Reisejournal, 3. Jahrgang, Heft 4 ,1951

Eine launige Geschichte. Habt ihr schon einmal etwas vom Anklöpfeln gehört? Das kann ich mir denken. Bevor der Menschensohn im kalten Christmond geboren wird, gehen die Lärmgeister in den Tälern der Alpen um, genau so wie in der Fastnacht, wenn der Winter ausgetrieben wird. Solche Lärmgeister sind auch die Anklöpfler in Tirol. Heule will ich euch aber von einem besonderen Anklöpfler erzählen. Ihr kenn/ ja die Herren mit den Goldbrillen auf der Nase, die alles erforschen und ergründen und dann im Radio über ihre Gelehrsamkeit reden. Den Bauersleuten sind diese Herren noch nicht zu gescheit geworden, und einer von ihnen, er ist mein guter Freund, hat es auch büryen müssen, dary er sich immer so abmüht mit dem Erforschen volkstümlicher Bräuche. Eines Tages schrieb ihm die Radioslalion seines Landes und lud ihn ein, über den Brauch des Anklöpfelns ins Mikrophon zu sprechen. Er war kein Neuling als Radio-Vortragender und schon gar nicht waren ihm die Anklöpflerbräuche neu. Eine solche Gelegenheit darf man aber nicht vorübergehen lassen, ohne sich noch einmal genau über den Ablauf de_s Brauches zu vergewissern. Und so geschah es auch. Unser Gewaltiger in der Volkskunde seines Landes zog eines Nachmittags, als die Sonne wie sonst nur an frühen Herbsttagen warm von einem hohen blauen Himmel herniederschien, nach dem kleinen Dorfe nächst der alten Bergknappensladt, um sich mit den dortigen Anklöpflern zu besprechen. Er halle allerlei vor für seinen Radiovortrag, er wollte ihn sogar mit Geräuschkulissen lebendiger machen und sich nun den Aufzug der Anklöpfler vorführen lassen. Zwar war er ein Feind solcher gestellter Darbietungen, er wellerte heftig gegen die Absichten, mit all dem Brauchtum eine Fremdenverkehrswerbung zu treiben, aber diesmal waren die Umstände stärker, er muryle sich den Zug erst ansehen, um recht frisch darüber sprechen zu können. Im Dorfe waren sie alle begeistert von seinem Vorhaben, über ihren Anklöpflerbrauch im Radio zu reden, nur das eine wollten sie nicht: den Aufzug proben, wie der Herr Doktor aus der allen Bergknappenstadt meinte. Das nehme niemals ein gutes Ende, sagten sie. Erst am Jahrlag gingen sie mit dem Anklöpfel-Esel, dem Wirt, dem Fuhrmann und dem Tierarzt von Haus zu Haus und spielten mit Geigen und Zithern auf, und dann erst könnten auch die Bauern ihre launigen Ansprachen an die Anklöpfler halten, aber nicht vorher. Sie wollten dem Herrn jedoch in der Stube ihre Musik machen und ihre Reden schwingen. Dem Herrn Doktor gefiel die Standhaftigkeit der Leute, und als dann in den einzelnen Häusern noch ein imme~ süffigerer Schnaps aufrückte, erreichte seine Begeisterung stetig aber sicher ihren Höhepunkt. Allerdings auch sein etwas schwankender Zustand! Es war schon Nacht, als er sich auf den Heimweg machte. Er hatte Geigen- und Zilherspiel gehört, auch ihre Anklöpflersprüche hallen sie ihm vorgesagt, und ein Bauer halle gemeint: ,,Mein liaba, wann eppas erseht da Nigg den Kuahschädl afsefzl, da werdst lafa!" Ja, und jetzt lief er auch mehr, als er ging, aber nicht aus Angst vor dem kuhgehörnlen Nigg, sondern weil er sich zu - ausgiebig mit Wacholder- und Schwarzbeerschnaps eingeheizt halle. Dary ihm die Anklöpfler nachla~hlen, achtele er weniger, als er alle Sprüche in seinen Gedanken noch einmal sammeln wollte-, und das bereitete ihm grorye Schwierigkeiten. Schlierylich fand er, dary ihm sein Vorhaben besser gelangen werde, wenn er die Sprüche laut hersage. Da vernahmen nun die Berge ringsum und die Wiesen des lnnlals die sonderbaren Worte: ,,Anklöpfler, was habts denn ös in Summa Ion, dary ös in Winter müaryfs betteln gan?" Und er war nicht faul und antwortete sich sogleich selbst: ,,Gschniffen, gmaht und Hacken tragen, dary die Fäulenza eppas zan Essen haben." Und dann rief er: ,,Was für a Turm hat koan Spitz und was für a Goary tragt koan Kitz?" Aber das war eine zu schwere Frage und der schnapsvolle Herr Doktor aus der alten Bergknappensladt verhielt und dachte nach, wie es sich denn mit einem solchen Turm und einer solchen Geiry verhalte. Er wurde aber nicht klug daraus. Ein gemütlicher Mann wie er war, fing er zu Singen an, das alte Anklöpflerlied, und da er von der Schöpfung her im allgemeinen mit keinem sonderlichen Timbre ausgeslalfel war, klang dieses Lied jetzt schon gar nicht melodiös in die Nacht. Ein leichter Zungenschlag stellte sich noch dazu ein, und so kam es, dary das alle Tiroler Anklöpflerlied wie auf Synkopen einherstelzte und sich, des war kein Zweifel, selber recht ungemütlich befand. Als der seltsame Forscher sich der Stadl näherte, besann er sich und verstummte. Da lag sie, seine schöne Valersladt, mit den alten Denkmälern, Ställen aus ihrer groryen Zeil, und hob sich kaum von dem dJJnklen Hintergrund ab, jenen Felsen, daraus man einst Silber und Kupfer geschlagen hatte. Heule war sie weniger bedeutend als vor vierhundert Jahren, aber eine erlesene Schar Künstler wohnte in ihr, die dem Herrn Doktor das Leben erst so richtig froh machte. Und da kam ihm ein wunderbarer Gedanke: er wollte heule bei allen diesen Freunden anklöpfeln. Er war just aufgelegt dazu. Da fiel ihm auch die Antwort auf den Turm und die Geiry ein, laut jubelte er es hinaus: ,,Da babylonische Turm tragt koan Spitz und a angmalnde Goary koan Kitz." Durch die Gasse bis zur .Brücke über den Inn sang er dann die zweite Strophe des alten Anklöpllerliedes, und es war nur gut, dary diese Gasse still und ausgestorben in der Nacht lag. Um so mehr machte der Doktor Radau und dämpfte seine Schnapslaune auch erst auf der Brücke. Der Wind fuhr ihn hart an und er murmelte einen bösen Fluch. Nun aber laryl mich über den sonderbaren Anklöpfler schweigen. Soviel will ich noch verraten, dary er am frühen Morgen bei seinem eignen Haus anklöpfelte. Die Zwischenzeit überlasse ich eurer Phantasie, die, meryl es nur am Gehaben der Kinder, etwas Göttliches ist. G. v. M. 6cinqt stets das. 'lleues.te. fäc mode.cne !R.aumq,es.tattunq> ! 16

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