Reisejournal, 3. Jahrgang, Heft 4 ,1951

DR. ER L_E FR I ED K R O ß AT H 1Jerfen edel/ier Cf3aukun/i Am Zusammenfluf} der Enns und Steyr hatte sich im Schutze der .Styrapurch", die erstmalig nachweisbar in der Zehenlaufführung anläf}lich der Mislelbacher Synode als nach Sierning zehenlpflichlig erwähnt wird, ein blühendes Gemeinwesen entwickelt. Die Berichte dieser Synode werden von Dr. Hofmann als aus dem Jahre 977 stammend bezeichnet. Die Burg war Silz der Grafen des Traungaues und nach deren Aussterben der Lieblingssitz der Oltokare, die vermutlich aus dem Chiemgau stammten. Die Hofhaltung der Otfokare war eine überaus glänzende und prunkvolle. Im Hofgässel, de-r heutigen Berggasse und um die Burg siedelten sich die Ministerialen und die zahlreichen Handwerker, die ein solcher Hof erforderte, an. Im Schulze der Burg entwickelte sich das Handwerk, besonders das der Waffen-, Huf-, Wagen-, Messer-, Feil-, Zweck- und Sehreitschmiede. Die Ollokare halten auch grof}e Teile der Steiermark, des Traunvierlels und Niederösterreichs in ihrem Besitz. Es ist daher sicher anzunehmen, daf} sich innerhalb der Gebiete des Ottokarschen Herrschaftsbereiches sehr bald ein reger Handel mit den in Steyr erzeugten Eisenwaren entwickelte. Als der vierte Otlokar im Jahre 1192 starb, kam Steyr an die Babenberger. Die Stadl wurde bald das Zentrum der vielen Eisenerzeugnisse und der • Waffenschmiedkunsl im gesamten babenbergischen Machtbereich angesehen. Die Steyrer Eisenwaren waren aber auch in allen Nachbarländern gefragte Artikel und es entwickelte sich in der Stadt ein blühender Handel. In Venedig hallen die Sleyrer Eisenhändler eine eigene Niederlage und saf}en im Fondaco dei Tedeschi mit den Schwaben an einem Tische. Auch donauabwärts wurden Produkte des Steyrer Gewerbefleif}es in ferne Länder verschifft. Im Jahre 1287 erhielt die Stadl von Herzog Albrecht 1. ein grof}es Privileg, welches ihr ungehinderte Entwicklung in Bezug auf gewerbliches Forlblühen sicherte. Dieses Privileg besagte, da~ jedermann, der .Eisen oder Holz in die Stadl gebracht, soll dortselbst drei Tage verbleiben und sein Eisen und Holz den Steyrern auf offenem Markte zu den gewöhnlichen Preisen und festgesetzten Bedingungen hinlanzugeben willig sein". Dadurch wurde den eisenverarbeilenden Handwerkern die Möglichkeit, das beste Rohmaterial für ihre Erzeugnisse auszuwählen, gesichert. Ein weiterer Markstein für die gewerbliche Entwicklung in der Stadl war das Patent Kaiser Friedrichs III. vom Jahre 1483, welchem zufolge alles in Eisenerz erzeugte Roheisen nach Steyr als Stapelplatz nördlich des Gebirges zu bringen war. Das 16. Jahrhundert war von Glaubensstreitigkeiten und Türkennot erfüllt. Im 17. Jahrhundert geriet Steyr unter bayrische Pfandherrschaft. Am Ende des Bauernkrieges (1626), der durch die Durchführung der Gegenreformation ausgelöst wurde, standen in Steyr Hunderte von Häusern leer und viele Sleyrer Bürger suchten in der Fremde ihr Glück. Solingens weltbekannte Messerindustrie wurde in dieser Zeit von ausgewanderten Steyrer Messerern begründet. Doch erst der österreichische Erbfolgekrieg vernichtete den Wohlstand der Stadl vollends. 1798 verkaufte die Stadl ihren Anteil an der lnnerberger (Eisenerzer) Gewerkschaft um 685.000 Gulden Wiener Währung und begab sich damit einer fortwährenden reichen Einnahmsquelle. Dreimal, 1800, 1805 und 1809 hat die Stadl französische Besatzungen zu erfragen gehabt. Alle Hammerwerke und Gewehrfabriken hallen unentgeltlich für die Besatzungstruppen zu arbeiten, überdies wurden grof}e Kontributionen eingetrieben. Die Stadl befand sich in einer derartigen Notlage, da~ sie wegen ihrer gro~en Schulden die für den lnnerberger Gewerkschaftsanteil empfangenen Obligationen billig verkaufen mu~fe. Erst das 19. Jahrhundert brachte der Stadt durch ihren genialen Sohn Josef Werndl wieder wirtschaftlichen Aufschwung. 