Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

f" V.v Ja 116, 117. Wien I, Dr. Karl Lueger-Ring, Burgtheater; Gruppe über der Feststiege und Eckpylon (Kamin) (BDA, V. Knuff) akzentuierten Häuserblocks ordnen sich naturgemäß viel weniger der „Straßenwand" ein als die älteren Wohnhäuser. Sie wollen vielmehr als plastische Gebilde gewürdigt werden und fordern zu einer Betrach tung in der Eckansicht auf. Daß man in der Epoche Makarts auf diese Weise im Sinne der barocken Seena del angolo baute, verwundert kaum; auch sonst spielen ja szenografisch wirksame Kompositionen eine große Rolle. Eine solche ergab sich etwa durch die kuppelbekrönten Bauten von Maria Theresienund Maximilianshof, die am Votivplatz den Eingang der baumbestandenen Kolingasse flankierten und sich mit der am Ende dieser Avenue sich erhebenden turmbekrönten Roßauer Kaserne zu einer sehr reizvollen Gesamtwirkung zusammenschlössen, die leider durch den Verlust der Kuppeln zerstört wurde. Von besonderer Aussagekraft für das Stilgefühl, das solche städtebaulichen Kompositionen entstehen ließ, war der ehemalige Philippshof von Karl König, 1883, auf dem dreieckigen Areal vor der Albertina; er besaß eine Eckkuppel, die sich Fischers Kuppeln der Hofburg zum Vorbild genommen hatte. Solche architektonischen Konzeptionen setzten ein plastisches Empfinden voraus, welches den fast kristallin erscheinenden Wandaufbau der Frühzeit der Ringstraße durch weiche Modellierung ver drängte. Im Zuge der Integration der Plastik mit der Architektur weitet sich das plastische Empfinden auf diese selbst aus und greift von der Oberzone mit ihren Kuppeln und Türmchen auf den ganzen Bau über. Um 1900 war diese Stufe erreicht, und die Bebauung der ehemaligen Exerzierfelder der damals niedergelegten Kaiser-Franz-Josephs-Kaserne mit dem Stubenringviertel demonstriert sie in eindrucks voller Weise. Das ehemalige Kriegsministerium und der Bau der Handelskammer mit kuppeligen Dächern, die abgerundeten Ecken, die ondulierenden, durch Erker und Balkone plastisch geformten Baublöcke verraten eine Auffassung, die sich als späthistoristisch geprägter Jugendstil definieren läßt. Das weich Fließende der kurvilinearen Formen dieser Epoche teilte sich in eigenartiger Weise nicht nur der Architektur, sondern auch der städtebaulichen Konzeption mit. An Stelle der straffen Determiniertheit des Rasterstiles und der großen, mit spätantiken Maßstäben arbeitenden ,,Fora", denen immer noch eine stationäre Haltung eignet, gewinnt die städtebauliche Komposition eine neue Dynamik. Sie beginnt schon bei der Tendenz zur Übereck-Ansicht, die mit einem Bewegungsmoment rechnet und überdies gelegentlich durch eine kopfschwere Bekrönung, wie etwa bei der Kuppel des Hauses der Staatsgewerbeschule, Ecke Schwarzenbergstraße, einer radikalen perspektivischen Verkürzung Vorschub leistet — ein Phänomen, das auch der zeitgenössischen Malerei bekannt ist. Gegen 1900 erfährt das dynamische Moment in der städtebaulichen Komposition eine weitere Steigerung; damit mag es auch zusammenhängen, daß damals die größten Investitionen baulicher Art der Anlage der Stadtbahn, der Systemisierung des Donaukanals und der Wientaleinwölbung zugute kamen, Unternehmen, von denen jedes in seiner Art mit der Lenkung einer Bewegung zu rechnen hatte.

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