Anton Rolleder - Heimatkunde von Steyr 1894

97 die Waldenser (Lollharden, fälschlich auch Adamiten genannt), eine Secte, die im 12. Jahrhundert in Italien und Südfrankreich sehr zahlreich >var, in unser Land. In unserem Bezirke ivaren ihre Anhänger besonders zahlreich in den Orten Steyr, Sierning, Wolfern, Kematen, Neuhosen und Weißkirchen. Bischof Bernhard von Passau (1285—1313) und der Erzbischof von Salzburg traten in Verbindung mit Kaiser Friedrich III., um denselben entgegenzutreten. Es wurden Inquisitoren gesandt, die in Steyr ihren Hauptsitz hatten und ihres Amtes mit Strenge walteten. Die Zahl der im Jahre 1311 zum Feuertode Verurtheilten ist nicht bekannt, viele wurden zur Buße d. h. zum ewigen Kerker begnadigt und diejenigen, welche sich zum katholischen Glauben bekannten, wurden am Oberkleide durch ein Kreuz aus Tuch gekennzeichnet, damit jeder sie erkennen und sich vor ihnen hüten konnte. Um die weitere Ausbreitung der Secte, deren Anhänger im Jahre 1315 den Pfarrer von Kematen ermordet hatten, zu hindern, gieng man an die Errichtung mehrerer Pfarren. Von Pfarren waren aus alter Zeit vorhanden Kremsmünster (777), Neu­ hofen (888), Sierning (985), Garsten (1090), Warwerg (1083), Dietach (1088), Kirchberg (1100), Gleink (1125), Gaflenz (1140), Pfarrkirchen (1173), Weißkirchen, Nied, Kematen (1179), Sipbachzell (1200?), Pucking (1289). Nun scheinen auf: Ternberg (1309), Wolfern und Aschach (1318), Großraming und Neustift (um 1330), Losenstein (1339) und St. Marien (1350). Doch tauchten später tvieder neue Anhänger der Secte der Waldenser auf, bis Herzog Albrecht III. im Jahre 1395 Angriff. Petrus, der Provincial des Ordens der Cölestiner in Deutschland, wurde zum Inquisitor über die Waldenser bestellt und schlug in Steyr mit mehreren Gehilfen seinen Sitz ans. Mehr als tausend, Männer und Weiber, standen vor seinem Nichterstuhl, so dass das Volk sich empörte und gc- waltthätig anstrat. Im genannten Jahre zündeten sie die Scheuer des Pfarrers zu Steyr an, iveil er den Inquisitor beherbergte. An den Thoren der Stadt hefteten sie ein verbranntes Holz mit einem blutigen, hölzernen Messer an, um anzuzeigen, dass sie mit Mord und Brand ihren Glauben vertheidigen tvollten. Im folgenden Jahre verbrannten sie den Priester Johann, Vicar in Wolfern, mit seinen Leuten und dem Psarrhofe. Im Jahre 1397 zündeten sie neuerdings den Pfarrhos zu Wolfern an und wollten auch den damaligen Vicar Jakob mit den Seinen verbrennen, allein er entgieng ihnen und die Anstifter wurden gefangen. Die Verhandlung gegen die Waldenser wurde 1397 abgeschlossen, das Urtheil bekannt gemacht und vollzogen. Von den Ärgsten ivurden mehr als 100 in einem kleinen Thäte zwischen Garsten und Steyr, damals Vrägsen- oder Früxen- jetzt Kraxenthal genannt, öffentlich und lebendig verbrannt und ihre Asche am Ketzerfreithof bei Pyrach begraben. Die Lehren der Waldenser sollen sich wenig von denen der späteren Protestanten unterschieden haben. Eine große Veränderung in religiöser und kirchlicher Hinsicht entstand im 10. Jahrhundert durch die Kirchenspaltung oder Reformation. Martin Luthers Lehren fanden binnen kürzester Zeit zahlreiche Anhänger unter dem Adel, unter dem Bürger­ und Bauernstande, und die Protestanten gewannen bald, trotz aller Maßregeln, die gegen sie ergriffen ivurden, das Übergewicht über die Katholiken. Der protestantische Adel übte auf seinen Gütern das Recht aus, die Religion seiner Unterthanen zu bestimmen und besetzte seine Patronatspfarren mit protestantischen Predigern, welche mit fanatischem Eifer gegen die Katholiken, gegen das Papstthum, gegen das Mess- opfer, gegen das Klosterwesen u. s. w. eiferten und alle Mittel aufboten, um dem Protestantismus Anhänger zu gewinnen. Solche Prediger oder Prüdicanten, ivie man sie nannte, ivaren im Bezirke in den Schlössern Losensteinleiten, Stadelkirchen, Weißenberg, Gschwendt und Mühlgrub thätig. Die Anhänger des alten Glaubens sahen anfangs unthätig dem Eindringen der neuen Lehre zu, ja die katholische Geistlichkeit befreundete sich vielfach mit der­ selben und viele Pfarrer traten zu der neuen Kirche über. Viele Pfarren blieben aus Mangel an katholischen Geistlichen unbesetzt oder fielen in die Hände der Prote- 7

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