6 längst schon sind die allen Schmiedefeuer verlöscht und die Hämmer, die von vielen fleif}igen Handwerkern geschwungen, zur Seile gestellt, aber in dem Riesenunternehmen der SteyrerWerke und anderer eisenverarbeilender Betriebe, wie z. B. der Hack-Werke, wird die grof}e Tradition der allen eisenverarbeilenden Stadl weitergeführt. Der grof}e Wohlstand der Stadl halte in den Bauten derselben seinen uns heule noch erhaltenen Ausdruck gefunden. Wohl kaum eine andere Stadt im deutschen Sprachgebiet hat eine derartige Menge von Perlen edelster Baukunst aufzuweisen, wie auch im Beitrag „Steyr,Geschichle in Stein" auf Seilen 4 und 5 kurz angedeutet ist. Ein besonders schönes Gebäude des österreichischen Späl-- barocks bildet das vom genialen Steyrer Baumeister Johann G. Hayberger geplante Rathaus, das jedoch erst nach seinem 1764 erfolgten Tode am 26. 3. 1765 vom Siernlnger Baumeister Johann Wolfgang Hueber begonnen wurde. Die mit reichen Stukkaturen und künstlerischen Fensterkörben geschmückte Fas-- sade mit durchgehenden Pilastern wird durch eine mit allegorischen Figuren geschmückte Attika abgeschlossen. Ein barocker Turmhelm schlief}! den in der Mille vorspringenden Fassadenlurm ab. Der Hof hat einfache Bogengänge. Den besonders erlesenen Kunstsinn des Bauherrn ·und gro~es Können des Baumeisters zeigt uns das Haus Stadtplatz 12. mit reichen Sluckverzierungen, die bis an die oberste Dachlinie laufen. Von künstlerischer Bedeutung sind die Hochreliefs oberhalb der Fenster des zweiten Stockes, die die fünf Sinne, durch Engelsgestalten verkörpert, darstellen. Leider halle dieses Haus durch Bombardierung im Februar 1944 stark gelitten, ist aber nach allem Vorbilde wiederhergestellt worden. Einen der schönsten Renaissancehöfe der Stadt besitzt das Haus Stadtplatz 9. Er baut sich in drei Arkadengängen übereinander auf, hinter de·n Säulen befinden sich gotische Kragsteine, die eigentlich den Laubengang fragen. Die Stadtplatzfassade dieses Hauses dürfte aus der Zeil um 1720 stammen und weist reiche Sluckverzierung auf. Seil dem Jahre 1497 blickt auf uns in unveränderter Gestalt das spätgotische „Bummerlhaus", das getreue Konterfei - eines bürgerlichen Wohnhauses der damaligen Zeit. Der Name gehl auf das Wirtshausschild dieses Hauses zurück, das einen vergoldeten Löwen auf einem Sockel darstellt. Vom Hauche der Geschichte umwittert ist das ebenfalls gotischen Charakter tragende Mallsederhaus, Stadtplatz 39, dessen Besitzer zu Beginn des 17. Jahrhunderts der aus den Bauernkriegen bekannte langjährige Sleyrer Stadtrichter Maflseder war. Er wurde 1627 in Linz enthauptet und sein Kopf vor dem Rathaus auf eine Säule gesteckt, mit dem Blick auf sein Haus. Bauslilmäf}ig der Hochrenaissance gehört der lnnerbergerStadel an, der jetzt das städtische Museum beherbergt und einst der lnnerberger Hauptgewerkschaft als Getreidespeicher diente. Die Fassade ist reich mit Sgraffilo-Ornamentböndern v·erziert. Erwähnt seien auch das altehrwürdige Bürgerspital mit seiner romanischen Säulenhalle, das im Jahre des grof}en Stadtbrandes 1302 von Elisabeth, der Gattin des Herzogs Albrecht gestiftet wurde; weiters der einzigartige gotische Hof der DunklApotheke in der Kirchengasse. Aus der reichen Fülle einzigartiger Baudenkmäler konnten in diesen Zeilen nur einige wenige besonders charakteristische hervorgehoben werden. Die alte Eisenstadt birgt in ihren Mauerh noch viele köstliche Bau- und schönste Kunstwerke. Sie lohnt dem schönheitslreudigen und kunstsinnigen Fremden einen Besuch mit dem, was sie zu geben vermag: den wohlbewahrlen Zeugen des Könnens unserer Altvorderen!

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