Hermann Riewel - Die Stadtpfarrkirche zu Steyer in Ober-Oesterreich

DIE STADTPFARRKIRCHE ZU STEYER IN OBER-OESTERREICH, AUFGENOMMEN UND BESUURlEBEN VON H. RIEWEL. Am westlichen Ende der alten Stadt Steyer, wo die Ufer der Steyer und Enns zu einem hohen Plateau ansteigen, erbebt sich das imposante Bauwerk der in der ersten Hälfte des XV. Jahr- hunderts gegründeten Pfarrkirche, dem heiligen Aegydius und Colomanus geweiht 1 ). Aus der vom Chorherrn F. X. Pr i t z verfassten Geschichte der Stadt Steyer 2 ) erfahren wir, dass auf derselben Stelle, wo jetzt die Pfarrkirche steht, schon früher eine alte Kirche bestanden habe, deren Gründung somit in die romanische Epoche fallen müsste. Die Zeit von Mitte des XIV. bis Mitte des XV. Jahrhunderts kann als die Blüthezeit der Wie- ner Bauhütte bei St. Stephan angesehen werden 3 ); diese übte selbstverständlich einen grossen Einfluss auf die meisten Kirchenbauten der mittleren Donauländer jener Zeit, Einen hiefür neuen und auffallenden Beweis liefert uns wieder die Kirche in Stcyer. Beim ersten Blick auf den Grundriss (Fig. 1) fällt die Aualog-ie mit dem deH St. 8t.eplia11Rdomes 4 ) auf (R. 'rafel T. Fig. 1). Wir finden bei beiden Grnndrissen, 1) IJ11lll'r di1 ·HPll11• H. ~liftl1Pil1111g·,·11 cli-r k. k. (\•1dr. ( 'oou. l. 4:1. Bericht <lcs Dr. Freiherrn von S ackcn, 111Hl cbcn- ll:1Hl'lhHI 111. 1 % . Hc •ri1 ·llf dl'H ( '011H1•rvaf Ol'H A . Stifter. 2) I•' . X. I' ri f '/, : B1•Hc·hn•il,1111g- 1111CI (!1°H<·lii<·llfo <kr Staclt Stcycr und ihrer niichsten Umgebungen. 8. Linz, 1837. pag. 20. „Z11 ll'l'i<'h\'r Z1•if dio alt\' Pfarrkirnhe erbaut wm·dc, ist unbekannt; in einem Ablassbriefe vom Jahre 1287, im zweiten .Jahre deH l'apHl<'H llo11ori11 s IV., wir<l dieser Kirche St. Aegydi und Kolomani gedacht. Sie war eine Filiale von (larHlc11, wurde 1:305 mit allen Pfarr-Rechten vom Magistrate und von der Blirgcrschaft, dem Abte Ulrich von Garsten und dem Convcntc all<lort für immerwährende Zeiten förmlich iibergcben, und 1437 zu einer sclbstsfändi(\'en Pfanc erhoben. Da aber rlamals die Zahl der Bewohner sich immer vermehrte, so ward die Kirche zu klein; die Biirger licssen sie nicderreissen, und begannen auf demselben Platze den Bau einer ncuern 1443. Ilanns Pnxbaum war der Bau- meister, starb aber 1454; ihm folgte Martin Kronschach, dann Wolfgang Denk, Steinmetz, welcher 1515 starb (?) und dessen Monument noch im Pfarrfriedhof zu sehen ist. Hanns Schwedchorer vollendete cnrllich fast ganz den Bau 1522, also nach 79 Jahren. Aber eben in diesem Jahre entstand eine grossc Feuersbrunst, welche auch die Kirche ergriff. Sie wurde wohl wieder hergestellt, aber nicht vollcn<lct„ Denn die Baumeister erklärten, <lie Säulen seien zu verdorben, als dass sie die Gewölbe tragen könnten, deren Ban daher auch unterblieb. 3) S. "Die Bauhütte des Mittelalters in Deutschland" v. Karl H c i d c I o ff. Niirnbcrg 184fi. 4) Auch die St. Stcphanskirche zu Eggenburg in Nicder-Ocstcrrcich hat in vielen Beziehungen grosse Achnlichkcit mit dem Wiener Dome. (S. hicrliber „Quellen und Forschungen" s. 305 11. f. nnd den Grnndriss iler Kirche auf Tafel J. Fig ~-) Freilich besteht diese Achn lichkcit nur in dem ans <lern XV. Jal1rl11111clert sfammenilcn Langhause, da der Chor einer etwas spiitcrcn Periode angehUrt und a11f dessen Formation die seit dem XTJ. Jahrhundert beste- henden })Ciden Thiirmc wesentlichen Einfluss nahmen. Das Mittelschiff ist nur wenig höher und breiter, als die Seitenschiffe, von dcne11 es durch sechs schlanke Pfeiler getrennt wird, die Rippen des zusammengesetzten Krenzgcwölbcs werden von Jlalbsii11lcn getragen, welche in Blindeln zu dreien an den Pfeilern hinanflanfen und ganz schn111cklosc Capitiilc haben, auf denen zehncckig geformte, nach Innen geschweifte Decksimse ruhen. Die lfiingebogcn, die je zwei in der Flncht stehende Pfeiler miteinander verbinden, sind mehrfach gegliedert und werden der Hauptsache nach clnrch drei starke, nach vorn zu gratige Rundstlibe getragen, welche sich ohne Unterbrechung durch Capitäl oder Sims von ci11em Pfeiler zum andern ziehen. Besonders ist hervorzuheben, dass die Profilirung der Pfeiler, ihre Capitiile und Sockelbildnngen, so wie die Construction der füingcbogen in clcn Kirchen zu Steyer und Eggenburg vollständig gleich und denen von St. Stephan sehr ähnlich sind. IX. Jahrg. 1865. 13

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