Mitteilungsblatt des Pfadfinderkorps St. Georg, Kolonne Steyr, 3. Folge, Juli 1935

Sucht und Freiheit des Pfadfinders. Das Pfadfindertum will nicht willige „Werkzeuge“, sondern eigenständig Persönlichkeiten mitbilden helfen. Darum seien diesmal einige Worte über Zucht und Freiheit des Pfadfinders gesagt: den Eltern zum Verstehen der Pfadfinderbewegung, den Pfadfindern zum Gestalten ihres eigenen Ichs. Der Pfadfinder, der den Wert äußerer Zucht und Ordnung erkannt hat, bringt leicht den Willen zur Zucht von innen heraus auf, weil er schon weiß, daß ohne diesen Willen ein Wachsen in Freiheit nicht möglich ist, wie auch der nur die Freiheit verdient, der den starken Willen zur Zucht und zur Gemeinschaft aufbringt. Aeußere Zucht ist daher im Pfadfindertum Ausdruck innerer Haltung. Sie ist ein Mittel der Bildung zur Freiheit und Eigenständigkeit. Der „große Bruder wird als Jugendführer der ihm anvertrauten Pfadfinder in seiner selbstlos dienen¬ den Hingabe an die Idee auch die dazu notwendige und förderliche äußere Zucht, Form und Ordnung fordern, und zwar mit einer liebevollen Festigkeit und Entschiedenheit — wobei der Junge spüren muß, daß der Führer nicht den Macht¬ und Herrschgelüsten, nicht dem Ehrgeiz dienen will, sondern selbstlose Liebe der Grundton seines Handelns ist. So nimmt er den Jungen immer „erns t“ in seinen Freuden und Nöten und ernstgemeinten — wenn auch oft lächerlich kind¬ lichen — Vorschlägen und behandelt ihn nie wie einen „dummen Jungen“, der dafür da ist, den Mund zu halten und kommandiert zu werden! Er macht ihn auch immer darauf aufmerksam, daß er mitverantwortlich ist für jeden Heim¬ abend, jede Fahrt, für das Wachsen des einzelnen und der Gemeinschaft. Dabei wird der Pfadfinder bei seiner Ehre als christlicher, deutscher Junge gefaßt, die es nicht zuläßt, daß der Führer erst immer ein Machtwort sprechen muß. Jede, die Ordnung nicht störende Aeußerung der eigenen Meinung seitens der zur Führung anvertrauten Jungen fördert der Pfadfinderführer nach bester Möglichkeit. Wenn der „große Bruder“ so dienend führt, wird er wahrhaft Menschen¬ bildner sein und dabei selbst am meisten wachsen. Die Buben werden so langsam zu führenden Pfadfindern und die Pfadfinder langsam zu Persönlichkeiten heranreifen, die Zucht und Einordnung und Gemeinschaft kennen, die aber langsam mehr und mehr in Freiheit, aus Liebe zur Sache, aus Gewissen dies üben, und die darum auch dann im Leben ihren Mann voll und ganz stellen, auch wenn sie — von allen verlassen — auf einsamer Höhe im Sturm standhalten müssen! Friedrich Trojak, Mitglied des Aufsichtsrates. Eltern und Freunde, besuchen Die am Lagersonntag, den 14. Juli 1935, das Landeskorps=Lager in Linz! 4 4 „Mein Junge wird Pfadfinder ... „Was, zu den Pfadfindern willst du gehen? Und wie ein Zigeuner umher¬ strolchen? Schlag dir das nur gleich aus dem Kopf, daraus wird nichts! Du bist ja jetzt schon ein unfolgsamer Junge! Was für ein Taugenichts würdest du erst bei jenen Halbwilden werden?!“ So schalt ich meinen Jungen, der mich bat, ihn Pfadfinder werden zu lassen. Immer heftiger wurden seine Bitten, und so entschloß ich mich, mir die Sache ein¬ mal anzusehen. In einem Heimabend, den ich mit Erlaubnis des Führers besuchte, sah ich das erstemal das Treiben der Pfadfinder. Die peinliche Reinlichkeit des Raumes be¬ rührte mich auf das angenehmste und ich war hocherfreut über den herzlichen Empfang, den die lachenden Buben mir bereiteten. Ich sah sie vereint beim lustigen Spiel und fröhlichen Sang. Allen lachte helle Freude aus den Augen und sie waren bestrebt, ihr Bestes zu tun. Ich sah, daß über allen derselbe Geist herrschte und ein großes Ideal sie alle beseelte, sich freudig in Hilfsbereitschaft und Lebenstüchtigkeit zu üben. Von der Größe des Pfadfindertums überzeugt, gab ich meinem Jungen die Erlaubnis, Pfadfinder zu werden. Drei Monate später legte er das feierliche Ver¬ sprechen ab: Mit der Gnade Gottes sein Bestes zu tun! Und er hielt sein Ver¬ sprechen; er blieb treu, Gott und dem Vaterlande und befolgte die „Gute Tat“.

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