Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

Stimmungen auf, die nicht ohne weiteres auf das gemeinsame Vorbild zurückgeführt werden können: so die flach mandelförmigen Augen und der sehr kleine Mund, die ungewöhnlich hohe Stirn, die kreis förmige Rundung, die Kinn und Wangen weich zusammenfaßt, und schließlich auch der ein wenig zu kräftig geratene, ungegliedert zylindrische Hals. (Manche dieser Eigenheiten flnden sich einzeln auch an anderen Salzbm'ger Madonnen wieder, doch nie in dieser spezifischen Kombination.) Noch auffälliger ist die Bildung der Hände, die hier wie dort unproportioniert klein, sehr dünngliedrig und zu wenig artikuliert erscheinen. Der Ealtenstil läßt ebenfalls Vergleiche zu: Der Duktus der Saumschlingen, das Volumen der Ealtenwülste, der Geschmeidigkeitsgrad des Stoffes, die Art, wie das Gewand auf der Bodenplatte üppig aufruht, auseinanderfließt und weich in die Gegenrichtung umschlägt — das alles spricht für einen konkreten, werkstättenmäßigen Zusammenhang (Abb. 2 und 3). Zu beachten ist freilich, daß die Franziskaner-Madonna mit ihren 108 cm Höhe nicht nur absolut größer, sondern auch in der Faktur ein wenig derber ist. Das gilt für die Technik der Gewand- und Haarbehandlung ebenso wie für die Gesamtkonzeption, in der sie - auch wenn man sich die verstümmelte Faltenkaskade ihres linken Armes verlängert denkt — hinter der ausgereiften Lösung der viel subtiler komponierten Margareta nicht unbeträchtlich zurücksteht. Dennoch möchten wir vermuten, daß beide Figuren aus dem gleichen Milieu — konkret: aus einer etwa im ersten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts tätigen Salzburger Werkstatt — hervorgegangen sind^^. Volle Gewißheit wird man diesbezüglich erst dann gewinnen können, wenn die Materialuntersuchungen zu bündigen Ergebnissen führen oder ein glücklicher Zufall die Konfrontierung der beiden Originale erlauben sollte. (So wäre etwa noch die Rückseite unserer Figur, die in ihrer gegenwärtigen Aufstellung nicht sichtbar ist, mit jener der Franziskaner-Madonna zu vergleichen.) Bis dahin mag die hl. Margareta des Musee Grobet-Labadie wenigstens an dem figurenreichen Rätselspiel um Herkunft und Filiation der Schönen Madoimen nach Gebühr teilhaben; zugleich wird auch die Frage zu stellen sein, ob ihr geistvolles Bewegungsmotiv (samt dem extravaganten, durch das kokette Anheben des Mantels bestimm ten Faltenschema) in Salzburg selbst entwickelt wurde oder oh es in seinen Grundzügen auf einen fremden — etwa einen böhmischen — Prototyp zurückgeht. In jedem Falle wird man die eigentliche Invention dieser außerordentlichen Figur nur einem der wenigen ganz großen und schöpferischen Meister aus dem Kunstkreis der Schönen Madonnen zutrauen dürfen. Kutal (zit. Anm. 4) gibt eine meisterhafte und ungemein feinfühlige Analyse der Franziskaner-Madonna; zugleich zieht er - mit m. E. noch nicht restlos überzeugenden Argumenten - ihren salzburgischen Ursprung in Zweifel. Josef Zykan ZUR BAUPLASTIK VON ST. STEPHAN* Gewiß wäre eine erschöpfende Untersuchung der Plastiken von St. Stephan eine vordringliche Aufgabe; hier aber soll zunächst nur einzelnes, was bisher kaum bekannt war, ohne eingehende wissenschaftliche Bearbeitung aufgezeigt werden. I. Funde im Geund- und Füllmauerwerk Die Beobachtungen, welche während der Restaurierungsarbeiten an der Stephanskirche in Wien gemacht wurden, gehen mancherlei Aufschlüsse über bautechnische Gepflogenheiten, die bisher nicht immer genügend bedacht wurden. Über der Leistung des Lapicida wurde vielfach vergessen, daß auch heim gotischen Kirchenbau der Maurer eine wichtige Funktion hatte. Die alte Unterscheidung zwischen ,,murator" und ,,cementarius" ist insoferne durchbrochen, als der mittelalterliche Lapicida nicht gut murator genannt werden konnte, das Wort cementarius aber nicht immer verständlich und geläuflg war. Trotzdem wird zum Beispiel Pierre de Montreuil ,,cementarius" der Abtei von Saint-Denis ge- * wertvolle Mitteilungen möchte ich vor allem dem üombaumeister von St. Stephan, Dipl.-Ing. Kurt Stögerer, und dem Hauptpolier der Dombauhütte, Herrn akad. Bildhauer Franz Oelzant, aufrichtigen Hank aussprechen.

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