Edith Rothe, Buchmalerei aus zwölf Jahrhunderten. Die schönsten illustrierten Handschriften in den Biblio theken und Archiven in Mecklenbui'g, Berlin, Sachsen und Thüringen. Rembrandt-Verlag, Berlin 1966. 301 S. mit 160 ganzseit. Abb. (davon 96 farbig). Diese mit Sorgfalt hergestellte und geschmackvoll ausgestat tete Publikation wendet sich zwar primär an breitere Leser schichten, ist aber dank ihrem umfangreichen Abbildungsteil auch dem Fachmann willkommen. Die Verfasserin hat aus den Bibliotheksbeständen der DDR 160 Handschriften aus gewählt, die sie durch je eine Abbildung dokumentiert. Wie das Vorwort mitteilt, werden nicht weniger als 26 dieser Handschriften überhaupt zum erstenmal veröffentlicht; mehr als die Hälfte der abgebildeten Miniaturen sind vorher noch nie reproduziert worden. Eine kurze Einleitung (S. 7—17) macht den Leser mit der Materie an sich vertraut. Auf S. 183—234 gibt Frau Rothe dann einen kunsthistorischen Überblick, der sich an den ab gebildeten Werken orientiert und so von den Quedlinburger Itala-Fragmenten bis zu profanen Handschriften des späten 16. Jahrhunderts reicht. Für das Laienpublikum bestimmt, vermittelt er nur die elementarsten Kenntnisse stilgeschicht licher und ikonographischer Natur. Dafür bringt das Tafel verzeichnis (S. 235-278) eine Fülle wissenswerter Angaben und führt auch das ältere Schrifttum zu jeder der besprochenen Handschriften an. Den Abschluß bilden die Register und das Literaturverzeichnis. Letzteres ist umso wertvoller, als es auch auf lokales Schrifttum aufmerksam macht, das einem fremden Bearbeiter sonst vielfach unbekannt geblieben wäre. Der bibliographische Apparat weist allerdings einzelne Lücken auf; so wird etwa bei dem Zittauer Ms. A. VII (Prager Missale des frühen 15. Jahrhunderts, Taf. 94) nicht auf O. Kletzl verwiesen, der sich gerade mit dieser Handschrift sehr ausführlich beschäftigt hat (Studien zur böhmischen Buchmalerei, in: Marburger Jb. f. Kunstwissenschaft, VII, 1933). Die Verfasserin dürfte von Beruf Bibliothekarin sein; daher zieht sie für die Einordnung der Handschriften lieber histo rische und paläographische Argumente heran als solche der Stilkritik. Das fällt naturgemäß besonders bei den erstmals publizierten Codices auf, doch lassen sich auch manche der schon bekannten Buchmalereien noch näher bestimmen, als es das ältere Schrifttum getan hat. Wir weisen hier nur auf einige Beispiele hin, denen ihr künstlerischer Rang besondere Bedeutung gibt. Das reizende kleine Psalterium der Klosterbibliothek Sankt Marienstern (Taf. 46) ist nicht ,,thüringisch-meißnisch", sondern eine charakteristische vlämische Arbeit des späten 13. Jahrhunderts. Nicht norditalienisch bzw. deutsch, sondern französisch sind auch der Erfurter Aristoteles (Taf. 50) und der Monaldus in Mühlhausen (Taf. 58). Dem vorgeschrittenen 15. Jahrhundert, nicht dem späten 14., gehören der böhmische Thomas von Stitni in Bautzen (Taf. 54), das deutsche Fragment eines Alten Testaments in Leipzig (Taf. 63) und die sehr schönen ,,Gestes et faits des anciens" in Dresden (Taf. 68) an. An dem Leipziger Speculum virginum (Taf. 71) hebt die Verfasserin ganz zurecht die altertümlichen Züge hervor; die Handschrift muß tatsächlich in der Mitte des 13., nicht erst zu Ende des 14. Jahrhunderts, entstanden sein, wie R. Bruck (Die Male reien in den Handschriften des Königreichs Sachsen, 1906) annahm. Der