Anton Rolleder - Heimatkunde von Steyr 1894

113 römischen Ursprunges sei. Möglich, dass die Römer hier schon eine Station hatten, denn die Gegend war ihnen wohlbekannt, auch kreuzten sich hier die von Lorch nach Admont und von Haag nach Kremsmünster führenden Römerwege. In mehreren alten Heldensagen wird der Ursprung und die Erbauung der Burg Steyr mit Etzel (Attila), König der Hunnen, in Verbindung gebracht, so in dem Heldengedichte Piterolf. Der gleichnamige Held des Gedichtes war demselben zufolge ein Westgothe und König zu Toledo in Spanien, seine Gemahlin hieß Dietlinde, sein Sohn Dietleib. Er verließ beide und zog an den berühmten Hos Etzels, ihn kennen zu lernen, wo er jedoch unerkannt blieb und sich durch seine Tapferkeit auszeichnete. Sein Sohn wollte ihn aufsuchen, entfloh heimlich seiner Mutter und erschien auch am Hofe Etzels, wo der Markgraf Rüdiger von Pechlarn das Erkennen zwischen Vater und Sohn vermittelte. Sie zogen nun mitsammen und mit anderen Helden Etzels gegen Worms, kämpften dort als die Tapfersten und begaben sich wieder zurück in die Etzelburg, wo alle sehr freundlich empfangen und reich belohnt wurden. Piterolf erhielt das Steyerland, tvelches früher Etzels Sohn Nurdung besessen hatte, als Eigenthum. Dieses war das schönste Jagdland, reich an Weiden und Wald, Getreide, Wein, Salz und Fischen, selbst Gold und Silber in seinem Innern bergend; viele Ritter und Dienstmannen wohnten in demselben. „Darnach in kurzer Stunde bauen begunde Der Held viel lobebäre Steir die Burg märe, Die seit viel weitem wird erkannt, darnach die March ward genannt." Nach Vollendung der Burg zogen Piterolf und Dietleib nach Spanien, um Dietlinde abzuholen, und kehrten dann mit ihr und vielen Rittern nach Steyr zurück. Nach einem anderen Gedichte „Laurin oder der kleine Rosengarten" erlebte Piterolf ein sonderbares Abenteuer zu Steyr. Seine schöne Tochter Similde gieng eines Tages aus der Burg unter die große schattige Linde, um zu schauen gegen die grünen Auen, welche so lieblich den Steierfluss schmücken. Ihr Bruder Dietleib und drei Grafen umstanden sie — da verschwand plötzlich die schöne Maid. Laurin, der König der Zwerge, hatte sie erblickt, Liebe zu ihr gefasst und nun durch seine Zauberkraft, von seiner Tarn- oder Nebelkappe unsichtbar gemacht, dieselbe aus der Mitte ihrer Umgebung entführt und nach Tirol gebracht. Nach vielen gewaltigen und gefährlichen Kümpfen wurde Laurin von Dietleib und mehreren Rittern gefangen und Similde befreit. Similde kehrte mit Dietleib nach Steyr zurück, wo sie ihr Vater Piterolf sehnsüchtig eroartete und unter der großen Linde begrüßte. So die Sage, die des historischen Grundes entbehrt. Dieser die Umgebung so Vortheilhaft beherrschende Punkt, aus den: Schloss Steyr steht, dürfte wohl manchmal Schutz geboten haben in jenen Zeiten, als deutsche Völkerschaften gegen den römischen Süden vorzudringen wagten, tote auch dann, als die Avaren plündernd nahten und über die Enns setzten, als die Slaven in unseren Gegenden sich sesshaft ztt machen trachteten und die Ungarn im Jahre 907 Ludwig das Kind, den Sohit und Nachfolger des ersten deutschen Wahlkönigs, Arnulf von Kärnten, an der Enns schlugen und zur Flucht zwangen. Es ist wohl mehr als wahrscheinlich, dass auf dem Schlossberge im 10. Jahr­ hundert ein fester Thurm aus Holz und mit Pallisaden umgeben als Beobach­ tungsposten gegen die nun beinahe jährlich von der Tiefebene an der Donau heraufschwürmenden Ungarn errichtet mürbe, aus welchem dann eine wirkliche Burg wurde, die den Grafen von Wels und Lambach, den Traungaueru, gehörte, deren Besitz bis an die Steyr und Enns reichte. Urkundlich wird „Stirapurhc" das erstemal um 985 von dem int Helden­ gedichte der Nibelungen verherrlichten Bischöfe Piligrim von Passau genannt, als er auf der Synode zu Mistelbach bei Wels jene Orte feststellte, die ihren Zehent zur Hauptkirche in Sierning abzuliefern hatten. Es wird nicht gegen die Wahrheit 8

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