserkräfte Steyrs zu Zwecken der elektrischen Beleuchtung und der elektrischen Kraftübertragung zeigte, ein Bild des hohen Standes der ober­ österreichischen Industrie und Forstcultur und den Reichthum an kunst- und cultur- historischen Schätzen vor Augen führte. Steyr erhielt sich nun auf der betretenen Bahn des Fortschrittes; durch bedeutende finanzielle Opfer der Stadtgemeinde, der Waffenfabrik und der Bevölkerung wurde der Bau der Steyrthalbahn ermöglicht und dadurch ein entlegenes industriereiches Gebiet unsern Gemarkungen näher gerückt. Am 19. August 1889 fand die Eröffnung Garsten - Grünburg statt, im folgenden Jahre wurde sie bis Agonitz weitergeführt und am 2. December 1891 der Flügel Pergern-Bad Hall dem Verkehr übergeben. Der Erbauung einer Musterkaserne verdankt Steyr eine ständige Garnison, und den gegenwärtig günstigen Geschäftsgang in allen Zweigen benützt sie zur Be­ seitigung verkehrstörender Objecte, zur Herstellung schöner Pflasterung und Canalisierung, zur Erbauung neuer Häuser und eiserner Brücken, was von richtiger Erkenntnis der Sachlage und von gediegenem Geschmacke des gegenwärtigen Gemeinderathes

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