Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

OttoDbmus zu den ERESKENEUNDEN des letzten JAHRZEHNTS Die mittelalterliche Wandmalerei ist das Lieblingskind der Denkmalpflege und das Stiefkind der For schung. Die erstgenannte Tatsache läßt sich leicht verstehen: Die Aufdeckung und Restaurierung von Wandgemälden ist für den Denkmalpfleger ein Licht- und Höhepunkt inmitten seines schwierigen und entnervenden Kampfes um die Erhaltung und Rettung gefährdeter Denkmäler. Daß die Forschung — abgesehen von früh- und hochmittelalterlichen Wandgemälden höchsten Ranges — eigentlich recht wenig Notiz von den alljährlich zutage geförderten Fresken des 14. bis 16. Jahrhunderts nimmt, ist schon problematischer. Drei Gründe scheinen uns dafür in erster Linie maßgebend. Erstens besteht noch immer ein gewisses (und leider muß gesagt werden, in manchen Fällen nicht unberechtigtes) Mißtrauen von Seiten der Forschung gegenüber dem Restam-ator, durch dessen Hände das neu ent deckte und freigelegte Werk gegangen ist. Oft genug sind die Denkmäler mittelalterlicher Wandmalerei durch den Restaurator in besonderer Weise präsentiert, interpretiert und dadurch als künstlerische Dokumente entwertet worden, vor allem, sofern es sich um lückenhafte Bestände handelte. Hier ist noch manches zu tun, oft auch entgegen der Meinung der Eigentümer und Benützer der kirchlichen und profanen Bauten, an oder in denen sich die ans Licht gekommenen Wandmalereien befinden. Nur die rigoroseste Beschränkung auf reine Sicherungs- und Erhaltungsarbeiten (wie sie etwa in Lambach erfolgt ist) kann das bestehende Mißtrauen der Wissenschaft bekämpfen und besiegen. Ein zweiter Grund für die wissenschaftliche Vernachlässigung von Wandmalereien liegt in der weit verbreiteten Ansicht, daß sie in der künstlerischen Qualität nicht oder nur selten an gleichzeitige Werke der Tafel oder Buchmalerei heranreichen. In so genereller Form ist die geringe Einschätzung dieser Kunst gattung gewiß falsch, ganz abgesehen davon, daß aus gewissen Perioden, ob aus Erhaltungs- oder aus strukturellen Gründen, Wandmalereien ungleich zahlreicher erhalten sind als Werke anderer Gattungen; sie sind daher imstande, ein viel vollständigeres und korrekteres Bild der Entwicklung zu geben. Und schließlich mag als dritter Grund die ungenügende Bekanntmachung neu aufgedeckter Wandmalereien angeführt werden. Das neue Material wird meist allzu knapp, häufig mit unzuläng lichen Abbildungen und oft erst mehrere Jahre nach der Entdeckung publiziert und so der Forschung nicht auf genügend eindrucksvolle, vollständige und aktuelle Weise zugänglich gemacht. Umso begrüßenswerter ist es, daß sich die Redaktion der Zeitschrift entschlossen hat, den Neuent deckungen der letzten zehn Jahre ein eigenes Heft zu widmen und so dem Kunstfreund und dem For scher mit einem Schlage ein umfangreiches und bedeutendes Material vorzulegen. Damit ist der größte Teil des Rückstandes aufgeholt, wenn auch noch nicht der Anschluß an die letzten Zusammenfassungen hergestellt wird: an die Werke Josef Garbers für Tirol, Felix Reichmanns für Niederösterreich und Walter Frodls für Kärnten. Vieles harrt noch immer in den Spalten der Österreichischen Zeitschrift für Kmist und Denkmalpflege, der Carinthia I, des Schiern und anderer Lairdesorgane der ,,zweiten Entdeckung". Trotzdem ist das, was hier zum erstenmal beschreibend und charakterisierend dargeboten wird, schon vom rein quantitativen Standpunkt aus eindrucksvoll, ja überwältigend. Die bloße Masse der auf gedeckten Zyklen und Einzelwerkc muß selbst die Herausgeber überrascht haben, ganz abgesehen von der hohen und höchsten Qualität und dem Dokumentarwert einzelner Werke. Man muß sich dabei nur immer vor Augen halten, daß die neu gewonnenen Denkmäler ohne Aus nahme Torsi sind, und zwar meist in doppelter Hinsicht: einmal, weil sie fast durchAvegs nur Teile größerer Ensembles darstellen, und zum zweiten, weil sie in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle auch in ihrem technischen Bestand stark reduziert sind. Eine makellose Erhaltung der obersten, meist al secco in feinen Linien oder dünnen Lasuren aufgetragenen Farbschicht ist äußerst selten. Am ehesten findet sie sich bei Werken der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Die meisterliche Technik scheint ein Charakteristikum des Internationalen Stils (Weitensfeld, Abb. 182, St. Veit, Abb. 176) und seiner Naclrfolge gewesen zu sein — auch die Villacher Werkstatt Meister Friedrichs (Unterferlach, Abb. 179) hat noch Anteil daran. Sonst ist fast durchwegs mit Verlusten zu rechnen, die sogar den künstlerischen Charakter vieler Werke beeinträchtigt oder weitgehend verändert haben. Nicht selten ist wenig mehr vorhanden als eine mit transparent gewordenen Farbtönen flächig gefüllte Vorzeichnung, die aber meist

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