Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

scheint, so ist dies kein veränderter Oberflächeneffekt, sondern die Pigmentpartikel sind untereinander wieder fest verbunden; dadurch ist der Farbeffekt kompakter, er erscheint etwa so wie zum Zeitpunkt des ursprünglichen Farbauftrages. Die Präparierung einer Anzahl von Probeblättern dieses Codex in der oben angeführten Weise ergab in ästhetischer Hinsicht eine befriedigende Festigung. Bis dahin war Methylcellulose lediglich als Zusatz zu Emulsionen, als Regenerierungs- und Klebemittel für Papier aber nur lokal zur Anweirdung ge kommen. Bevor man hier erstmals daranging, alle Blätter und Miniaturen in ihrer gesamten Fläche und möglichst in einem Arbeitsgang zu behandeln, gebot die Vorsicht eine neuerliche Prüfung der chemischen Eigenschaften der Methylcellulose. Sie gehört in die Gruppe der wasserlöslichen Celluloseäther. Während die Ester der Cellulose bereits im vorigen Jahrhundert technisch verwendet wurden, sind Celluloseäther erst 1905 durch Veröffentlichungen von W. Suida bekannt geworden. Dieser rein wissenschaftlichen Arbeit folgten 1912 ziemlich gleichzeitig, jedoch unabhängig voneinander, die ersten Patente zur Herstellung von Celluloseäthern; bereits die ersten Arbeiten Lilienfelds nannten ihre wesentlichen Einsatzgebiete. Die wasserlöslichen Celluloseäther sind lineare Molekelkolloide vom Polymerisationsgrad 100 bis 700. Der Ausgangsstoff ist meist der Holzzellstoff, insbesondere der Fichtenzellstoff; auch Buchenzellstoff kann verarbeitet werden, ohne daß er freilich höchstviskose Produkte ergibt. Die im Hinblick auf die Konservierung bedeutungsvollste Eigenschaft der wasserlöslichen Celluloseäther ist ihre Fähig keit, in relativ niederen Konzentrationen haltbare hochviskose Lösungen zu ergeben, die zu Filmen von hoher Elastizität mit gutem Pigmentbindevermögen eintrocknen; diese Lösungen besitzen weiterhin ein gutes Emulgier- und Dispersionsver mögen. Sie reagieren neutral, sind chemisch sehr beständig, lichtbeständig, nicht toxisch und im trockenen Zustand un begrenzt haltbar. Eine weitere in restauratorischer Sicht sehr nützliche Eigen schaft ist die, daß bei niederer Konzentration einer Lösung gleichzeitig große Mengen eines Lösungsmittels aufgenommen und nachher wieder abgegeben werden können. Wenn z. B. 25 Gramm Methylcellulose 1 Liter Wasser aufnehmen und dieses dann sukzessive wieder abgeben, kann der Restaurator diese freiwerdende Feuchtigkeit für bestimmte Quellprozesse gut gebrauchen, der Celluloseäther wird hier zum Wasser träger. Die Celluloseäther sind alle, im Unterschied zur Cellu lose, die in Wasser und in den meisten anderen Lösungsmitteln fast vollkommen unlöslich bleibt, im Wasser leicht löslich oder quellbar. Man kann die Celluloseäther ohne wesentliche Zer setzung schmelzen. Was die Methylcellulose im besonderen betrifft, so ist ihre Löslichkeit bei niedrigen Temperaturen größer als in der Wärme; in der Hitze tritt eine reversible Koagulation (Gerinnen) ein. Die Klarheit der Lösungen wird verbessert, wenn diese auf geringere als die Raumtemperatur abgekühlt werden. Die wässerigen Lösungen vertragen einen Zusatz von wasserlöslichen Lösungsmitteln, wie Methyl- oder Äthylalkohol und Aceton. Von Fetten, Ölen und den meisten organischen Lösungsmitteln wird Methjdcellulose nicht ange griffen. Neben der Methylcellulose