Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

von Hans Peter Hilger und Ernst Willemsen. Düsseldorf 1967. 206 8. Text, ca. 80 Abb. {meist In Farbe). Die im Spätsommer letzten Jahres im Rheinischen Landes museum gezeigte Schau stellte in einer imponierenden Zu sammenfassung die in den vierzehn Jahren ihres Bestehens erbrachten Leistungen der Bonner amtlichen Restaurierwerk statt auf dem Gebiet mittelalterlicher rheinländischer Skulptur einer breiteren Öffentlichkeit vor. Ein als Beiheft 11 der Kunstdenlunäler des Rheinlandes erschienener buchförmigcr, vorbildlich redigierter und ausgestatteter Katalog liegt als bleibendes Dokument und Instrument zu weiterer Forschung vor. Der eigentliche Katalog — der kunsthistorische Teil ist von H. P. Hilger, der technische von E. Willemsen verfaßt - erfüllt eigentlich alle Bedingungen einer idealen Katalogi sierung: Auf die kunstwissenschaftliche Beschreibung und Ein ordnung folgt für jede einzelne Nummer eine minutiöse Dar stellung der materiellen Beschaffenheit, das heißt des der zeitigen Zustandes, sowie aller charakteristischen Beob achtungen bezüglich der lusprünglichen Technik des Bild trägers und seiner Bemalung. Wer weiß, wie sehr diese für Form- und Materialkenntnis entscheidende Akribie allen vergleichbaren Arbeiten mangelt, ist sich bewußt, daß hier hinsichtlich des Ausstellungsziels und dessen praktischer und publizistischer Verwirklichung Pionierarbeit geleistet wurde. Der Bildteil enthält fast ausschließlich farbige ganzseitige Wiedergaben aller 73 Skulpturen, mehrfach mit Details und in wechselnden Ansichten. Zum Photographierstil wäre allerdings anzumerken, daß gerade Skulpturen nicht vor einer indiffe renten farblosen Fläche schwebend abgebildet werden sollten, sondern daß eine reale Bezogenheit auf die nötige Standfläche das Verständnis und die Richtigkeit der Betrachtung erhöht. Als Einleitung des Katalogteils zieht E. Willemsen in seinem umfangreichen ,,Kommentar" die Summe aller mit dieser Ausstellung verbundenen Absichten und der bereits vorliegen den Resultate. Katalog und Kommentar sind in vielem eine wesentliche Ergänzung der in den Jahrbüchern der Rheini schen Denkmalpflege laufend veröffentlichten Ergebnisse. Die ,,konservatorisehe Grimdidee" ist Ausgangspunkt: die interessierte Öffentlichkeit auf die Bedeutung, die großen Gefahren und die bestehenden Bemühungen für die Erhaltung der seltenen ursprünglichen Bestände an romanischer und gotischer ,,skulpturaler Malerei" hinzuweisen, sonst wird nämlich die originale Oberfläche von Skulpturen - ähnlich der ,,architektonischen Malerei" - in absehbarer Zeit nicht mehr anschaulich existieren. Die ebenso in der Beurteilung der Baukunst überkommene Schätzung und Beachtung vor wiegend der dreidimensionalen Eigenschaften - auch durch die Kunstwissenschaft die Verluste, die billige ,,Schnell restauratoren" anrichten, die immanenten Krankheiten aller alten Kimstwerke und jene Probleme, welche die Erhaltung von freigelegten Skulpturen in Kirchen nach musealem Standard aufwirft, werden besprochen. All dies trifft auch für österreichische Verhältnisse zu. Denn ,,der durchschnittliche Stand der Skulpturrestaurierung ist unterentwickelt genug, daß jeder Skulptur in dem Augeiiblick Gefahr droht, in dem ihre Restaurierung in Erwägung gezogen wird". Wir sind leider noch lange nicht in der Lage, daß amtliche oder andere qualiflzierte Workstätton in allen wichtigen Fällen mittelalter licher gefaßter Skulptur eingreifen können. (Sehr lehrreich war es, diesbezüglich die Skulptm'en auf der Kremser Gotik ausstellung 