Franz Xaver Pritz - Geschichte der Stadt Steyr

238 Das folgende Jahr 1610 hätte bald einen großen Umschwung der Dinge hervorgebracht, und die Sache anders gestaltet. K. Rudolph und Mathias waren zwar seit den letzten Auftritten in einem äußerlich friedlichenVerhältnisse, alleinwahreBruderliebeherrschte nicht; Rudolphs Ehre war gekränkt, seine Macht vermindert, und er gab den Plan nicht auf, das Verlorene wieder zu erringen, aber dazu bedurfte er Truppen und wohl auch die Ergebenheit der ihm bisher abgeneigten Stände Österreichs. Um Soldaten zu sammeln ergab sich bald eine Veranlassung und Gelegenheit; der Herzog von Jülich war am 25. Mai 1609 kinderlos verstorben, um die Erbschaft zankten sich mehrere, aber Rudolph nahm als Kaiser indessen die Verwaltung des Landes auf sich, und stellte den Erzherzog Leopold als Verweser auf, allein er hatte Truppen nötig, um sich gegen die Angriffe der Bewerber zu verteidigen. Nun veranstaltete K. Rudolph zu Passau eine große Werbung, daher man auch später diese Truppen das Passauer-Kriegsvolk nannte; dergleichen Werbungen geschahen aber auch in Österreich zu Linz, Freistadt und Steyr gegen Wissen undWillen des K. Mathias 117). Die da Geworbenen begingen vielen Unfug bei ihrem Zuge nach Passau, quartierten sich ein, und quälten die Leute. Die Stände berichteten dieses dem K. Mathias, der auch bald einsah, dass diese Truppen weniger für Jülich, als gegen ihn und Österreich bestimmt seien. Die Werbungen wurden verboten, das Landaufgebot zur nötigen Verteidigung aufgerufen, besonders im Mühlkreise bei Ranariedl, Neuhaus, Kollerschlag u. s. f., Schanzen und Verhaue angeordnet, der Donaustrom wurde versichert, und zur Sperrung desselben in Steyr eine große, eiserne Kette bestellt, eine zweite kam aus dem Zeughause zu Wien, und beide wurden dann bei Neuhaus über die Donau gespannt. Am 19. April 1610 erließ K. Rudolph ein eigenhändiges Schreiben an die Stände ob und unter der Enns, worin er sie aufforderte, sich wieder unter seine Regierung zu begeben, ihnen freie Religionsübung, Bestätigung der alten Privilegien, Erteilung neuer, und allgemeine Verzeihung alles Vorgefallenen versprach, allein 117) Beiträge zur Geschichte des Landes ob der Enns von Kurz, IV. Theil. S. 53 u. s. f.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2