Text Hans Vintlers („Die Blumen der Tugend") wurde zwar 1411 abgefaßt, das Exemplar der Landesbibliothek Gotha, von dessen reizvollen Illustrationen Taf. 71 einen guten Eindruck gibt, ist jedoch erst um 1450 hergestellt worden. (Dafür gehört das erstmals veröffentlichte französische Stun denbuch in Leipzig, Taf. 88, noch den dreißiger Jahren, nicht erst der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts an.) Die Weimarer Dekretalien-Handschrift (Taf. 91) wurde nicht zu Ende des 14. Jahrhunderts, sondern schon um 1340-1350 in Bologna illuminiert, und zwar von jenem originellen Buchmaler, den Lisetta Ciaccio als ,,Pseudo-Nicolö" in die Literatur eingeführt hat (in: L'Arte, 1907). Die illustrierte deutsche VulgataÜbersetzung, ebenfalls in Weimar (Taf. 148), ist gewiß auch zu spät angesetzt. Einer näheren Untersuchung wert wären ferner z. B. die prachtvolle Miniatur mit der Laurentiusmarter (Taf. 37: „süddeutsch, Anfang des 13. Jahrhunderts") und die ,,Vie de saint Antoyne" in Halle (Taf. 120: ,»französisch, Ende des 15. Jahrhunderts"). Letztere dürfte schon um 1420 unter Beteiligung eines oberitalienischen Illuminators ent standen sein. Sehr zu begrüßen ist es, daß die Verfasserin aus jenen Hand schriften, die in der älteren Literatur (etwa bei Bruck) bereits besprochen sind, in der Regel bisher noch unbekannte Blätter vorstellt. Auch die zahlreichen, gut gelungenen Farbtafeln ergänzen das schon verfügbare Bildmaterial in erfreulichster Weise. Überhaupt vermitteln die 160 klug ausgewählten Reproduktionen einen vorzüglichen Überblick über die Schätze, die - trotz argen Kriegsverlusten - in ostdeutschen Bibliotheken noch immer vorhanden sind. So leistet dieses schöne Buch auch der einschlägigen Spezialforschung einen großen Dienst. G. Schmidt Alfred Stange, Kritisches Verzeichnis der deutschen Tafelbilder vor Dürer, Band I. Verlag F. Bruckmann, München 1967. 267 S. Das kunsthistorische Schrifttum zeichnet sich im allgemeinen durch einen bedauerlichen Mangel an Nachschlagewerken aus, die der Erleichterung und Rationalisierung wissenschaftlicher Arbeit dienen könnten. Das Erscheinen eines „Kritischen Verzeichnisses" aller erhaltenen Denkmäler aus einem so wichtigen und zugleich so unübersichtlichen Bereich, wie es die mittelalterliche Tafelmalerei Deutschlands ist, darf daher als eine bahnbrechende Tat begrüßt werden; jeder Kollege - ob Musealbeamter, Denkmalpfleger oder akademischer Lehrer — wird dem Verfasser und dem Verlag dafür Dank wissen, daß sie sich in den Dienst einer so guten Sache gestellt haben. Im Falle der vorliegenden Publikation kommt ein weiterer Vorzug hinzu: Ihr Autor ist heute zweifellos der beste Kenner der Materie, mit deren stilgeschichtlichem Aspekt er sich schon in den elf Bänden seiner 1934-1961 erschienenen „Deutschen Malerei der Gotik" befaßt hat. Das nun begon nene ,»Kritische Verzeichnis" greift allerdings über die Zeit grenzen, die dieser Gesamtdarstellung mit 1300 einerseits und 1500 anderseits gesetzt waren, noch ein wenig hinaus, indem es sowohl die spärlich überlieferten Tafeln des 12. und 13. Jahrhunderts als auch die nach 1500 entstandenen Werke solcher Künstler einbezieht, deren Schaffen seinen Schwerpunkt bereits vor diesem Jahr hatte oder einfach seinem Stilcharakter nach als im wesentlichen „gotisch" angesprochen werden muß.
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