Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

DIE PHOTOGRÄMMETRIE IM DIENSTE DER ÖSTERREICHISCHEN DENKMALPFLEGE Die Bestandsaufnahme ist die Grundlage aller Beurteilungen und somit auch aller Entscheidungen in der Denkmalpflege imd im Kulturgüterschutz. Bei Objekten, deren Wert in über wiegendem Maße in ihrer Formgebung begründet ist, stellt die Formdokumentation einen Hauptanteil derartiger Be standsaufnahmen dar. Diese Dokumentation muß die Form, in der die Objekte dem Beschauer normalerweise erscheinen, als ihre individuelle, möglichst nicht abstrahierte Bestandsform erfassen. Die Erscheinungsform wird am besten im Lichtbild, und zwar im Stereolichtbild, festgehalten. Die Bestandsform, mit ihren Unregelmäßigkeiten und möglichen Abweichungen von einer theoretischen Form — im Vermessungswesen als ,,Sollform" bezeichnet —, das heißt also, so wie der Gegenstand in allen Einzelheiten tatsächlich beschaffen ist, wird am besten durch eine Planunterlage (Grundriß, Schnitt, Ansichten) fest gehalten. Zu diesem Zweck sind Photos und Bauaufnahmen nötig. Für letztere sind mit sehr hohem Meßaufwand dicht neben einanderliegende Punkte, regelmäßig über das ganze Objekt verteilt, in ihrer Lage festzulegen^. Die Photogrammetrie stellt sogenannte Meßbilder her, die nicht nur die Erscheinungsform ideal festhalten, sondern je Photogramm etwa 200,000.000 genau ausmeßbarer Punkte speichern. Damit ist die Möglichkeit der linienmäßigen, demnach exakten Erfassung der individuellen Bestandsform - von der Photogrammetrie ungeneralisierte ,,Istform" genannt - mit hoher Genauigkeit und Objektivität gegeben. Der Wunsch, auch orthogonale Pläne von Veduten in der Art ableiten zu können, wie perspektivische Schaubilder auf Grund orthogonaler Ansichten hergestellt werden, geht auf das 18. Jahrhundert zurück, doch konnte er erst nach Erfin dung der Photographie Aussicht auf Erfolg haben. (1849 Aufnahme des Invalidendomes in Paris von Laussadat!) Technische Verbesserungen und die Entwicklung spezieller Verfahren (1862) führten schließlich im Jahre 1885 zur Gründung einer ersten brauchbaren Meßbildanstalt für Kunstdenlonäler, der preußischen Meßbildanstalt von Prof. Meydenbauer. Obwohl Österreich viele Bahnbrecher auf dem Gebiet der Photogrammetrie hervorgebracht hat, die auch für die Schaffung eines Österreichischen Denkmälerarchives ein traten, und obwohl schon Hofrat Dr. E. Hainisch seitens des Bundesdenkmalamtes Versuche unternommen hatte, um m den letzten Kriegstagen die Bildmessung für den Kultur güterschutz einzuführen, blieb es wie in anderen Staaten bei ausnahmsweisen Anwendungen in der Denkmalpflege. Der Grund hiefür dürfte darin zu suchen sein, daß die Geräte und Verfahren vor allem auf dem Gebiet der Luftbildmessung und Kartographie weiterentwickelt, ihre terrestrische An wendung dagegen vernachlässigt wurde. ^ Prof. J. Gomoliszewski hat in seiner berühmten Arbeit über S. Anna in Krakau (Kosciöl Sw. Anny w Krokowie - Dokumentacja Geodezyjno — Inwentaryzacyjna, Warschau 1957) alle Methoden, Möglichkeiten und Kontrollen sowie die Leistungsgrenzen und den zur Erzielung einer hohen Qualität erforderlichen Aufwand in unübertroffener Vollständigkeit für direkte Meßverfahren dargelegt. Gerade die Lösung von Massenaufgaben in der Denkmalpflege und im Kulturgüterschutz war mit den verfügbaren Geräten oft nur schwer, wenig rationell und nur untei* Einsatz hoch qualifizierter Spitzenkräfte möglich (enge hochverbaute Altstadtstraßen, enge hohe Innenräume usw.)