Anton Rolleder - Heimatkunde von Steyr 1894

95 durch Verheißungen und Qualen ihn von seinem Glauben abzubringen, allein Florian ließ sich nicht wankend machen, weswegen er in die Enns gestürzt wurde uud iit den Fluten derselben seinen Tod fand. Eine neue Periode für das Christen- thum begann, als der römische Kaiser Constantin b. Gr. (324—337) den Christen volle Gleichberechtigung mit den Anhängern der alten heidnischen Religion gewährte. Nun entwickelte sich ein reges kirchliches Leben, überall bildeten sich Christengemeinden, welche ihre Kirchen und Seelsorger hatten. Kurz vor dem Beginn der Völker­ wanderung wirkte in unseren Gegenden der hl. Severin, der um 480 nach Nieder­ österreich zog und dort starb. Nach seinem Tode fielen Städte, Burgen und christliche Kirchen in Trümmer, und auf ihren Ruinen standen wieder die Bilder des Heidenthums und die Tempel der eingewanderten heidnischen Baiern. Als obersten Gott verehrten alle deutschen Stämme den Wodan, den Ordner der Kriege und Schlachten, den Lenker der Welt; seine Gemahlin ivar Frigga, die Göttin der Ehe. Die Göttin der Liebe war Freija, au deren Cultus der Freitag erinnert. Tin, bei den Baiern Gor oder Er genannt, ivar der Gott des Sieges. Von ihm hat der Dienstag, der Tiustag, oder ivie ihn das Volk noch heute nennt der Erlag, den Namen. Donar, der Gott des Donners, ivurde auf Hügeln und Bergen verehrt. Ihm ivar der Donnerstag geheiligt. Ostara ivar die Göttin des aufsteigenden Lichtes, wovon das Wort Ostern abgeleitet ist. Frau Holle oder Berchta, die Glänzende, führte die Oberaufsicht über den Feldbau und die Ordnung im Haushalte, über Spinnen und Weben der deutschen Frauen. An sie erinnern noch zahlreiche Sagen und Gebräuche. Ferner wurden eine Menge niederer göttlicher Wesen, die Hausgeister, welche unter dem Naineu Husinge und Kobolde erschienen, Wasser- und Berggeister verehrt. Weit verbreitet ist die Sage vom „wüthenden Heere", das schon durch seinen Namen an Wodan uud sein Heer erinnert, welche bei dem Heulen des Sturmwindes, vorzüglich in den zwölf Nächten von Weihnachten bis zum Dreikönigsfeste, durch die Lüfte ziehen. Der kriegerische Sinn der alten Deutschen dachte sich die ungeivisse Zukunft nach dem Tode als die glänzende Erneuerung des irdischen Heldenlebens in Götter- gemcinschaft. Die auf dem Schlachtfelde Gefallenen werden von den Walküren, dem höchsten Gott dienende Jungfrauen, in die Walhalla geführt, wo sie unter den Göttern beim Gastmahle sitzen. Daher die große Kriegslust der Deutschen uud die hohe Todesverachtung derselben; die feigen uud nicht im Kampfe gestorbenen Männer und Frauen kommen zur Todesgöttin Hel, die im kalten Nebel- und Schattenlande wohnt. Der Aufenthalt bei ihr ist traurig und freudenleer, aber man hat keine Qual oder Strafe zu leiden (Hel bei Garsten). Die Deutschen verehrten ihre Götter gewöhnlich in heiligen Wäldern unter freiem Himmel, bei großen Eichen, wo ihre Altäre standen, Opfer dargebracht, Gericht und Versammlung gehalten wurde. Die Opfer bestanden in Thieren verschiedener Art; es tvurden Pferde, Rinder, Widder, Böcke, Eber dargebracht; aber auch Menschen wurden Wodan geopfert, wobei man die Götterbilder und heiligen Bäume bekränzte. Auch durch gemeinschaftliches Trinken des Bieres verehrten sie die Götter. Den Cultus besorgten die Priester und Priesterinnen, tvelche den heiligen Hainen, Altären und Tempeln vorstanden, >vo sie die Siegesdeukmale und Feldzeichen aufbewahrten, welche sie auch in die Schlachten mittrugen. Die Frauen und Jungfrauen standen bei den Deutschen in hoher Achtung, ihr tiefer religiöser Sinn uud ihr Gemüth, womit sie an den Göttern hiengeu, führte dieselben zur Ansicht, dass etwas Höheres in ihnen wohne, und dass sie besonders die Gabe der Voraussicht und Weissagung besitzen. Es war auch bei den Deutschen überhaupt mehr sittlicher Ernst, als es bei vielen kultivierten Völkern damals der Fall war. Aber eben diese moralische Kraft und manche erhabenen, ivenn auch mit Mythen und Irrthümern vermischten Lehren und Ansichten des deutschen Heidenthums bahnten leichter den Weg zum Christenthume, dessen sittlicher

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