Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

BUCHBESPRECHUNGEN Sigrid Thurm: Deutscher Glockenatlas, 2. Bd., BayrischSchwaben. Deutscher Kunstverlag, München 1967. 612 S. und 357 Abb. Der nunmehr erschienene zweite Band des Deutschen Glocken atlasses, der gegenüber dem ersten eine wesentliche Ver besserung des Bildmaterials und eine bessere Übersicht im Katalogteil bringt, zeigt, wie wertvoll eine so umfangreiche und gründliche Arbeit nicht nur für das eigene Land, sondern auch für die benachbarten Gebiete sein kann. So wird eine Glocke aus dem Jahre 1488 von Enzisweiler, Kreis Lindau, beschrieben, die als die derzeit älteste bekannte Glocke Peter Löfflers, des Begründers der über 100 Jahre in Innsbruck wirkenden Gießerfamilie, anzusprechen ist. Von seinem Sohne Wenzel Löffler, von dem man in Österreich keine Glocke kennt, wird in Lindau-Äeschach ein Exemplar aus dem Jahre 1518 aufgezeigt. Die Bedeutmig Gregor Löfflers, der zu seiner Zeit der beste Geschützgießer auf deutschem Gebiet war, wird auch als Glockengießer durch die im Deut schen Glockenatlas aufscheinenden Daten wesentlich gehoben. Außer den 25 Glocken, die heute in Österreich von ihm vor handen sind, werden in Bayern aus seiner Augsburger Tätigkeit sieben Stück und aus seiner Innsbrucker Gußstätto — in Zusammenarbeit mit seinem Bruder Alexander und mit seinen Söhnen Elias und Hans Christof entstanden — 24 Stück nach gewiesen. Von seinem Sohn Hans Christof sind in Bayern zwei Glocken bekannt. Die überragende Bedeutung der Familie Löffler für den damaligen Glocken-, Bild- und Geschützguß ist vollkommen richtig gesehen und entsprechend gewürdigt. Von den späteren Innsbrucker Gießern Franz Josef Köttelat und Simon Peter Miller sind je zwei Glocken, von Johann Graßmayr in Wilten ist ein Exemplar aufgezeigt. Aber es werden auch wertvolle Hinweise auf die Vorarlberger Gießer gegeben: Über die Bregenzer und Feldkircher Gießer werden ergänzende Archivalien veröffentlicht und die in Bayern vorhandenen Glocken aus den beiden Gußstätten aus führlich beschrieben. Von den Bregenzer Gießern sind Johann Baptist Aporta mit neun Glocken und Gebhard Andreas Aporta mit zwei Glocken besprochen. Aus der Feldkircher Gußstätte scheinen eine Glocke, die Jakob Graßmayr allein und eine, die er in Verbindung mit seinem Sohne Josef Anton geschaffen hat, auf. So wie es durch neues Material im DeutschenGlockenatlas möglich wurde, eine ganze Anzahl offener österreichischer Fragen einer Klärung zuzuführen, können auf Grund von hier erarbeiteten Daten auch einige unvollständige Angaben, die im 2. Band des Deutschen Atlasses aufscheinen, ergänzt werden. Der Gießer Friedrich Hamm, der am 31. Oktober 1922 sein Gewerbe in Augsburg abmeldete, arbeitete anschließend nicht in Staad bei Rohrschach in der Schweiz. Er führte vielmehr von 1922 bis 1924 die Gössnersche Gießerei in Wien-Simmering als Pachtbetrieb und übersiedelte 1924 nach Salzburg-Maxglan, wo er bis 1926 arbeitete. 1926 übersiedelte er nochmals, und zwar nach Staad in der Schweiz, und verblieb dort bis nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges. Erst 1946 kehrte er wieder nach Salzburg zurück. Die Kreuzigungsgruppe der Abb. 127 und 177, die auf zehn Glocken von Hans Schnitzer, Christof Neidhardt, Johann Algeyer, Theodor Ernst, Gottlieb Korn, Leonhard und Johann Heinrich Ernst in der Zeit von 1612 bis 1779 (!) Verwendung fand, wurde bereits 1592 von Hans Dinkelmaier in Wien auf einer Glocke angebracht und ist eine Arbeit Peter Flötners, der schon am 23. Oktober 1546 in Nürnberg gestorben ist. Das Siegel auf der Enzisweiler Glocke von 1488, Abb. 337, das einem Geistlichen aus der Familie Merode zugeschrieben wurde, ist das des 1235 von Papst Gregor IX. bestätigten Mercedarier Ritterordens und zeigt eine Schutzmantelmadonna mit der Um schrift: S(igillum) BEATE MARIE DE MERCEDE REDEMPTIONIS CAPTivo(rum). Es handelt sich also um das gleiche Bild und die gleiche Umschrift wie auf der S. 55f. behandelten Glocke der Sammlung Wagner (vgl. unsere Abb. 90). Das zweite Siegel der gleichen Glocke, Abb. 336, ist nach der Umschrift: S(igillum) NiGRi : ARCHIPRESBITERI : PLEBis : d' calepio das des Erzpriesters von Calepio^. Franz Anton Grieshaber, der Sohn des Glockengießers Johann Jakob Grieshaber aus Waldshut, war gleichfalls Glockengießer, da von ihm in Kirehberg an der Pielach eine Glocke mit der Inschrift: ,,Frantz Antoni Grieshaber aus Waldshuet goss mich 1709" vorhanden ist. Wenn auch der zweite Band des Deutschen Glockenatlasses wie der erste die musikalischen Daten vermissen läßt, ist die Arbeit trotzdem für die Glockenforschung sehr bedeutungsvoll. Es ist nur zu hoffen, daß auch für weitere Bände die not wendigen Mittel aufgebracht werden und Sigrid Thurm in ihrer bestens bewährten Art die Arbeiten weiterführen kann. J. Pfundner ^ Siehe S. 56, daselbst Anm. 7 und Abb. 91. Viktor Flieder - Franz Loidl, Stephansdorn - Zerstörung und Wiederaufbau. Chronik und Dokumentation (Ver öffentlichungen des Kirchenhistorischen Instituts der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Wien, Band 3), Wiener Dom-Verlag, Wien 1967. 152 S., 3 Abb. im Text, 64 Abb. im Anhang. Wenn auch die Behebung der Kriegsschäden am südlichen Heidenturm und in der Barbarakapelle noch im Gange ist, können die Wiederherstellungsarbeiten am Wiener Dom mit der Beendigung der Restaurierung des Hochturmes im Jahre 1965 doch bereits als im wesentlichen abgeschlossen bezeichnet werden. So war der richtige Zeitpunkt gegeben, die Leistungen des Wiederaufbaus von St. Stephan zusammenhängend darzu stellen. Die Autoren stützten sich nicht nur auf die veröffent lichten Berichte über die Einzelabschnitte der gigantischen Aufgabe, sondern nahmen auch die Befragung mehrerer am Wiederaufbau beteiligter Personen vor. Für den Kunst historiker und Denkmalpfleger ist die zusammenfassende Darstellung der Schutzmaßnahmen am Dom gegen eventuelle Kriegsschäden von großem Interesse. Umfangreiche Vor kehrungen wurden getroffen, obwohl die Möglichkeit einer Gefährdung des Domes durch den Krieg nicht öffentlich aus gesprochen werden durfte. Vor allem aber wurden Ursache und Verlauf des großen Dom brandes von 1945 einer Untersuchung mit wissenschaftlichen Methoden unterzogen, da zahlreiche Gerüchte die Wahrheit

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