Franz Xaver Pritz - Geschichte der Stadt Steyr

219 1572 Georg Mauritius, außerordentlicher Professor an der Universität zu Wittenberg. Am 8. Juli dieses Jahres, an einem Sonntage, begann die fürchterlichste Überschwemmung und der höchste Wasserstand, den die Enns und Steyr je erreichten; es hatte nur wenige Tage geregnet, und doch schwoll das Wasser schon am ersten Tage ungemein an. Viele tausend Stück Holz, große Eichen samt der Wurzel wälzten sich auf den Fluten her; montags, zur Morgenzeit, wurden die Brücken weggerissen, die Wogen gingen über dieselben hoch hinweg, Mühlen, Schleifen, Werkstätten und Trümmer von Häusern kamen imWirbel hergerollt, stürmten an den Mauern der Stadt, durchlöcherten die Häuser an den Flüssen, rissen mehrere derselben und 10 Scheuern im Ennsdorfe hinweg; endlich dienstags bei immer steigenden Fluten stürzten die Mauer der Stadt, die als Damm gegen die Wogen da stand, die zwei oberen Tore, die Türme an der Enns, der hintere Teil des Rathauses samt den Fleischbänken ein; der Grund der andern Häuser wurde entblößt und unterwühlt, sie drohten den Einsturz, und manche sanken wirklich. Mit Schiffen fuhr man in der Enge und bis zur Hälfte des Platzes hinauf; Leute und Güter wurden aus den Fenstern gerettet, überall erscholl das Geschrei der Not, Angst und des Jammers. Doch der größte Schrecken und Lärm entstand, als die Nachricht sich verbreitete, das große Schulhaus (Dominikanerkloster) sei eingestürzt; und in der Tat war es so. Das feste, noch nicht lange aus den Ruinen erstandene Gebäude, die Kirche und das Kloster, welche 1522 die Flammen zerstört hatten, nun durch die Fluten in den Grundfesten untergraben, wankten, und stürzten gegen Abend plötzlich ein; nur kurz zuvor hatten sich die darin wohnenden Schüler, 60 an der Zahl, in ein anderes Haus geflüchtet. Wohl war diese Rettung ein Trost, aber der Schaden war ungeheuer, den einzelne Bürger und die Stadt überhaupt erlitten. Die Herstellung kostete sehr große Summen; aus Mangel an werkverständigen Leuten schrieb man um Arbeiter nach Regensburg zu den größeren, festen Gebäuden, und man begann so bald als möglich die Wiederherstellung derselben. Das Holz dazu wurdegrößtenteilsimAichetgefällt,dieBrückenwurdenerrichtet,die

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