finden sich unter den wasserlöslichen Celluloseäthern die niedrig substituierte Äthylcelluloae, ferner diejenigen Alkylcellulosen, die im Alkylrest hydrophile Gruppen enthalten. Gegen den Abbau durch mechanische Einwirkungen, wie Hitze, UV-Licht und Säuren, ist die Methyl cellulose resistenter als etwa die Carboxymethylcellulose. Bei der Herstellung der Methylcellulose werden die Celluloseketten mehr oder weniger häufig unterbrochen, so daß Methylcellulosen mit verschiedenen Viskositätsgraden (Eiastizitätsunterschieden) entstehen. Mit Wasser bildet Methylcellulose neutrale, im pH-Bereich 3-12 säure- und alkaliimempfindliche, lichtbeständige, farblose, geruchfreie, kolloidale Lösungen. Das manchmal unangenehme Schäumen während der Ver arbeitung kann durch Antischaummittel beseitigt werden. Beim Eintrocknen im Gefäß bildet Methylcellulose zähe, bieg same Filme, ähnlich den Gelatinetafeln. Die neuerdings her gestellte ,,hochaktive" Methylcellulose löst sich schon in etwa 20 Minuten in kaltem Wasser, während sonst etwa 4 Stunden benötigt werden. Weiters kann M^ethylcellulose in der Konservierung als Austauschstoff für Bindemittel, wie Tragant, Gummiarabicum etc., für Emulgierungs- und Verdickungsinittel und für Schutzkolloide Verwendung finden. In der Medizin wird Methylcellulose bei der Behandlung von Brandwunden ver wendet; dies bot den Anlaß zu Versuchen, altersschwache tierische Hautprodukte, z. B. brüchige Pergamente, damit zu behandeln; diese können tatsächlich damit gut gefestigt werden, die Pergamente erhalten allerdings, auch bei der An wendung sehr hoch viskoser Methylcellulosen, nicht die Ge schmeidigkeit wie nach einer Behandlung mit Pergamentleim. Auch wenn Methylcellulose als Bindemittel für neue Pigmente verwendet wird, erweist sie sich wegen ihrer gleichmäßigen, zügigen Beschaffenheit als vorteilhaft, und auch weil infolge ihrer hohen Dispergierwirkimg die feinst verteilten Farb partikel zusammengehalten werden, weil sich diese Farben auf dem Untergrund gut verankern und weil Methylcellulose die Gefahr des Abplatzens vom Grund verringert, vor allem dann, wenn die Farbschichten durch den Einfiuß wechselnder Luft feuchtigkeit in Bewegung geraten. Methylcellulose wird von verschiedenen Firmen unter unter schiedlichen Bezeichnungen in den Handel gebracht. Für die endgültige Anwendung bei der Restaurierung des besprochenen Codex wurde die Methylcellulose Tylose SL 400 (Kalle & Co., Wiesbaden) herangezogen. Die Tylosefabrikate divergieren im Substitutions- und Polymerisationsgrad, zusätzliche Zahlen angaben hinter der Handelsbezeichnung (400) sind Viskositäts hinweise. Otto Wächter Liter.\tur Jacobus Dashian: Katalog der armenischen Handschriften in der Mechitaristen-Bibliothek zu Wien, Mechitaristen-Buchdruckerei, Wien 1895. S. 128, Nr. 242. (Enthalten in: Haupt katalog der armenischen Handschriften in Österreich, Heft 2.) Ralph G. Siu: Microbial Decomposition of Cellulose, New York, 1951. Hermann Römpp: Chemie-Lexikon, 5. Aufl., Stuttgart 1962. Ullrnanns Encyklopädie der technischen Chemie, 3. Aufl.,Mün chen 1954. Erfahrungen und Verhandlungsboricht der Ai'chivtechnischen Woche, Archivschule Marburg, 1957. Suida, W.: Mh. Chem. 26, 413 (1905). Lilienfeld, L.: Deutsches Reichspatent 477. 154 (1912). O. Faust: Celluloseverbindungen, Berlin 1935.

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