1967 zu betrachten.) De-shalb müßte sich die Er kenntnis durchsetzen, daß bei unvermeidlichen ,,Renovierun gen", die trotz knapper Mittel durchgeführt werden, neuerliche Übermalungen paradoxerweise weit weniger schädlich sind als eine sununarische ,,Freilegung". Daher müßten in diesen Fäl len Freilegungen von der Denkmalpflege bekäinpft werden. Für den seiner Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit bewußten Restaurator Willemsen bedeutet der mit der Aus stellung erzielte Überblick zugleich Rechtfertigung wie heuri- .stischen Zweifel am Sinn restauratorischer Bemühungen. Die technische Methode ist selbstverständliche Voraussetzung. Das Berufsethos verlangt jedoch, über bloße Rentabilität hinaus, diese Arbeit ,,als etwas Absolutes" anzugehen. ,,Denn mangel haftes Restaurieren ... wird zur Zerstörung." Allerdings muß jede Freilegung spätere Übermalungen und damit interessantes Material einer ,,Geschichte des Vulgärgeschmacks" zerstören. Die Frage, wieweit diese Übermalungen bei darunter noch vorhandener Originalfassung zu respektieren seien, bleibt mehr wissenschaftlich abstrakt, da Übermahmgen in Dis krepanz zur ursprünglichen künstlerischen Absicht stehen. Sie sollen jedoch durch genaue Dokumentation des Restaurier befundes für weitere Untersuchungen erhalten bleiben. Der dritte Gesichtspunkt ist der eines ,,Beitrages der Denkmal pflege zur Kunstwissenschaft". Fragen wie die nach Gemein samkeiten der Malerei auf plastischen und ebenen Bildträgern werden gestellt. Das bezeichnende Wort ,»Fassung" verrät bereits das die räumlichen wie die übrigen künstlerischen Absichten präzisierende Eigenleben der Farbe in einer ,,von der plastischen Form keineswegs allein beherrschten Raum illusion". Sie verleiht einen ,.höheren Realitätsgrad" (Kult bilder!), denn erst die ,,Malschicht ... vollzieht den Abschluß des plastischen Gestaltungsvorganges". Diese Ansichten werden durch subtile Beobachtimgen an Art und Funktion der Fassung der gezeigten Objekte vom 12. bis zum 16. Jahrhimdert verdeutlicht. An den romanischen und den frühen gotischen Beispielen werden alle Einzelpartien durch die gemeinsame kontrastarme Oberfläche zusammen geschmolzen (Frauenberger Kruzifix, Nr. 1). Diese technisch im einschichtigen Fassungsaufbau sich zeigende Art wandelt sich um die Mitte des 14. Jahrhunderts allmählich zum zwei schichtigen Farbaufbau (farbige Boliisgründc der Metallauflagen, Lüstrierimgen, Azuritimtermalung etc.). Stili.stisch entsteht ein komplexes, die einfache Oberfläche aufhebendes Wechselspiel von Innen und Außen, ein Streben nach stofflicher Charakterisierung bei weitgehender Übereinstimmung mit der plastischen Form (Iversheimer Madonna, Nr. 18). Gegen Ende des 15. und zu Anfang des 16. Jahrhunderts wird die Fassung noch weiter ,,dynamisiert" und überspielt vielfach die ge geschnitzten Formen (Antwerpener Altar aus Zülpich, Nr. 57 bis 69). Andererseits entspricht dieser Spätphase eine .solche Anreicherung des Oberflächenwertes der Schnitzwerke, daß eine Fassung unterbleiben kann (Figuren aus Siersdorf, Nr. 45 bis 47). Abschließend bleibt nur zu wünschen, daß die mit der leider nur kurzen und lokal gebundenen Ausstellung und ihrem Katalog geleisteten Bemühungen fruchtbringend weiter geführt werden. Damit verbunden ist die Hoffnung, daß sie zu ähnlichen Beiträgen anderer Länder anregen und auch auf andere Epochen und Gattungen ausgeweitet werden. In Ö.sterreich etwa bestehen auf diesem Gebiet nicht nur für die mittel alterliche Skulptur große Aufgaben. M. Koller

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