^. Der Autor hat daher aus seiner Praxis abgeleitete Vorschläge zum Ausbau vorhandener Nahbildmeßgeräte gemacht, die von C. Zeiss in Zusammenarbeit mit ihm verwirklicht wurden. Auch NichtVermessungstechniker sind nun bei einem Großteil der gestellten Aufgaben in der Lage, in bis der früher nötigen Arbeitszeit Aufnahmen herzustellen, die den Aufmessungen der klassischen Verfahren entsprechen (bis weilen können Tagesleistungen die früheren Jahresleistungen erreichen). Bei den Auswertungen, die dem Auftragen der klassischen Verfahren entsprechen, kann, bei zehnfacher Erhöhung der Genauigkeit (insbesondere der sogenannten Nachbarpunkt genauigkeit), mit Arbeitszeitverkürzrmgen auf ein Drittel bis ein Hundertstel gerechnet werden. Bei den gegenwärtigen Aufgaben der Vermessung im Bundesdenkmalamt verbleiben etwa 10 bis 20% der direkten Vermessung, und zwar für Zusatzmessungen, wie aus wirtschaftlichen Gründen^. Das Bundesdenkmalamt ist die erste Denkmalbehörde, die Bildmeßmethoden laufend für die theoretische und prak tische Arbeit der Denkmalpflege, für die Altstadterneuerung, den Katastrophenschutz und die Zwecke des Kulturgüter schutzes im Falle eines Krieges anwendet. Die Einzelheiten der Gerätekombination und verfahrens technische sowie organisatorische Details, Rentabilitäts vergleiche usw. sind bereits veröffentlicht worden^, so daß ^ Versuche zur Verwendung von Photographien für Meß zwecke, die nicht mit Meßkammern gemacht wurden, sind in der Geschichte der Bildmessung laufend angestellt worden. »Stand zuerst der Versuch im Vordergrund, mit billigen Mitteln zu verwertbaren Resultaten zu kommen, so hat sich nun die Erkenntnis durchgesetzt, derzufolge diese Anwendungen auf jene Ausnahmefälle zu beschränken sind, in denen keine anderen Möglichkeiten bestehen (Rekonstruktion zerstörter Denkmäler nach Amateui'photos). Sehr ernste Untersuchun gen haben erwiesen, daß dies in vertretbarer Weise nui' durch einen erheblichen mathematischen Aufwand bzw. mit Hilfe von elektronischen Rechnern möglich ist. Arbeiten von H. Deneux, J. Sutor, P. Gosdschan, K. Linkwitz, R. Meyer, E. H. Thompson, K. B. Atkinson, Z. Sitek (genauere biblio graphische Angaben im Generalrapport der Kommission V des 11. Kongresses für Photogrammetrie von M. Carbomiell sowie in der zugehörigen Bibliographie) sind hiefür kennzeichnend. ® Diese Entwicklung war nur durch die Hilfe österreichischer Photogrammeter, insbesondere der Herren Prof. Dr. Franz Ackerl, Senatsrat Dipl.-Ing. R. Kling, der Oberräte des Vermessungsdieustes Dr. H. Bernhard, Dipl.-Ing. O. Schenk und Bam*at Dr. E. Meixner, der Kollegen des Autors, nament lich des Hofrats Dr. J. Zykan und des Oberstaatskonservators Arch. B. Reichhart, sowie dank dem Wohlwollen der Präsi denten Prof. Dr. O. Demus und Prof. Dr. W. Frodl sowie der kollegialen Zusammenarbeit mit den Herrn Dr. Ahrend, Bruck lacher, Berling, Monden und Rösener der Fa. Zeiss möglich. ^ Über die Erfolge der Architekturbildmessung liegen zur Zeit etwa 200 wissenschaftliche Arbeiten vor, die anläßlich des 11. Internationalen Kongresses für Photogrammetrie in Lausanne 1968 von der Kommission V in einer Bibliographie zusammengefaßt werden. Zur gegenständlichen Gerätekombi nation siehe auch das Literatui'verzeichnis S. 122 f.

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