Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

125. Adolf Logs, Haus am Michaelerplatz; Grundriß des Erdgeschosses (Klischee: Verlag Anton Schroll & Co.) Dimensionen, die dem Betrachtenden empfindungsmäßig für Auflager und Stützen der schweren Marmor decke genügen: die Rahmen wachsen rein optisch zu Pfeilern und Unterzügen an. Es bleibt noch zu erläutern, warum bei dem Projekt des Kriegsministeriums der Ehrenhof hätte so seicht sein müssen. Der Grund läßt sich ohneweiteres von dem beigefügten kleinen Lageplan ablesen (Abb. 123): Der Georg Coch-Platz, gegenüber dem Ehrenhof jenseits der Ringstraße gelegen, sollte diesem wirkungsmäßig zugeschlagen werden; doch fallen beider Achsen nicht genau zusammen, sondern stoßen in leichtem Winkel aufeinander. Man hätte diesen Umstand bei der Kürze der Achse des Ehren hofs vom Georg Coch-Platz her nicht bemerkt; jedenfalls hat Adolf Doos damit gerechnet. Der von der Ringstraße in seiner Längserstreckung geschnittene Platz wäre an den Schmalseiten von der Hoffront des Kriegsministeriums, gegenüber von der schwer wirkenden Fassade des 1903-1907 errichteten Post sparkassen-Amtsgebäudes von Otto Wagner beherrscht gewesen. Daß Adolf Loos ein so großzügiger Baugedanke überhaupt kam, ist ohne Zweifel seinem Verständnis für ein anderes nicht ganz ausgeführ tes Ringstraßen-Projekt zuzuschreiben, dem des von Gottfried Semper geplanten Kaiserforums zwischen Hofburg und Hofstallungen; die Seiten sollten von der zweiflügelig gedachten Neuen Burg und jenseits der Ringstraße von den beiden Hofmuseen gebildet werden (vgl. Abb. 106). Wie Adolf Loos das Kriegs ministerium plante, hätte mit dessen Hilfe also ein an der Ringstraße schon bestehendes Platzkonzept zwar kleiner, neu und entschieden anders, aber doch verwandt Wirklichkeit werden sollen. In den Jahren 1910-1911 ist dann das Haus am Michaelerplatz in Wien erbaut worden. Wenn man es kritisch auf formale und technische Details hin ansieht, etwa daraufhin, daß die unprofiliert in die glatten Wände eingelassenen Fenster oder die sehr großen, durchscheinenden getäfelten Fensterflächen in den hellen glasierten Ziegelwänden der Hofseite für die Entstehungszeit sehr fortschrittlich gewesen sind, dagegen die Marmorverkleidung der Geschäftsgeschosse unten oder gar die Verwendung von Säulen rückschrittlich, dann wird man kaum der Eigenart dieses Bauwerks gerecht, das heute in seiner Umgebung, am Platz mit der barocken Hofburgfront und der klassizistischen Fassade der Michaelerkirche, als ein bereits klassisches Werk der modernen Architektur seine Gleichberechtigung längst erwiesen hat (Abb. 124). Hinter der Säulenfront liegt in ganzer Breite der Raumkubus des Geschäfts lokals ; die Unterzüge der Decke lagern - der Raumform gemäß - auf quadratisch ummantelten Mittelund entsprechenden Wandstützen (Abb. 125). Diesem mächtigen Raum innen entspricht zum Platz hin die weite Aufschließung der Hauswand; doch stellte sich dabei ein schwierig zu lösendes Problem in dem leichten Absinken des Terrains zwischen den Einmündungen von Herrengasse und Kohlmarkt in den Platz. An Konkurrenzentwürfen anderer Architekten ist zu sehen, wie peinlich eine schief ab sinkende Bodenauflagerung der Fassade wirkt, weil dadurch deren Erhebung empfindlich an Statik einbüßt. Adolf Loos hat diesen Zwiespalt im Wortsinn verstanden: überbrückt. Er gleicht die Schräge im Platzniveau durch wenige keilförmig sich unterschiebende Stufen aus, zu einer unauffällig niedrigen Plattform, die den Säulen als horizontale Standfläche dient. Die vier unten und oben mit leicht pro filierten, schmalen Metallringen gefaßten vier Säulen wirken wie von einem durchgehenden, in die Eck-

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